Die Totenkopfbande. Anton Schaller
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Kapitel 5
Stimmen schwirrten durcheinander, Fernschreiber rasselten, Telefone klingelten, Beamte hetzten mit Akten in den Händen herum. Typische Atmosphäre in einem New Yorker Polizeirevier.
Brütende Hitze herrschte im karg eingerichteten Raum. Fliegen schwirrten herum.
Mark und Tom saßen vor dem altersschwachen Schreibtisch eines beleibten Detectives.
"Strong" stand auf dem Namensschild zu lesen. Der Beamte blätterte mit gerunzelter Stirn in den Protokollen. Dabei murmelte er Unverständliches vor sich hin. Die Krawatte hatte er gelockert, und der oberste Hemdenknopf war offen. Die hochgekrempelten Ärmel gaben den Blick frei auf muskulöse, dicht behaarte Arme. Das Hemd wies unter den Achseln große Schweißflecken auf. Detective Strong räusperte sich, legte die Protokolle zu Seite und blickte die beiden Jungen vor sich mit seinen himmelblauen Augen an. "Nun, da habt ihr aber mächtig viel Glück gehabt, ihr beiden!", polterte der beleibte Beamte. "Es hätte nicht viel gefehlt, und die beiden Gangster hätten euch ins Jenseits befördert."
Mark und Tom grinsten verlegen. "Und dann hätten wir wieder eine Menge Arbeit am Hals gehabt!", scherzte Strong und nahm einen riesigen Schluck Eiswasser aus dem Plastikbecher, der vor ihm am Schreibtisch stand. "Wir sind der Sache natürlich sofort nachgegangen", fuhr der Beamte gleich fort. "Als unsere Leute aber das infrage kommende Gebiet durchkämmten, fanden sie keinen Toten. Den müssen die Gangster noch rechtzeitig weggeschafft haben ..."
"Und was ist mit dem alten Buick, der in den Unfall verwickelt war?", fragte Mark gespannt und fuhr sich durchs dichte, blonde Haar.
"Der stand mitten auf der Straße. Zerbeult und verlassen. Von den beiden Männern keine Spur.“
"Aber Sie haben doch die Autonummer ...", warf Tom erfreut ein.
"Da können Sie ja ..."
"Mein Junge!", sagte der dicke Detective beinahe väterlich und schlürfte
erneut von seinem Eiswasser. "Was glaubst du wohl, mit wem du es hier zu tun hast? Mit Anfängern vielleicht? Natürlich haben wir sofort den Fahrzeughalter ausforschen lassen ..."
"Aber der Schlitten war natürlich geklaut!", unterbrach Mark und hob triumphierend seine Schultern. "Der rechtmäßige Besitzer hat den Buick sicher schon vor Tagen als gestohlen gemeldet. Habe ich recht?" Strong schnaubte. "Du weißt wohl alles schon im Vorhinein. Bist wohl ein kleiner Möchtegerndetektiv. Oder irre ich mich da?"
"Mein Freund und ich haben schon öfters eine Gangsterbande unschädlich gemacht!", behauptete Tom, der schwarze Junge, und seine Augen begannen zu leuchten.
"Ha, ha, ha!", machte der dicke Detective, der dem Jungen kein Wort glaubte. "Mark und Tom - die gefürchteten Gangsterjäger. Der Schrecken der New Yorker Unterwelt! Dass ich nicht lache ..."
Und Strong schlug zu. Mit seiner Fliegenklappe.
Ein dicker Brummer landete leblos auf dem Schreibtisch. Strong packte das Insekt an den aufgerichteten Flügeln und warf es lässig nach hinten.
"Genauso würde es euch ergehen, wenn euch die Gangster noch einmal in die Finger kriegen. Die machen kurzen Prozess. Noch einmal habt ihr nicht mehr so viel Glück! Überlasst also das Detektivspielen lieber uns! Wir werden dafür bezahlt ..."
"Aber", wollte Mark einwenden und machte ein enttäuschtes Gesicht.
