Dombey und Sohn. Charles Dickens
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Aus dieser Liebhaberei fanden viele kleinere Vorfälle in dem häuslichen Leben des Schiffsinstrumentenmachers, der auf seinen kleinen Midshipman so stolz war, Vorschub und Unterstützung. Da er seine Bekanntschaft hauptsächlich unter den Schiffslieferanten usw. hatte, so war sein Tisch stets reichlich mit echtem Schiffszwieback besetzt; auch verrieten die Zungen, Schinken, Speckschwarten und dergleichen einen ganz außerordentlichen Geruch nach Schiffstauen. Ferner zeigten sich auf seiner Tafel große Krüge mit Eingepökeltem, die die Firmen von Schiffsproviantierern aller Art zur Schau trugen; auch wurden die geistigen Getränke in massigen Flaschen ohne Hals aufgetragen. An den Wänden hingen eingerahmte alte Kupferstiche von Schiffen mit alphabetischem Verzeichnis für ihre verschiedenen Geheimnisse; auf dem Zinngeschirr sah man die Tatar-Fregatte unter Segel; ausländische Muscheln, Seegräser und Seemoose zierten den Kaminsims, und das kleine vertäfelte Hinterstübchen war gleich einer Kajüte durch ein Oberlicht erhellt.
Hier wohnte er nun nach Seemannsart allein mit seinem Neffen Walter, einem Knaben von vierzehn Jahren, der eben genug wie ein Midshipman aussah, um der vorherrschenden Idee des Alten zur Unterstützung zu dienen. Hiermit war es übrigens zu Ende, denn Solomon Gills selbst, den man allgemein den alten Sol nannte, hatte durchaus kein seemännisches Aussehen. Abgesehen von der welschen Perücke, die eine so einfache und rauhborstige Perücke war, wie nur je eine getragen wurde, und in der er nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Seeräuber hatte, war er ein langsamer, bedächtiger alter Knabe, mit so roten Augen, als wären sie ein Paar kleine Sonnen, die durch einen Nebel blickten. Eine seltsame Art das, und man konnte dabei auf den Gedanken kommen, er habe sie sich dadurch angeeignet, daß er drei oder vier Tage lang der Reihe nach durch jedes optische Instrument seines Ladens guckte und dann plötzlich wieder auf die Welt zurück, um nun zu finden, daß sie grün sei. Die einzige Veränderung, die man je an seinem äußeren Menschen wahrnahm, war ein vollständiger kaffeebrauner Anzug von sehr eckigem Schnitt, mit grell blinkenden Knöpfen, und dasselbe Kaffeebraun mit Ausnahme der Unaussprechlichen, die in letzterem Falle aus blassem Nanking bestanden. Er trug einen sehr sorgfältig gefalteten Busenstreifen, eine Brille bester Qualität auf seiner Stirne und einen ungeheuren Chronometer in seiner Uhrtasche – ein Instrument, auf welches er so große Stücke hielt, daß er eher geglaubt hätte, alle Turm- und Taschenuhren der Stadt, ja sogar die Sonne selbst stünden gegen sein Kleinod in Verschwörung, ehe er demselben einen Irrtum zugetraut hätte. So war nun dieser Mann, und war Jahr um Jahr so in der Werkstätte und dem Wohnstübchen hinter dem kleinen Midshipman gewesen; auch pflegte er sich regelmäßig jede Nacht nach einem luftigen Dachstübchen zurückzuziehen, welches so weit entfernt war von den übrigen Hausbewohnern, daß es daselbst oft in grobem Geschütz blies, wenn die Gentlemen von England, die gemächlich weiter unten lebten, nur eine geringe oder gar keine Ahnung von dem Zustande des Wetters hatten.
Es ist ein Herbstabend, ungefähr halb sechs Uhr, da der Leser mit Solomon Gills bekannt wird. Solomon ist eben im Begriffe, seinen unanfechtbaren Chronometer zu Rate zu ziehen. Schon vor einer Stunde oder mehr hat die gewöhnliche tägliche Räumung der City stattgefunden, und die menschliche Flut rollt noch immer gen Westen. Die Straßen haben sich sehr gelichtet, wie Mr. Gills zu sagen pflegt. Die Nacht droht mit Regenwetter. Alle Barometer in dem Laden sind kleinmütig, und auf dem Eckenhut des hölzernen Midshipmans lassen sich bereits Tropfen erkennen.
