Das Lächeln der Mona Lisa. Kurt Tucholsky

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Das Lächeln der Mona Lisa - Kurt  Tucholsky

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bezeichnend übrigens, wie auch an dieser Stelle, nach ungewollt vernichtenden Schilderungen der herrschenden Klasse der Vorkriegszeit, die Bilanz gezogen wird: „Seine äußerste Probe hat dieses System im Kriege bestanden. Er ist verloren gegangen, gewiß; aber wenn ein Chauffeur sein Automobil gegen einen Baum fährt - muß dann die Schuld am Konstrukteur liegen?“

      Wofür, ihr Männer in den Kalkgruben Nordfrankreichs … wofür –?

      Zurück zum Alten Herrn, der ein feingebildeter Mann ist, besonders wenn es sich um die Frauen handelt, deren diese Gattung nur zwei Sorten kennt: Heilige und Huren.

       Denn Heinrich Heines „berühmtes“ Verschen: „Blamier mich nicht, mein schönes Kind …“ ist nicht nur zierliche Spötterei, es ist zynische Gemeinheit.

      Und nun wollen wir uns in die Politik begeben. Oder ist das am Ende gar nicht möglich? Sind denn diese Bünde überhaupt politisch? Die Korpszeitungen, die Akademikerzeitungen, die Broschüren brüllen: Ja! Der „Alte Herr“ weiß zunächst von nichts. „Die waffenstudentischen Korporationen sind fast ausnahmslos im Prinzip unpolitisch.“ In welchem Prinzip?

      Seid verträglich, sagt er, denn:

       Du weißt ja auch nicht, wie bald ihr in Ausschüssen und Ehrengerichten, vielleicht auch bei der Technischen Nothilfe oder gar unter Waffen mit ihnen allen zusammen am gleichen Strang zieht.

      O ahnungsvoller Engel du –!

      Es ist der Strang des Galgens: der Strang von Mechterstädt, wo unpolitische Studenten Arbeiter ermordet haben und nicht dafür bestraft worden sind – wahrscheinlich studieren sie noch fröhlich oder sind schon Referendare und Medizinalpraktikanten und Studienassessoren und werden nächstens auf die deutsche Menschheit losgelassen.

      Die Protektionswirtschaft der Korporationen wird verklausuliert zugegeben. Im übrigen ist der „Alte Herr“ liberal und das, was man so in seinen Kreisen „aufgeklärt“ und „modern“ nennt. Man stelle sich so etwas unter gebildeten Menschen vor:

       Geh auch ruhig einmal mit den Füchsen „offiziell“ ins Theater, ein gutes Konzert oder gar in ein Museum. Erschrick nicht über diese Ketzerei, probiere es einmal.

      Wenn das nur gut ausgeht – diese stürmischen und überstürzten Reformen sind doch immerhin nicht unbedenklich: wie leicht können sie im Museum so einen gleich dabehalten!

      Auch sollte man nicht Leute beschimpfen, spricht jener, wenn sie einer bürgerlichen Partei angehören – ja, dieser Revolutionär geht noch weiter. Füchse, geht mal raus – das ist noch nichts für euch. Nur Domela darf drin bleiben.

       Jeder einzelne von uns kann an der innern Gesundung der Sozialdemokratie mithelfen und mitwirken, wenn er auch nur einen einzigen ihrer Angehörigen von der fixen Idee internationaler Einstellung heilt. Mag er …

      Parteivorstand, hör zu!

       Mag er Sozialdemokrat sein und bleiben, wenn er nur in seiner Partei als ein Fünkchen mit daran wirkt und arbeitet, daß der Völkerverbrüderungsrummel, die Klassenkampfidee, die international gerichtete, zum großen Teil sogar landfremde Führerschaft an Boden verliert.

