Der Monddiamant. Уилки Коллинз
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Mylady, bemerkte diese Veränderungen in ihrem Wesen und fragte mich, was ich davon denke. Ich versuchte es, das Mädchen zu entschuldigen, indem ich antwortete, ich glaube, sie sei kränklich, und die Sache endete damit, daß am neunzehnten, wie bereits erwähnt, nach dem Doktor geschickt wurde. Er erklärte sie für nervenleidend und äußerte seine Bedenken, ob sie zum Dienen gemacht sei. Mylady erbot sich, sie zum Zwecke eines Luftwechsels auf einen unserer Pachthöfe im Innern des Landes zu schicken. Sie bat und flehte unter Thränen, bei uns bleiben zu dürfen, und in einer bösen Stunde riet ich Mylady, es noch eine Zeitlang mit ihr zu versuchen. Wie die Folge lehrte und wie sich der Leser bald überzeugen wird, war das der schlechteste Rath, den ich hätte geben können. Wenn ich nur ein klein wenig in die Zukunft hätte sehen können, so würde ich Rosanna Spearman auf der Stelle mit eigener Hand aus dem Hause gebracht haben.
Am zwanzigsten traf ein Billet von Herrn Godfrey ein. Er hatte seine Reise so eingerichtet, daß er die nächste Nacht in Frizinghall, wo er seinen Vater in Geschäften zu sprechen wünschte, zubringen würde. Am Nachmittage des nächsten Tages würde er mit seinen beiden ältesten Schwestern rechtzeitig zu Tisch bei uns eintreffen. Ein elegantes kleines Schmuckkästchen von Porzellan begleitete das Billet, in welchem ihr Vetter Fräulein Rachel seine besten Glückwünsche aussprach. Herr Franklin hatte ihr nur ein unbedeutendes Medaillon, das nicht halb so viel werth war, geschenkt. Nichtsdestoweniger beharrte meine Tochter Penelope — so eigensinnig sind die Frauen — bei ihrer Meinung, daß er den Preis davontragen werde.
Und so sind wir endlich, dem Himmel sei Dank, bei dem Vorabend des Geburtstags angelangt! Der Leser wird mir denk’ ich, das Zeugnis geben, daß ich ihn, dieses Mal ohne mich unterwegs lange aufzuhalten, rasch an’s Ziel geführt habe. Und nun gehe ich getrost zu einem neuen Kapitel über, das uns mitten in den Kern unserer Geschichte führen wird.
Neuntes Kapitel
Der einundzwanzigste Juni, der Geburtstag, brach trübe und bewölkt an, aber gegen Mittag klärte sich das Wetter auf.
Wir Dienstboten begannen diesen glücklichen Jahrestag wie gewöhnlich damit, Fräulein Rachel unsere kleinen Geschenke mit der üblichen Anrede die ich jährlich als der erste Diener des Hauses hielt, darzubringen. Ich beobachtete dabei das von der Königin in ihren Thronreden befolgte System, indem ich regelmäßig jedes Jahr ungefähr dasselbe sagte. Bevor ich die Rede halte, wird sie wie die der Königin so genau erwogen, als ob noch nie etwas Ähnliches dagewesen wäre. Nachdem sie gehalten worden und es sich zeigt, daß sie der Erwartung des Publikums, etwas Neues zu hören, keineswegs entsprochen hat, wird ein bisschen raisonnirt, aber gleich wieder dem nächsten Jahre mit neuen Hoffnungen entgegengesehen Die Menschen sind eben leicht zu lenken, in der Küche wie im Parlament, das ist die Moral von der Sache.
Nach dem Frühstück hielten Herr Franklin und ich eine vertrauliche Berathung in Betreff des Mondsteins, da jetzt die Zeit gekommen war, wo derselbe wieder aus der Bank in Frizinghall genommen und Fräulein Rachel übergeben werden mußte. Ob er sein Glück bei seiner Cousine auf’s Neue versucht hatte und entschieden abgewiesen worden war, oder ob sein Nacht für Nacht gestörter Schlaf die sonderbaren Widersprüche und Unschlüssigkeiten seines Wesens gesteigert hatte, weiß ich nicht. Aber gewiß ist, daß Herr Franklin sich am Morgen des Geburtstags nicht von der besten Seite zeigte. Er äußerte ungefähr zwanzig verschiedene Meinungen in Betreff des Diamanten im Verlauf von ebenso vielen Minuten. Ich meinerseits hielt mich fest an die einfachen Thatsachen, wie sie uns bekannt waren. Es war nichts geschehen, was uns berechtigt hätte, Mylady in dieser Angelegenheit zu beunruhigen, und nichts konnte Herrn Franklin von der ihm jetzt obliegenden rechtlichen Verpflichtung den Edelstein in die Hände seiner Cousine zu legen, befreien.
