Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. Rudolf Steiner
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Das Gefühl, einen solchen festen Punkt zu haben, veranlasste den Begründer der neueren Philosophie, Renatus Cartesius, das ganze menschliche Wissen auf den Satz zu gründen: Ich denke, also bin ich. Alle andern Dinge, alles andere Geschehen ist ohne mich da; ich weiß nicht, ob als Wahrheit, ob als Gaukelspiel und Traum. Nur eines weiß ich ganz unbedingt sicher, denn ich bringe es selbst zu seinem sicheren Dasein: mein Denken.
Renatus Cartesius - René Descartes – 1596 – 1650
Mag es noch einen andern Ursprung seines Daseins haben, mag es von Gott oder anderswoher kommen; dass es in dem Sinne da ist, in dem ich es selbst hervorbringe, dessen bin ich gewiss. Einen anderen Sinn seinem Satze unterzulegen hatte Cartesius zunächst keine Berechtigung. Nur dass ich mich innerhalb des Weltinhaltes in meinem Denken als in meiner ureigensten Tätigkeit erfasse, konnte er behaupten. Was das daran gehängte: also bin ich heißen soll, darüber ist viel gestritten worden. Einen Sinn kann es aber nur unter einer einzigen Bedingung haben. Die einfachste Aussage, die ich von einem Dinge machen kann, ist die, dass es ist, dass es existiert. Wie dann dieses Dasein näher zu bestimmen ist, das ist bei keinem Dinge, das in den Horizont meiner Erlebnisse eintritt, sogleich im Augenblicke zu sagen. Es wird jeder Gegenstand erst in seinem Verhältnisse zu anderen zu untersuchen sein, um bestimmen zu können, in welchem Sinne von ihm als einem existierenden gesprochen werden kann. Ein erlebter Vorgang kann eine Summe von Wahrnehmungen, aber auch ein Traum, eine Halluzination und so weiter sein. Kurz, ich kann nicht sagen, in welchem Sinne er existiert. Das werde ich dem Vorgange selbst nicht entnehmen können, sondern ich werde es erfahren, wenn ich ihn im Verhältnisse zu andern Dingen betrachte. Da kann ich aber wieder nicht mehr wissen, als wie er im Verhältnisse zu diesen Dingen steht. Mein Suchen kommt erst auf einen festen Grund, wenn ich ein Objekt finde, bei dem ich den Sinn seines Daseins aus ihm selbst schöpfen kann. Das bin ich aber selbst als Denkender, denn ich gebe meinem Dasein den bestimmten, in sich beruhenden Inhalt der denkenden Tätigkeit. Nun kann ich von da ausgehen und fragen: Existieren die andern Dinge in dem gleichen oder in einem andern Sinne?
Wenn man das Denken zum Objekt der Beobachtung macht, fügt man zu dem übrigen beobachteten Weltinhalte etwas dazu, was sonst der Aufmerksamkeit entgeht; man ändert aber nicht die Art, wie sich der Mensch auch den andern Dingen gegenüber verhält. Man vermehrt die Zahl der Beobachtungsobjekte, aber nicht die Methode des Beobachtens. Während wir die andern Dinge beobachten, mischt sich in das Weltgeschehen – zu dem ich jetzt das Beobachten mitzähle – ein Prozess, der übersehen wird. Es ist etwas von allem andern Geschehen verschiedenes vorhanden, das nicht mitberücksichtigt wird. Wenn ich aber mein Denken betrachte, so ist kein solches unberücksichtigtes Element vorhanden. Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt, ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.
Wenn ich einen ohne mein Zutun gegebenen Gegenstand in mein Denken einspinne, so gehe ich über meine Beobachtung hinaus, und es wird sich darum handeln: Was gibt mir ein Recht dazu? Warum lasse ich den Gegenstand nicht einfach auf mich einwirken? Auf welche Weise ist es möglich, dass mein Denken einen Bezug zu dem Gegenstande hat? Das sind Fragen, die sich jeder stellen muss, der über seine eigenen Gedankenprozesse nachdenkt. Sie fallen weg, wenn man über das Denken selbst nachdenkt. Wir fügen zu dem Denken nichts ihm Fremdes hinzu, haben uns also auch über ein solches Hinzufügen nicht zu rechtfertigen.