»Möchte nur wissen, wo Walter ist«, sagte Solomon Gills, nachdem er seine Uhr sorgfältig wieder verwahrt hatte. »Das Essen ist schon eine halbe Stunde bereit und immer noch kein Walter.«
Er drehte sich auf seinem Stuhle hinter dem Werktisch und schaute durch die Instrumente hinter dem Fenster hinaus, um zu sehen, ob sein Neffe nicht über die Straße komme. Nein. Er war nicht unter den auftauchenden Schirmen, und sicherlich durfte er ihn nicht in dem Zeitungsjungen mit der Wachstuchkappe suchen, der sich langsam an dem Messingschild außen weiter arbeitete und die Gelegenheit benutzte, um mit dem Zeigefinger seinen Namen über Mister Gills' Namen zu schreiben.
»Wenn ich nicht wüßte, daß er mich zu sehr liebt, um auszureißen und gegen meine Wünsche an Bord eines Schiffs zu gehen, so müßte ich wohl unruhig werden«, sagte Mr. Gills, indem er mit seinen Fingerknöcheln an zwei oder drei Wettergläser klopfte. »Ja, das müßte ich wahrhaftig.«
»Alle drunten, he? Es gibt viel Feuchtigkeit! Nun ja, man hat's brauchen können.«
»Ich glaube«, fuhr Mr. Gills fort, und blies den Staub von dem Deckelglase eines Kompasses, »du zeigst nicht richtiger und unmittelbarer nach dem hintern Wohnstübchen, als sich der Knabe dahin gezogen fühlt. Und das Wohnstübchen könnte gleichfalls nicht besser liegen. Genau nach Norden. Nicht den zwanzigsten Teil eines Striches Abweichung.«
»Holla, Onkel Sol!«
»Holla! mein Junge!« rief der Instrumentenmacher, indem er sich rasch umwandte. »Wie, du bist wirklich da?«
Ein fröhlich aussehender heiterer Junge, frisch vom Nachhauserennen im Regen – ein hübsches Gesicht, glänzende Augen und krause Haare.
»Nun, Onkel, wie seid Ihr heute den ganzen Tag zurechtgekommen ohne mich? Ist das Essen fertig? Ich bin so hungrig.«
»Was das Zurechtkommen betrifft«, sagte Solomon in gutmütigem Scherze, »so müßt' es kurios zugehen, wenn ich das ohne einen solchen jungen Schlingel, wie du bist, nicht weit besser könnte, als mit dir. Na, das Essen ist fertig und wartet schon eine halbe Stunde auf dich. Und was das Hungrigsein anbelangt, so bin ich es auch.«
»Nun, so kommt denn Onkel!« rief der Knabe. »Ein Hurra dem Admiral!«
»Zum Henker mit dem Admiral!« entgegnete Solomon Gills. »Du meinst den Lord-Mayor.«
»Nein, den meine ich nicht«, entgegnete der Junge. »Ein Hurra für den Admiral! Hurra dem Admiral. Vor – wärts!«
Durch dieses Kommandowort sah sich die welsche Perücke und ihr Träger unwiderstehlich nach dem Hinterstübchen gezogen, als ständen beide an der Spitze einer Enterpartie von fünfhundert Mann; auch waren Onkel Sol und sein Neffe bald aufs eifrigste beschäftigt mit einer gebratenen Meersole, der ein appetitliches Beefsteak folgen sollte.
»Der Lord-Mayor, Wally«, sagte Solomon – »für immer! Keine Admiräle mehr. Der Lord-Mayor ist dein Admiral.«
»O, meint Ihr?« versetzte der Knabe, den Kopf schüttelnd. »Nein, der Schwertträger ist mir lieber, als er. Dieser zieht doch bisweilen vom Leder.«
»Und machte eine saubere Figur damit«, erwiderte der Onkel. »Höre mich an, Wally. Höre mich an. Sieh nach dem Kaminsims.«
»Ei,