Das war meine Ansicht von der Sache, und mochte er sich drehen und wenden wie er wollte, er mußte sich schließlich nothgedrungen zu derselben Ansicht bekennen. Wir kamen überein, daß er nach dem zweiten Frühstück nach Frizinghall hinüberreiten und höchst wahrscheinlich in Begleitung von Herrn Godfrey und seiner Schwestern den Diamanten zurückbringen solle.
Nachdem wir uns darüber geeinigt hatten, ging unser junger Herr wieder zu Fräulein Rachel.
Sie brachten den ganzen Morgen und einen Theil des Nachmittags bei der nie endenden Arbeit der Thürdecoration zu; Penelope stand dabei und mischte die Farben nach Vorschrift, und Mylady ging, als die Stunde des zweiten Frühstücks herannahte, ihr Schnupftuch vor der Nase haltend (denn sie verbrauchten an jenem Tage eine gehörige Portion des Bindemittels) im Zimmer aus und ein und versuchte vergebens, die Künstler von ihrer Arbeit abzubringen. Es war drei Uhr geworden, bis sie ihre Schürzen abnahmen, Penelope, die sich in Folge des Verkehrs mit dem Bindemittel schlecht befand, entließen und sich vom Farbenschmutz reinigten. Aber sie hatten ihren Zweck erreicht, sie waren am Geburtstage mit der Thür fertig geworden und waren nicht wenig stolz darauf. Die Greifen, Amoretten u. s. w. waren, wie ich bekennen muß, wunderhübsch anzusehen, obgleich sie Einem in ihrer großen Menge, in ihrer Verschlingung mit Blumen und Sinnbildern, in ihren verrenkten Stellungen und Bewegungen noch stundenlang, nach dem man sie sich betrachtet, im Kopfe wehthaten. Wenn ich hinzufüge, daß Penelope ihre Rolle bei der Morgenarbeit damit beschloß, daß sie sich nach der Waschküche begab, so geschieht das keineswegs in unfreundlicher Gesinnung gegen das Bindemittel. Nein, nein! Es hörte auf übel zu riechen, sobald es getrocknet war, und wenn die Kunst solche Opfer fordert, so sage ich, und wenn es auch meine eigene Tochter ist, die darunter leidet, diese Opfer müssen der Kunst gebracht werden.
Herr Franklin ließ sich kaum die Zeit, einen Bissen zu frühstücken und ritt nach Frizinghall, wie er Mylady erzählte, um seine Cousine herzubegleiten in der That aber, wie nur er und ich wußten, um den Diamanten zu holen.
Da an diesem Tage eine der festlichen Gelegenheiten war, bei welchen ich meinen Platz als Chef der bei Tisch aufwartenden Diener vor dem sideboard einnahm, fehlte es mir während Herrn Franklins Abwesenheit nicht an Beschäftigung, die mich vollauf in Anspruch nahm. Nachdem ich für den Wein gesorgt und über die männliche und weibliche Dienerschaft, die bei Tische aufwarten sollte, Musterung gehalten hatte, zog ich mich zurück, um mich bis zur Zeit des Diners zu sammeln. Ein Zug aus meiner Pfeife und ein Blick in ein gewisses Buch, das ich bereits zu erwähnen Gelegenheit gehabt habe, brachten Körper und Seele wieder in das gehörige Gleichgewicht. Ich wurde aus einem Zustand, der, glaube ich, nicht sowohl Schlummer als Träumerei war, durch draußen erschallendes Pferdegetrappel erweckt, ging vor die Thür und nahm eine Kavalkade in Empfang, die aus Herrn Franklin, seinem Vetter und seinen beiden Cousinen in Begleitung eines der Stallknechte des alten Herrn Ablewhite bestand.
Sonderbarer Weise frappierte es mich auf der Stelle, daß Herr Godfrey grade wie Herr Franklin heute nicht in seiner gewöhnlichen Stimmung zu sein schien. Er gab mir wie immer freundlich die Hand und sprach sehr höflich seine Freude darüber aus, seinen alten Freund Betteredge so wohl zu sehen. Aber seine Stirn war umwölkt, was ich mir auf keine Weise zu erklären wußte, und als ich ihn fragte, wie es mit der Gesundheit seines Vaters gehe,