Vorm Mast. Wolfgang Bendick

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Vorm Mast - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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es gab Ausgang: für Kirchgang. Sonntags früh beim Rapport hieß es „Kirchgänger vortreten!“ Diese waren sehr zahlreich in den ersten Wochen. „Katholen rechts, Evangelen links!“ „Brummer, du bist verantwortlich für die Kirchgänger. Alle heil in die Kirche bringen und vor allem wieder heil zurück! Und pünktlich! Wegtreten!“ So eine lange Order hatte ich noch nie bekommen. Ich hatte es schwer, sie zu wiederholen. Wir zogen nach dem Frühstück gemeinsam los. Wie teilten uns in zwei Gruppen. Nein. Da war plötzlich eine dritte! „Ihr bringt uns nicht in den Dom! Wir warten auf euch in der Kneipe!“ „Scheiße“, dachte ich und sagte „lasst euch ja nicht sehen! Und seid pünktlich wieder da!“ Als Treffpunkt machten wir die erste Kneipe aus, an der wir beim Herkommen vorbeigelaufen waren. Unsere zwei Gruppen gingen in ihre Kirche, die dritte ging dahin, wo die Gebetsbücher Henkel haben, wie man in Bayern sagt. Vielleicht wussten die Pfarrer von unserem Timing-Problem, denn die Messen hörten früh genug auf, so dass auch wir echten Kirchgänger noch Zeit zu einem Bier hatten. Ich zählte durch. Meist waren alle da oder stießen irgendwo auf dem Rückweg zu uns. Manche steckten noch eine Flasche ein, für schlechte Zeiten... So kamen wir ungefähr pünktlich zurück. Keine Strafdienste! Ich meldete „Alle Kirchgänger zurück!“ „Wegtreten!“ Zum Glück wurde nie der Zustand der Kirchgänger überprüft. So vergingen die ersten drei Sonntage. Anschließend war frei. Außer Posten, Küchendienst usw., wir konnten lesen, Hausaufgaben machen, aber nicht raus.

      Nach vier Wochen erster Landgang! Nachmittags. Die Hauptattraktion war der ‚D-Zug‘, eine Kneipe mit Musik. Eine der ersten Diskotheken. Klar, dass alle anfangs dahin gingen. Mir war das etwas zu laut und vor allem zu teuer. Es gab aber in Bremervörde viele gemütliche Kneipen mit gemütlichen Leuten und gutem Bier. Mir schien, als hätten die Leute in den Kneipen uns Seemannsschüler gern. Oft gaben sie uns einen aus und noch einen... Es schien, die hätten einen Mordsspaß daran, uns abzufüllen... Unsere Kirchgänger-Gruppe hatte sich stark reduziert, seit es Landgang gab. Wie üblich trafen wir uns nach der Messe in unserer „ökumenischen Kneipe“ zu einem kleinen Bier vor dem Rückweg.

      Man hatte uns gerade das Bier serviert, da geht die Tür auf und herein kommt Peters, der Ausbildungsoffizier der Backbordwache. Man sieht ihm an, er hat eine harte Nacht hinter sich! Er steht nicht ganz sicher und hat seinen doppelten Blick. Er begrüßt seine Kumpels, er scheint hier jedermann zu kennen. Wir standen am Tresen und wären zu gern unsichtbar geworden. Wir hofften, dass er so dicht wäre, dass er uns nicht erkenne, oder sich sage, heut' ist Sonntag, drücken wir mal ein Auge zu, oder besser beide. Außerdem war er ja gar nicht im Dienst. Er suchte wohl noch andere Kumpane, um ihnen von seiner durchgesoffenen Nacht zu erzählen, da fällt sein Blick auf uns. Er nimmt etwas Haltung an, zeigt mit dem Finger auf uns, „Jo wat mokt ihr denn do? Seid gar nich in die Kirche? Morgen früh Rapport!“ Wir tranken unser Bier schneller aus, als es gezapft worden war und verschwanden. Was machen? Der glaubte uns ja sowieso nichts. Am Montagmorgen, beim Rapport kamen wir uns vor wie die ersten Christen, als sie für ihren Glauben in die Arena geschickt wurden. Wir mussten Kapitän Neugebauer und seiner Bestie gegenübertreten: Eine Woche Kartoffeln schälen!

      Eine willkommene Unterbrechung der Unterrichtsstunden war Seemannschaft. Wir standen im Kreis im Takelkeller und übten Knoten mit Papendieck. In diesem Raum schwebte ein Aroma von Tauwerk und Holzteer. Jeder von uns hatte einen Tampen in der Hand und versuchte, die Gebilde, die der Bootsmann uns zeigte, nachzuvollziehen. Seine und auch unsere Geduld wurden auf harte Proben gestellt. Vom halben Schlag bis zum doppelten Palstek wurde uns alles eingebläut. Vorwärts, rückwärts, hinterm Rücken, fast noch bei Kopfstand... Manchmal knipste er das Licht aus: „Doppelter Trossenstek“. Als es wieder hell war, machte er die Runde, spöttelte über unsere Gebilde, regte sich auf, wenn nichts geklappt hat. Gelobt wurde nie, nach seiner Devise: „Kein Tadel ist schon höchstes Lob!“

      Wir lernten rechtsgeschlagenes von linksgeschlagenem Tauwerk zu unterscheiden, wussten bald, was ein Kardeel ist, ein Kabelgarn, eine Seele. Lernten den Unterschied im Schlag von Lotleine und Logleine, lernten wie herum Tauwerk aufzuschließen ist. Schlugen die englische Bucht, um Kinken zu verhindern und dass einem Drahttauwerk ins Gesicht springt. Wir wussten bald, wie man zwei Tampen miteinander verflicht (spleißen), „üüüber ein Kardeel, uuunter ein Kardeel, kann sehn? Wiederhole!“, lispelte Papendieck.

