Die gelbe Schlange. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Die gelbe Schlange - Edgar Wallace страница 3
»In Schanghai und Kanton erzählt man sich, daß die Yünnan-Gesellschaft über mehr Geld verfügt, als die jetzige Regierung jemals gesehen hat«, sagte er langsam. »Die Lolo-Leute sollen im Liao-Lio-Tal Gold gefunden haben –«
»Wir haben das gefunden«, sagte Joe selbstzufrieden. »Diese Lolo konnten doch gar nichts finden, höchstens haben sie Ausreden erfunden, um die chinesischen Tempel zu brandschatzen.«
»Aber Sie lassen das Geld nicht arbeiten«, sagte Fing-Su hartnäckig. »Totes Kapital –«
»Durchaus kein totes Kapital! – bringt viereinhalb Prozent«, brummte Joe vor sich hin.
Fing-Su lächelte.
»Viereinhalb Prozent! Hundert Prozent könnte man damit machen! Oben in Schan-Si sind Kohlenlager, die eine Billion Dollars wert – was sage ich, eine Million mal eine Billion! Sie können das nicht machen – aber ich sage Ihnen, wir haben keinen starken Mann in der ›Verbotenen Stadt‹ sitzen, der befehlen könnte: ›Tue dies!‹ und es wird getan. Und wenn er tatsächlich gefunden würde, dann fehlte ihm eine Armee. Dazu wären Ihre Reservefonds nutzbringend anzulegen. Ja, ein starker Mann –«
»Mag sein.«
Joe Bray sah sich ängstlich um. Er haßte chinesische Politik, und »er« haßte sie noch viel mehr.
»Fing-Su,« sagte er verlegen, »der amerikanische Konsul mit dem langen, schmalen Gesicht war gestern zum Mittagessen hier. Er war sehr aufgebracht über euren Klub der ›Freudigen Hände‹. Er sagte, überall im Lande werde soviel davon gesprochen. Die Zentralregierung hat schon Erkundigungen darüber eingezogen. Ho Sing war letzte Woche hier und hat gefragt, wann man wohl damit rechnen könnte, daß Sie wieder nach London zurückkehrten.«
Die dünnen Lippen des Chinesen kräuselten sich lächelnd. »Man macht viel zu viel Lärm über meinen kleinen Klub«, sagte er. »Er verfolgt doch nur soziale Zwecke – mit Politik haben wir nicht das mindeste zu tun. Mr. Bray, glauben Sie nicht, daß es eine gute Idee ist, die Reservefonds der Yünnan-Gesellschaft dazu zu brauchen, daß –«
»Das denke ich durchaus nicht!« Joe schüttelte heftig den Kopf. »Die kann ich in keiner Weise angreifen. Was nun aber die Aktien betrifft, Fing –«
»Sie liegen bei meinem Bankier in Schanghai – sie sollen zurückgegeben werden«, sagte Fing-Su. »Ich habe nur den Wunsch, daß unser Freund mich gerne hat. Ich habe nur Bewunderung und Hochachtung für ihn. ›Gelbe Schlange!‹ hat er gesagt. Das war doch wirklich unfreundlich.«
Die Sänfte des Chinesen wartete, um ihn nach Hause zu tragen. Joe Bray sah den laufenden Kulis lange nach, bis eine Biegung des Weges in dem hügeligen Gelände sie seinen Blicken entzog.
Vor dem kleinen Hause Fing-Sus warteten drei Leute. Sie hockten vor der Türe. Er entließ seine Träger und winkte die Leute in den dunklen, mit Matten bedeckten Raum, der ihm als Arbeitszimmer diente.
»Zwei Stunden nach Sonnenuntergang wird Clifford Lynne« – er nannte ihn jetzt mit seinem richtigen Namen – »durch das Tor des ›Wohltätigen Reises‹ kommen. Tötet ihn und bringt mir alle Papiere, die er bei sich trägt.«
Clifford war pünktlich auf die Minute, doch er kam durch das Mandarinentor, und die Meuchelmörder verfehlten ihn. Sie berichteten ihrem Herrn alles, aber der wußte bereits, daß Clifford zurückgekehrt war und auf welchem Wege.
