Die Insel des Dr. Moreau. H. G. Wells
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Читать онлайн книгу Die Insel des Dr. Moreau - H. G. Wells страница 7
Ein Mann stand am Wasserrand und erwartete uns. Als wir noch weit ab waren, glaubte ich, noch andere und sehr groteske Geschöpfe auf dem Abhang in die Gebüsche huschen zu sehen; sie waren jedoch verschwunden, als wir näher kamen. Dieser Mann war von mittlerer Größe und hatte ein schwarzes, negroides Gesicht, einen großen, fast lippenlosen Mund, ungewöhnlich dünne Arme, lange, dünne Füße und O-Beine, und er stand da, den schweren Kopf vorgeschoben, und starrte uns an. Er war wie Montgomery und sein weißhaariger Gefährte in Jackett und Hosen aus blauer Serge gekleidet.
Als wir noch näher kamen, begann dieses Wesen auf dem Strand hin- und herzulaufen und die groteskesten Bewegungen zu machen. Auf ein Kommandowort von Montgomery sprangen die vier Leute im Langboot mit sonderbar linkischen Gesten auf und holten die Segel ein. Montgomery steuerte einen schmalen, kleinen Anlegeplatz an, der in den Strand gegraben war. Dann eilte der Mann auf dem Strand zu uns. Dieser Anlegeplatz war eigentlich nichts als ein Graben, der bei diesem Flutstand gerade lang genug war, um das Langboot aufzunehmen.
Ich hörte den Bug auf dem Sand knirschen, hielt mein Boot mit der Schöpfkelle vom Steuerruder des großen ab, band das Tau los und landete. Die drei eingemummten Männer kletterten mit ungeheuer plumpen Bewegungen auf den Sand hinaus und begannen sofort unter Mithilfe des Mannes am Strand die Ladung zu landen. Mir fielen besonders die sonderbaren Beinbewegungen der drei bandagierten Bootsleute auf – sie waren nicht steif, aber irgendwie merkwürdig verrenkt, beinahe so, als säßen die Gelenke verkehrt. Die Hunde knurrten diese Leute weiter an und zerrten an ihren Ketten, als der weißhaarige Mann mit ihnen an Land ging.
Die drei großen Burschen sprachen miteinander in sonderbaren Gutturallauten, und der Mann, der am Strande auf uns gewartet hatte, begann aufgeregt mit ihnen zu schwatzen – eine fremde Sprache, wie mir schien –, als sie die Hand an einige beim Heck aufgehäufte Ballen legten. Irgendwo hatte ich eine solche Stimme schon gehört, aber ich konnte mich nicht besinnen, wo. Der weißhaarige Mann stand da, bändigte sechs Hunde und schrie Befehle, die ihren Lärm übertönten. Montgomery ging gleichfalls an Land, und alle begannen mit dem Löschen. Ich war aufgrund meines langen Fastens und der Sonne, die mir auf den bloßen Kopf brannte, zu schwach, um Hilfe anzubieten.
Plötzlich schien sich der Weißhaarige meiner Gegenwart zu erinnern, und er trat zu mir. »Sie sehen aus«, sagte er, »als hätten Sie kaum etwas gefrühstückt.«
Seine kleinen Augen glänzten schwarz unter den schweren Brauen. »Da muß ich mich entschuldigen. Sie sind jetzt unser Gast, und wir müssen es Ihnen behaglich machen – obgleich Sie uneingeladen sind, wie Sie wissen.«
Er sah mir scharf ins Gesicht. »Montgomery sagt, Sie sind ein gebildeter Mann, Mr. Prendick – er meint, Sie verstehen etwas von den Naturwissenschaften. Darf ich fragen, was das bedeutet?«
Ich sagte ihm, ich hätte einige Jahre auf dem Royal College of Science studiert und unter Huxley ein wenig biologische Forschungen getrieben. Da hob er leicht die Augenbrauen.
»Das ändert den Fall ein wenig, Mr. Prendick«, sagte er mit einer Spur mehr Achtung in der Stimme. »Zufällig sind wir hier Biologen. Dies ist eine biologische Station – gewissermaßen.« Sein Auge ruhte auf den Leuten in Weiß, die den Pumakäfig auf Rollen zu dem ummauerten Hof hinaufschleppten. »Wenigstens ich und Montgomery sind Biologen«, fügte er hinzu.
