Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich
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Rasch weckte er Don José, dem er seine Befürchtungen in wenigen Worten mittheilte, und als dieser ebenfalls ihm bei- und zu augenblicklicher Flucht stimmte, hob sich auch die arme junge Frau von ihrem traurigen Lager, ihren Gatten über dessen Befürchtungen, sie selber betreffend, zu beruhigen, /93/ indem sie sich durch die wenigen Stunden Rast wie neu gestärkt fühle und die Männer wenig in ihrem Fortschreiten behindern werde. Wenige Minuten später fanden sie Alle zum neuen Marsch durch eine Schneewüste, nur mit dem ungewißen Licht des Schnees selber, gerüstet, als Ellington, der, immer aufmerksamer geworden, nach der Thalschlucht hinüber lauschte, plötzlich ausrief, er sähe einen der Peons kommen.
„Gott sei Dank!" flüsterte mit gefalteten Händen die junge Frau, „also waren es doch keine Verräther, und unsere Befürchtungen grundlos."
„Das gebe die heilige Jungfrau!" murmelte Don José, indem er die sich rasch nähernde Gestalt vorsichtig und mißtrauisch beobachtete und fast unwillkürlich nach den schon wieder im Gürtel geborgenen Pistolen griff, - „ich wollte, ich wüßte genau, wo der andere Schuft steckt."
„Am Ende haben wir ihnen doch Unrecht gethan," flüsterte Ellington, „und können nun wenigstens Tageslicht abwarten, um unsern Weg fortzusetzen. Wozu die arme Candelaria mehr erschöpfen, als eben unumgänglich nöthig ist."
„Erst wollen wir aber wissen, was der Bursche zu seiner Entschuldigung zu sagen hat," beharrte Don José, der seine Landsleute besser kennen mochte als der Engländer, - „jedenfalls müßen sie, selbst im günstigsten Fall ihrer Rechtfertigung, irgend etwas Verdächtiges gesehen oder gehört haben, sonst wären sie schon gar nicht so weit von hier fortgegangen - aber ruhig - es ist Pedro - der Alte scheint also doch seinen Posten zu halten." -
Der Jüngere der Peons kam indessen rasch näher, und seine Füße draußen an der Thür gegen die Steine klopfend, daß er den Schnee aus den Falten des um die Knöchel geschlagenen Schaffelles abschüttelte, betrat er mit dem frommen, aber vollkommen leise und kaum hörbar gemurmelten Gruß: „Ave Maria purisima!" die Hütte.
„Para siempre!" erwiderte halb unbewußt mit lauter Stimme und recht aus tiefstem, innerstem Herzen heraus die Frau, und der Peon, der in dem vollkommen dunkeln Raum, /94/ bei dem schwachen Schein, der dürftig durch die niedere Eingangspforte fiel, seine Umgebung nicht gleich erkennen konnte, sagte mit kaum unterdrücktem Ausruf der Ueberraschung, aber bald gefaßt:
„Pero, amigos - was ist das? - die Señorita - ei wahrhaftig, Alle zusammen auf und munter - es ist noch lange nicht Morgen. Aber ich glaub' es wohl, daß Ihnen die Zeit hier in dem kalten Loch lang geworden - wir können noch fünf oder sechs Stunden schlafen."
„Und wo bist Du gewesen, amigo?" frug Don José den Führer, der noch immer, halb unschlüssig, was er selber thun sollte, ob sich zum Schein niederlegen oder offen entfliehen und dadurch den vollen Alarm geben, in der Thür stehen blieb, „wo ist Dein compañero, und weshalb habt Ihr Beide Euern Posten verlassen?"
Der Peon lachte.
„Es war ein Puma da drüben," sagte er endlich nach einer kleinen Pause, „und wir konnten das Thier im Schnee hören und auch manchmal den dunkeln Schatten seiner Gestalt sehen. Um ganz sicher vor Ueberraschung zu sein, umschlichen wir die Stelle, wo wir ihn vermutheten, aber er entfloh in langen Sätzen, und erst nachdem wir dort eine Zeit lang gelauscht und gewartet, ob sich nichts Verdächtiges weiter regen würde, kehrte ich zurück - aber der Puma ist noch draußen," setzte er dann plötzlich, von einem neuen Gedanken durchzuckt, hinzu, „und Felipe schickte mich hier herein, eins der Gewehre zu holen - die Haut des Thieres gäbe ein herrliches Lager für die Señorita."
„Ich will selber mit Dir gehen," sagte Ellington rasch, aber Don José ergriff seinen Arm.