      Dann mag er. „Alter Herr“, du bist viel, viel näher an der Wahrheit, als du es wissen kannst. Und du bist doch nicht etwa Pazifist? Du scheinst so weich …

       Stelle beispielsweise einmal zur Überlegung anheim, daß noch vor wenigen Jahrhunderten die Möglichkeit für den einzelnen, unbewaffnet und ohne Schutz von Stadt zu Stadt, von Land zu Land zu ziehen, eine Unmöglichkeit war, und daß ein Prophet, der damals die persönliche Abrüstung vorausgesagt hätte, als Phantast und Narr verlacht, bei praktischer Ausübung seiner Ideale und Utopien verprügelt, ausgeraubt oder totgeschlagen worden wäre, sowie er die schützenden Mauern seiner Stadt, die Grenzpfähle seines Ländchens überschritt. Und doch reisen wir heute unbehelligt durch den größten Teil der Welt, gesichert und geschützt durch selbstverständlich gewordene Gesetze aller zivilisierten Völker. Wenn jemand also heute pazifistische Ideale vertritt, so ist er deswegen kein Schuft, Lump und ehrloser Vaterlandsverräter, sondern seine hohen Ideale allgemeiner Völkerversöhnung werden hoffentlich in ferner Zukunft auch einmal Wahrheit werden.

      Ich denke: Nanu? Nanu? denk ich …

       Aber er ist heute sicher ein Schädling, gegen den energisch-sachlich Front gemacht werden muß und dessen Anschauungen im Keime zu ersticken, Notwendigkeit der Selbsterhaltung für unser gesundes, noch nicht degeneriertes Volk ist. Als Schwärmer und Phantasten müssen wir ihn und die praktischen Folgen seiner Ideen bekämpfen und seine Anschauungen unschädlich machen, als Person können wir ihn trotzdem hochschätzen und ehren.

      Alles in Ordnung. Früh übt sich, was ein Reichsgerichtsrat werden will.

      Hält man dergleichen für möglich? Ein Blick in die Gerichtssäle, in die Kliniken, in die Ministerien – und man hält es für möglich.

      Und das hat Zuzug, stärker als vor dem Kriege - das blüht und gedeiht, nie waren die Korps zahlenmäßig so stark wie heute. Und muß das nicht so sein?

      Hier ist nun die klarste Formulierung dessen, was seit dem Versailler Friedensvertrag in Deutschland vor sich gegangen ist. Hier ist sie:

       Denkt … auch etwas daran, daß jeder junge Deutsche nach Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht sein eigner Unteroffizier sein, daß die Folge der Verödung der Kasernenhöfe das Entstehen von Hunderttausenden neuer, kleiner und kleinster idealster Kasernenhöfe sein muß, wenn das deutsche Volk noch nicht verfault ist bis ins Mark hinein.

      Und nun will ich euch einmal etwas sagen:

      Wenn man bedenkt, daß Zehntausende junger Leute so, sagen wir immerhin: denken wie das hier (und man sehe sich die Photographie an, die dem Buch voranprangt) – wenn man bedenkt, daß das unsre Richter von 1940, unsre Lehrer von 1940, unsre Verwaltungsbeamten, Polizeiräte, Studienräte, Diplomaten von 1940 sind, dann darf man wohl diesen Haufen von verhetzten, irregeleiteten, mäßig gebildeten, versoffnen und farbentragenden jungen Deutschen als das bezeichnen, was er ist: als einen Schandfleck der Nation, dessen sie sich zu schämen hat bis ins dritte und vierte Glied.

      Die Professoren sind nicht schuld. Sie sind nicht so dumm, wie sie sich größtenteils stellen – sie sind feige. Denn der wüsteste Terror schwebt über ihnen; wehe, wenn sie sich auch nur für diese Republik betätigen! Was ihnen geschehen kann? Aber die gefährliche Vorschrift, daß ihre Einkünfte von den Kolleggeldern abhängen, besteht noch heute - und wenn selbst ein freiheitlicher akademischer Lehrer Mitglied einer Prüfungskommission ist: die Studenten boykottieren sein Kolleg, sie kaufen seine Bücher nicht, gehen an eine andre Universität, und das riskiert ein verheirateter, mäßig besoldeter Mann nicht gern. Die Professoren sind nicht allein schuld.

      Die Ministerien sinds schon mehr. Der preußische Kultusminister tut allerhand, mitunter sogar sehr viel. Aber in wie vielen Fällen läßt man diejenigen, die für ihre Republik eingetreten sind, glatt fallen - so daß sich also so ein armer Ausgelieferter mit Recht sagt: „Dann nicht!“ und den Kampf aufgibt.

      Der Formalsieg, den der Staat mit der Auflöung der Deutschen Studentenschaft errungen hat, ist noch gar nichts. Was es auszurotten gilt, ist nicht ein Verband oder dessen offizielle Rechte –: es ist eine Gesinnung und eine Geisteshaltung. Ich glaube, daß diese Studentenkämpfe das Wesen des Studierenden völlig verkennen; sie machen

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