»Es gibt viele Möglichkeiten, daß du um die Ecke gehst«, sagte Fing-Su vor sich hin. »Vielleicht ist es gut, daß das Ding nicht passierte, während ich in der Stadt war. Morgen werde ich nach England gehen und dann mit großer Macht zurückkehren!«
2
Genau sechs Monate nach der Abreise Fing-Sus nach Europa saßen die drei Teilhaber der Firma Narth Brothers hinter verschlossenen Türen in ihrem Sitzungszimmer in London. Sie befanden sich in einer ungemütlichen Situation. Stephen Narth saß in einem Armstuhl oben am Tisch. Sein dickes, schweres Gesicht war bleich, und sein verzweifeltes Stirnrunzeln zeugte davon, daß ihn schwere Sorgen bedrückten.
Major Gregory Spedwell saß zu seiner Rechten. Er hatte häßliche gelbe Gesichtsfarbe, schwarzes, krauses Haar. Er spielte nervös mit seinen vom Zigarettenrauch gebräunten Fingern. Seine Vergangenheit war nicht rein militärisch.
Ihm gegenüber saß Ferdinand Leggat, der mit seinem gesund aussehenden Gesicht und seinem Backenbart ganz einer John-Bull-Figur glich, obwohl sein gesundes Aussehen in Wirklichkeit nicht seinem Charakter entsprach. Leggat hatte viele Wechselfälle durchgemacht, die ihm selbst kaum glaubwürdig erschienen – bevor er Zuflucht bei der Firma Narth Brothers Ltd. gefunden hatte.
Es gab einmal eine Zeit, wo der Name der Firma Narth in der City von London so über allen Zweifel erhaben war, daß man bei ihm schwören konnte. Thomas Ammot Narth, der Vater des jetzigen Chefs der Firma, hatte nur ganz einwandfreie, dadurch allerdings beschränkte Geschäfte an der Börse gemacht. Die Firma galt für seine Klienten als eins der vornehmsten Häuser in England.
Sein Sohn hatte seinen kaufmännischen Sinn geerbt, aber ohne die verständnisvolle Einsicht. Die Folge davon war, daß er die Geschäfte der Firma dem Umfang nach vergrößerte und auch nicht ganz erstklassige Kunden annahm. Die älteren Geschäftsfreunde der Firma hatten das nicht gern gesehen, und als er hierdurch mehrfach vor Gericht stand, wobei die nicht ganz einwandfreien Geschäfte seiner Kunden an die Öffentlichkeit kamen, zogen sie sich zurück. Schließlich beschäftigte er nur noch einen Schreiber und einen Börsenagenten. So hatte er Gelegenheit, ab und zu einträgliche Gewinne hereinzubringen. Aber die soliden, gesunden Geschäfte, die doch die sicherste Unterlage des Erfolges sind, fehlten ihm.
Bei den schlechten Zeiten hatte er sich damit durchgeholfen, daß er zahlreiche Gesellschaften gründete. Einige hatten einen gewissen Erfolg, aber die Mehrzahl nahm unvermeidlich eine schlechte Entwicklung, so daß sie nach einiger Zeit in Liquidation gerieten.
Infolge dieser Abenteuer kam Stephen Narth mit Mr. Leggat, einem galizischen Ölspekulanten, zusammen, der außerdem noch eine Theateragentur und eine Geldleihe betrieb und vielfach bei Schwindelgründungen beteiligt war.
Die Angelegenheit aber, welche die drei Teilhaber der Firma schon um neun Uhr morgens in ihrem kalten, ungemütlichen Bureau in Manchester House zusammenführte, hatte absolut nichts mit den sonstigen Geschäften der Firma zu tun. Mr. Leggat war gerade am Sprechen, aber seine Ausdrucksweise war gerade nicht sehr klar.
»Wir wollen doch die Sache beim richtigen Namen nennen. Unser Geschäft ist eben bankerott. Bei der Abwicklung des Konkurses werden Dinge zur Sprache kommen und Enthüllungen gemacht werden, die weder Spedwell noch mich irgend etwas angehen. Ich habe mit dem Geld der Firma nicht spekuliert, ebensowenig Spedwell.«
»Sie wußten doch –« begann Narth aufgeregt.
»Nichts wußte ich.« Mr. Leggat brachte ihn zum Schweigen. »Die Bücherrevisoren stellen fest, daß die Summe von fünfzigtausend Pfund durch Belege nicht gedeckt ist. Jemand hat eben an der Börse gespielt – aber das war weder ich noch Spedwell.«
»Aber Sie haben mir das doch angeraten –«
Mr. Leggat hob schon