Und dann: »Wann Sie von hier wieder fortkommen können, weiß ich nicht. Wir liegen abseits aller Schiffsrouten. Wir sehen nur alle Jahre oder so einmal ein Schiff.«
Er ließ mich unvermittelt stehen, ging den Strand hinauf und betrat, glaube ich, den ummauerten Hof. Die beiden anderen Leute waren mit Montgomery beschäftigt, auf einem niedrigen Blockwagen Pakete aufzutürmen. Das Lama und die Kaninchenställe waren noch im Boot, die Hetzhunde noch an die Ruderbänke gefesselt. Als der Haufen vollständig war, faßten alle drei an dem Blockwagen an und begannen, die tonnenschwere Last berganzuschieben. Dann verließ Montgomery sie, kam zu mir zurück und hielt mir die Hand hin.
»Ich für meinen Teil«, sagte er, »bin froh. Der Kapitän war ein alberner Esel. Der hätte Ihnen die Hölle heiß gemacht.«
»Sie«, sagte ich, »haben mich zum zweitenmal gerettet.«
»Das kommt darauf an. Sie werden diese Insel verdammt verrückt finden, das verspreche ich Ihnen. Ich würde sorgfältig aufpassen, wohin ich ginge, wenn ich Sie wäre. Er ...« Er zögerte und schien doch nicht aussprechen zu wollen, was ihm auf den Lippen lag. »Könnten Sie mir mit diesen Kaninchen helfen?« fragte er.
Was er mit den Kaninchen tat, war sonderbar. Ich watete mit ihm ins Wasser und half ihm, einen von den Käfigen an Land zu ziehen. Kaum war das geschehen, so öffnete er die Tür, kippte den Behälter und schüttete dessen lebenden Inhalt auf den Boden. Die Tiere fielen in einem wirren Haufen eins übers andere. Er klatschte in die Hände, und sofort sprangen sie hüpfend davon, zwanzig oder dreißig, meine ich, den Strand hinauf. »Wachst und mehrt euch, meine Freunde«, sagte Montgomery. »Füllt die Insel. Bislang haben wir hier ein wenig Mangel an Fleisch gehabt.«
Während ich die Kaninchen verschwinden sah, kehrte der Weißhaarige mit einer Brandy-Flasche und etwas Zwieback zurück. »Für den ersten Hunger, Prendick«, sagte er in weit vertrauterem Ton als vorher.
Ich machte keine Umstände, sondern fiel sofort über die Biskuits her, während der weißhaarige Mann Montgomery noch einige zwanzig Kaninchen mehr befreien half. Drei große Käfige jedoch folgten dem Puma zum Haus hinauf. Den Brandy rührte ich nicht an, denn ich bin seit meiner Geburt Abstinenzler gewesen.
7. Die verschlossene Tür
Der Leser wird vielleicht verstehen, daß ich zunächst nicht erkannte, wie seltsam dies und jenes in meiner Umgebung war, da ich selbst so viel Merkwürdiges erlebt hatte und meine Lage das Ergebnis so unerwarteter Abenteuer war. Ich folgte dem Lama den Strand hinauf, und Montgomery kam mir nach und bat mich, nicht die Steinumfriedung zu betreten. Ich bemerkte nun, daß der Puma in seinem Käfig und die Pakete außerhalb des Eingangs zu diesem Viereck abgesetzt worden waren.
Ich wandte mich und sah, daß das Langboot jetzt leer war, und wieder hinausgestoßen und dann auf den Strand gezogen wurde; der weißhaarige Mann kam auf uns zu. Er redete Montgomery an.
»Und jetzt kommt das Problem: der ungeladene Gast. Was wollen wir mit ihm anfangen?«
»Er versteht etwas von der Naturwissenschaft«, sagte Montgomery.
»Mich juckt's, wieder an die Arbeit zu gehen – mit diesem neuen Zeug«, sagte der grauhaarige Mann und nickte zur Steinmauer hin. Seine Augen leuchteten auf.
»Das kann ich mir denken«, erklärte Montgomery in einem Tone, der alles eher war als herzlich.
»Wir können ihn nicht da hinüberschicken, und wir haben nicht die Zeit, eine neue Hütte zu bauen. Und auf keinen Fall können wir ihn jetzt schon ins Vertrauen ziehen.«
»Ich