"Nichts aber!", knurrte der dicke Polizist und schlug erneut mit seiner Fliegenklatsche auf den Schreibtisch. "Ich werde persönlich dafür sorgen, dass ihr zwei nach Hause gebracht werdet. Bleibt in der City, da seid ihr sicher! Vorher aber schauen wir uns noch gemeinsam unsere Kundenkartei an ..."
"Die Leute, die schon einmal wegen irgendeiner Sache verhaftet wurden", zeigte sich Mark gut informiert und folgte dem dicken Detective in den Computerraum.
"Wenn ihr einen der Kerle erkennt, dann sagt mir Bescheid!", verlangte Strong und startete das Programm.
Gesichter über Gesichter huschten über den Monitor.
Mark und Tom konzentrierten sich. Vielleicht würden sie den Unheimlichen und seinen Komplizen hier finden.
Doch enttäuscht ließen die beiden Jungen die Schultern hängen, als das Programm zu Ende war.
Strong schien ihnen nicht zu glauben.
"Ihr beide macht mir doch nichts vor. Oder?"
"Bestimmt nicht!", versicherte Tom und rollte seine großen Augen.
"Euch traue ich nämlich nicht!", gestand Strong und bugsierte die beiden Jungen wieder zurück in den Revierraum, in dem das Durcheinander inzwischen noch größer geworden war.
Ein festgenommener Verdächtiger wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Vernehmung. Dabei stieß er lauthals Verwünschungen aus und bewarf die Beamten mit den übelsten Schimpfwörtern.
Erst als einige Cops den Mann energisch zu Boden zwangen, lenkte dieser ein und beruhigte sich einigermaßen. Brav wie ein Musterschüler saß er nun vor einem Schreibtisch und antwortete auf die Fragen des vernehmenden Beamten.
Mark und Tom nahmen auf ihren Sesseln wieder Platz. Strong wuchtete seinen schweren Körper auf den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch und trank den Becher mit dem inzwischen geschmolzenen Eis gänzlich aus.
"So, ich warte jetzt!", knurrte der Detective, stützte beide Arme auf die Schreibtischplatte auf und verschränkte die Finger ineinander.
"Worauf denn?", fragte Tom, der sich etwas unwohl in seiner Haut fühlte.
"Na, ratet mal! Ich habe mir die Protokolle genauestens durchgelesen. Ihr habt ausgesagt, dass dieser Spitzel schon tot war, als ihr ihn gesehen habt ..."
"Und - ?", dehnte Mark, der mit einem Mal spürte, wie das Blut in sein Gesicht schoss. "Genau das glaube ich euch nicht!", wetterte Strong und donnerte nun seine Faust auf den Schreibtisch, dass die Akten nur so aufhüpften. "Ich habe das sichere Gefühl, dass ihr mich angeschwindelt habt. Der Mann hat euch sicher noch irgendwas verraten! Also, heraus mit der Sprache!"
Mark und Tom rutschten verlegen auf ihren Sesseln herum.
Die beiden Jungen hatten beschlossen, eisern zu schweigen. Schließlich war das ihr Fall, den sie lösen wollten. Die Polizei hatte hier nichts zu suchen, wie sie meinten. "Na, worauf wartet ihr?", fragte Strong mit gefährlich klingender Stimme. "Was hat der Mann noch zu euch gesagt?"
"Nichts!", stieß Mark etwas kleinlaut hervor, und sein Freund schüttelte zur Bestätigung seinen Kopf.
"Na gut, wie ihr wollt! Zwingen kann ich euch nicht! Aber das eine schreibt euch hinter die Ohren: Wagt es ja nicht, auf eigene Faust in diesem Fall herumzuschnüffeln! Wenn ihr uns in die Quere kommt, sperren wir euch ein, dass euch Hören und Sehen vergeht. Und jetzt geht's ab nach Hause!"
Strong ergriff den Telefonhörer und gab lautstark ein paar Anweisungen.
Wenig später tauchten zwei Cops auf.
"Taxi gefällig?", grinsten sie und schoben ihre Dienstmützen ein Stück nach hinten.
Mark