„Das wäre doppelter Wahnsinn," rief er in englischer Sprache; „drohte hier wirklich Verrath, so liefst Du den Schuften selber in die Schlinge, - selbst das aber angenommen, daß sie ehrlich sind, dürfen wir hier gar nicht schießen, denn der Schall würde unendliche Strecken in die Berge donnern und unseren Feinden, sollten uns diese wirklich nachfolgen, genaue Kunde von unserer Nähe geben. - Mir gefällt auch der Rath des Burschen nicht - der alte Peon ist viel zu schlau und vorsichtig, um sich selber zu verrathen, und außerdem glaub' ich nicht einmal, daß er ein Gewehr ab- feuern könnte."
Der junge Bursche hatte indessen dem Gespräch, von dem er keine Silbe verstand, unruhig und mißtrauisch gelauscht; - was beriethen die Männer, und was thaten indessen die vielleicht ungeduldig werdenden mashorqueros, wenn er zu lange zögerte? Er erkannte jetzt recht gut, daß Alle auf und zum Weitermarsch gerüstet waren, und was blieb da für ihn selbst das Sicherste?
„Aber wo ist Felipe?" wandte sich Don José jetzt plötzlich gegen ihn, - „Euer früherer Posten war gerade da drüben, und ich kann nichts mehr von ihm erkennen."
„Er ist an der Spitze da vorn stehen geblieben," erwiderte, auf diese Frage schon vorbereitet, der Peon - „erstlich hoffte er dort den Puma am ersten wieder zu sehen, und dann kann man auch von dem Punkt aus den von unten herauf führenden Pfad bester überwachen."
„Gut, so leg Dich wieder nieder," sagte Ellington, „und schlaf noch ein paar Stunden; vor Tag aber wollen wir wieder aufbrechen, um wo möglich noch die zweite casucha6 zu erreichen; der nächste Tag sieht uns dann auf chilenischem Gebiet, und dort hoffentlich sicher vor den Henkersknechten des blutigen Tyrannen."
„Bueno, amigo!" brummte als halbe Antwort der Peon. An der Wand der Hütte aber hintastend, um seinen früheren Lagerplatz wieder zu finden und dort das Weitere zu überlegen, so wie abzuwarten, bis sich die jetzt mißtrauisch gemachten Flüchtlinge wieder beruhigt hätten, fühlte er plötzlich - und wie mit einem elektrischen Schlag fuhr es ihm durch die Glieder - die Gewehre der beiden Engländer, die Ellington dort hingestellt hatte, um sie, falls sie wirklich angegriffen werden sollten, gleich zum Gebrauch bei der Hand zu haben. /96/
Eine rasche Bewegung der Hand überzeugte den Peon jedoch, daß die Pulverhörner nicht dabei hingen, und er kauerte sich dicht daneben auf den Boden nieder, den für ihn günstigsten Zeitpunkt abzuwarten.
Er sollte nicht lange zu warten brauchen. Wenn auch Ellington im Anfang beabsichtigt haben mochte, zu wachen, und ein paar Mal zu dem niedern Eingang schritt und hinauslauschte, war die Luft doch zu bitter kalt, sich ihr unnöthiger Weise zu lange auszusetzen. In seinen Poncho deshalb fest eingehüllt, streckte sich der Verfolgte endlich tief aufseufzend dicht neben die Gattin nieder, der er schon vorher das Lager wieder bereitet.
Der Peon war indessen nicht müßig gewesen; vorsichtig neben sich herumfühlend, nahm er das eine Gewehr zu sich nieder auf's Knie und fing an es zu untersuchen. Hierbei aber war für ihn ein Uebelstand - er hatte wohl schon häufig schießen sehen, aber noch nie selber geschossen; nur so viel wußte er, daß der Hahn gespannt werden mußte. Die Waffe, die er in der Hand hielt, war ein Doppelrohr, die andere eine einfache Büchse, aber weder Pulver noch Blei dazu; was half ihm da das Gewehr? Da durchblitzte ihn ein teuflischer Gedanke - wenn er das einfache Rohr in die Ecke abfeuerte, wo die Flüchtigen dicht aneinander geschmiegt lagen, und dann mit dem noch geladenen Doppelgewehr entfloh, brachte ihn die Verwirrung des ersten Entsetzens jedenfalls außer Schußweite, und nicht allein einer oder mehrere der Fremden würden verwundet, sondern die mashorqueros waren dann auch im Stande, mit dem andern Gewehr sie am Weitermarsch zu verhindern, oder doch so lange aufzuhalten, bis sie die wenigen Provisionen aufgezehrt hatten