      Wir arbeiteten mit Pricker und Marlspieker, spleißten Augen und Stroppen. Bald konnten wir Wurfleinen aufschießen, klar zum Laufen oder zum Verstauen. Wir flochten Wurfleinenknoten, Affenfäuste und schlugen Henkersknoten. Hüsing stecken („kann sehn Hüüsing?“) und Bootsmannsnaht waren uns bald geläufig und mit dem Segelhandschuh hantierten wir so gut wie unsere Mütter mit dem Fingerhut. Reff-Bändsel annähen, Taklinge setzen, nähen, flechten. Man lehrte uns, dass der Langspleiß auf den Schiffen nicht gern gesehen ist, gerade bei kurzem Gut (Bruchgefahr).

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      Die ‚Schiffsleitung‘

      Wir lernten Taljen (Flaschenzüge) scheren und diese wieder zu enttüddeln, wenn sie durchgefallen waren. Wir lernten den Unterschied von laufendem und stehendem Gut („nur in eurer Hose ist es ein und dasselbe“). Papendieck zeigte uns, wie man eine Stelling (Planke für Arbeiten außenbords) ansteckt oder einen Bootsmannstuhl (kleinere Ausführung für Arbeiten im Mast). Lotsenleiter, Jakobsleiter, alles wurde uns gründlichst erklärt. Langeweile war ein Fremdwort hier im Takelkeller. Wenn irgendein Fachausdruck im Normalgebrauch eine obszöne Bedeutung hatte, dann wurde das so oft wiederholt, bis wir's intus hatten. „So behaltet ihr das wenigstens im Gedächtnis.“ Eines dieser Worte war „runterholen“.

      Eines Morgens, beim Waschen, wurde überall getuschelt, dass Mayer nachts beim Wixen erwischt worden war. Ein Zimmerkollege hatte ihm mitten in der Nacht die Bettdecke weggezogen und ein anderer hatte schnell das Licht angemacht. So zum Spaß. Jetzt war der arme Mayer in aller Munde und wurde um halb 8 Uhr beim Rapport aufgerufen. Auf die Frage, was vorgefallen war, gestand er fast flüsternd, dass er sich einen runtergeholt habe. 1 Woche Kartoffeln schälen. Und nie wieder, sonst Rausschmiss! Der arme Mayer! Ich glaube, viele litten mit ihm. „Wer macht das nicht?“, hatte ich herausschreien wollen. Hätte ich sollen! Es war eine große Ungerechtigkeit! Die Jüngsten von uns waren 14 und irgendwie muss man den Druck doch rauslassen. Soll es einem denn den Sack zerreißen? Eher sollten die, welche die Decke weggezogen haben, bestraft werden! Aber wir schwiegen! Aus Angst vor Repressalien, und um nicht selber das nächste Opfer zu sein. Als Mayer zum Frühstück in den Speisesaal ging, rief die Grewer durch die Essensausgabe: „Da kommt er ja, Mayer, der alte Wixer.“ Als er Küchendienst hatte, fasste sie ihm an die Eier. „Lass mal sehen, ob du wieder einen Steifen hast, du Wixer!“ Diesen Namen behielt er bis zum Kursende.

      Es ging das Gerücht um, dass auf dem Dachboden aus den Koffern Geld geklaut worden sei. Wir bekamen alle die Leviten gelesen, dass das von Anfang an verboten gewesen sei, und auch in seinem Schrank dürfe man keines aufbewahren. Die 2 Ex-Bundeswehrler und ein paar kräftige Burschen bildeten eine „Befragungskommission“, Gerd, der Heizer, war auch dabei. In seinem Kokskeller tagte dieses Gremium. Die Verdächtigen wurden (ich bin sicher, mit Zustimmung der Schulleitung) beiseite genommen und unter etwas kräftiger Weise dazu gebracht, die Wahrheit, nichts als die Wahrheit, zu sagen. Einmal landete ich durch Zufall in einer dieser Befragungen. Ich wollte eigentlich Gerd besuchen und öffnete die Kellertür. Da sah ich sie alle und dachte, was ist denn da los? Es war da auch einer der Verdächtigen. Sie hatten ihn im Schwitzkasten, einen Arm auf den Rücken gedreht. An diesem Abend hatten sie wohl vergessen, die Tür abzuschließen. Jetzt konnte ich mir auch so manches blaue Auge erklären, hatte es doch keine Schlägereien gegeben. Drei flogen von der Schule. Die „Befragungskommission“ war mehr eine geheime Sache. Niemand sprach darüber, weder die Schulleitung, noch wir. Jeder wollte Ärger vermeiden.

      Eines

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