Friedrich Wilhelm Schelling – 1775 – 1854
Schelling sagt: Die Natur erkennen, heißt die Natur schaffen. – Wer diese Worte des kühnen Naturphilosophen wörtlich nimmt, wird wohl zeitlebens auf alles Naturerkennen verzichten müssen. Denn die Natur ist einmal da, und um sie ein zweites Mal zu schaffen, muss man die Prinzipien erkennen, nach denen sie entstanden ist. Für die Natur, die man erst schaffen wollte, müsste man der bereits bestehenden die Bedingungen ihres Daseins abgucken. Dieses Abgucken, das dem Schaffen vorausgehen müsste, wäre aber das Erkennen der Natur, und zwar auch dann, wenn nach erfolgtem Abgucken das Schaffen ganz unterbliebe. Nur eine noch nicht vorhandene Natur könnte man schaffen, ohne sie vorher zu erkennen.
Was bei der Natur unmöglich ist: das Schaffen vor dem Erkennen; beim Denken vollbringen wir es. Wollten wir mit dem Denken warten, bis wir es erkannt haben, dann kämen wir nie dazu. Wir müssen resolut darauf losdenken, um hinterher mittels der Beobachtung des Selbstgetanen zu seiner Erkenntnis zu kommen. Der Beobachtung des Denkens schaffen wir selbst erst ein Objekt. Für das Vorhandensein aller anderen Objekte ist ohne unser Zutun gesorgt worden.
Leicht könnte jemand meinem Satze: Wir müssen denken, bevor wir das Denken betrachten können, den andern als gleichberechtigt entgegenstellen: Wir können auch mit dem Verdauen nicht warten, bis wir den Vorgang des Verdauens beobachtet haben.
Blaise Pascal – 1623 – 1662
Das wäre ein Einwand ähnlich dem, den Pascal dem Cartesius machte, indem er behauptete, man könne auch sagen: ich gehe spazieren, also bin ich. Ganz gewiss muss ich auch resolut verdauen, bevor ich den physiologischen Prozess der Verdauung studiert habe. Aber mit der Betrachtung des Denkens ließe sich das nur vergleichen, wenn ich die Verdauung hinterher nicht denkend betrachten, sondern essen und verdauen wollte. Das ist doch eben auch nicht ohne Grund, dass das Verdauen zwar nicht Gegenstand des Verdauens, das Denken aber sehr wohl Gegenstand des Denkens werden kann.
Es ist also zweifellos: In dem Denken halten wir das Weltgeschehen an einem Zipfel, wo wir dabei sein müssen, wenn etwas zustande kommen soll. Und das ist doch gerade das, worauf es ankommt. Das ist gerade der Grund, warum mir die Dinge so rätselhaft gegenüberstehen: dass ich an ihrem Zustandekommen so unbeteiligt bin. Ich finde sie einfach vor; beim Denken aber weiß ich, wie es gemacht wird. Daher gibt es keinen ursprünglicheren Ausgangspunkt für das Betrachten alles Weltgeschehens als das Denken.
Ich möchte nun einen weitverbreiteten Irrtum noch erwähnen, der in Bezug auf das Denken herrscht. Er besteht darin, dass man sagt: Das Denken, so wie es an sich selbst ist, ist uns nirgends gegeben. Das Denken, das die Beobachtungen unserer Erfahrungen verbindet und mit einem Netz von Begriffen durchspinnt, sei durchaus nicht dasselbe, wie dasjenige, das wir hinterher wieder von den Gegenständen der Beobachtung herausschälen und zum Gegenstande unserer Betrachtung machen. Was wir erst unbewusst in die Dinge hineinweben, sei ein ganz anderes, als was wir dann mit Bewusstsein wieder herauslösen.
Wer so schließt, der begreift nicht, dass es ihm auf diese Art gar nicht möglich ist, dem Denken zu entschlüpfen. Ich kann aus dem Denken gar nicht herauskommen, wenn ich das Denken betrachten will. Wenn man das vorbewusste Denken von dem nachher bewussten Denken unterscheidet, so sollte man doch nicht vergessen, dass diese Unterscheidung eine ganz äußerliche ist, die mit der Sache selbst gar nichts zu tun hat. Ich mache eine Sache dadurch überhaupt nicht zu einer andern, dass ich sie denkend betrachte. Ich kann mir denken, dass ein Wesen mit ganz anders gearteten Sinnesorganen und mit einer anders funktionierenden Intelligenz von einem Pferde eine ganz andere Vorstellung habe als ich, aber ich kann mir nicht denken, dass mein eigenes Denken dadurch ein anderes wird, dass ich es beobachte. Ich beobachte selbst, was ich selbst vollbringe. Wie mein Denken sich für eine andere Intelligenz ausnimmt als die meine, davon ist jetzt nicht die Rede; sondern davon, wie es sich für mich ausnimmt. Jedenfalls aber kann das Bild meines Denkens in einer andern Intelligenz nicht ein wahreres