Der rote Komet. Robert Heymann

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Der rote Komet - Robert Heymann

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dem, den man über die anderen hervorheben wollte, das Recht, einen besonderen, auf seine Fähigkeiten und Verdienste hinweisenden Namen zu tragen. —

      Berlin stand also seit Monaten im Zeichen des roten Kometen. Nicht nur Berlin! Ganz Deutschland, ganz Europa, die ganze Welt! Und die ganze Erde war verwandelt! Von alters her wußte jeder Psychiater, daß die rote Farbe eine aufreizende Wirkung auf die Sinne besitzt. Das Leuchten des neuen Kometen aber war so intensiv, daß sich kein Mensch auf der Erde seinem Einfluß entziehen konnte. Es trat ein plötzlicher Umschwung in den Charakteren ein, der kaum zu beschreiben wäre. Die Welt, die bis zu diesem Zeitpunkte sich mehr und mehr von den Uebertreibungen des Mittelalters und des Altertums in sinnlicher Beziehung entfernt hatte, kehrte zu den ursprünglichen Leidenschaften zurück.

      In den Palästen der Reichen jagten sich die Orgien. Das Verbrechen nahm in furchtbarer Weise überhand und trat gerade da auf, wo man es bislang am wenigsten vermutete. —

      John Crofton hatte sich schweigend in einen Sessel geworfen und eine Zigarette angezündet. Der Abend schritt vor.

      Die beiden Männer waren seit vielen Jahren Freunde, und dieses Band hatte sich noch gefestigt durch ihre gegenseitige Stellung, denn John Crofton war in seiner Position das, was in früheren Zeiten die Gesandten vorstellten. Es gab keinen diplomatischen Austausch zwischen den Ländern mehr, sondern die regierende Presse sandte ihre Vertreter in die einzelnen Staaten, und in den Händen dieser Männer lagen alle die Rechte und Befugnisse, welche ehedem die offiziellen Gesandten inne gehabt hatten.

      „Hättest du nicht Lust, Romulus, uns heute abend Gesellschaft zu leisten?“ fragte der Journalist plötzlich.

      Futurus entgegnete lachend:

      „Ich habe für heute nichts vor, John, und werde mich also freuen, mit meiner Gemahlin zu dir zu kommen. Hast du ihr schon deine Aufwartung gemacht?“

      „Nein, ich will das nachholen, ehe ich dich verlasse,“ entgegnete John Crofton mit einer gewissen Verlegenheit, die seinem Freunde entging.

      Futurus fragte neuerdings:

      „Erwartest du außer uns noch weitere Gäste?“

      „Ja, mein Freund. Es haben sich angesagt: Miß Head, die berühmte Sängerin der großen Oper, die übrigens vor kurzer Zeit durch den Minister der schönen Künste den Ehrennamen „Divina“, die Göttliche, erhielt; sodann General Treufest, welcher vor einigen Monaten das Kommando der schweren deutschen Küstenartillerie übernommen hat. In seiner Begleitung versprach Ralph Jonathan Wieland zu kommen, derselbe, der die großen elektrischen Kraftwerke der Nord- und Ostsee besitzt, also ein richtiger deutscher Magnat des Goldes, nach neuester Schätzung der reichste, den wir überhaupt besitzen. Gegen ihn waren die amerikanischen Kohlenbarone die reinsten Waisenkinder!“

      „Sonst kommt niemand?“

      „Wenn wir Glück haben, so werden wir auch die junge Fürstin Angelika bei mir sehen, desgleichen Dr. Diabel den Hausarzt des Regenten. Er dürfte in Begleitung seines Famulus, des Studenten der Medizin Peter Cornelius, erscheinen.“

      „Also eine Gesellschaft, die interessant zu werden verspricht,“ entgegnete Romulus Futurus.

      John Crofton verabschiedete sich. Er schritt von der Sternwarte durch einen schier endlosen Gang, der durch die Bibliothek und die kostbare Gemäldegalerie des berühmten Astronomen und Kultusministers führte, bis er die Gemächer Frau Fabias, der Gattin des Romulus Futurus erreicht hatte.

      Es war kein Geheimnis in Berlin, daß der Astronom mit seiner Gattin nicht gerade sehr gut lebte.

      „Nicht umsonst war es eine Liebesheirat“, pflegte John Crofton zu witzeln, wenn er sich im eingeweihten Freundeskreise befand.

      Jetzt blieb er vor einem der riesengroßen Venezianer stehen, richtete seine nach neuester Mode gefärbte Krawatte und ließ sich Frau Fabia melden.

      Durch hallende Prunkgemächer hindurch führte ihn der Diener in das große Wohnzimmer der jungen Frau.

      Sie saß nachlässig zurückgelehnt in einem byzantinischen Sessel und beschäftigte sich mit einer Stickerei. Um sie waren afrikanische Sklavinnen, junge Negerinnen, welche aus den Kolonien nach Europa geschickt worden waren, um die mangelnden Arbeitskräfte zu ersetzen.

      Unruhig sah sie auf, als der Kammerdiener John Crofton meldete, gab aber doch durch ein leichtes Kopfnicken ihre Zustimmung kund, ihn zu empfangen.

      Der Besucher trat ein. Einige Sekunden blieb er stehen, ganz und gar in den Anblick dieser wundervollen Frau versunken. Sie war außergewöhnlich schön. Gleich Romulus Futurus, ihrem Gatten, war sie groß, ein richtiges Kind unverfälschter Rasse, mit breiten Schultern, deren vornehme Rundung durch ihre kraftvolle Gestaltung nicht beeinträchtigt wurde. Schwarzes Haar umrahmte das edel geschnittene Gesicht mit den großen, dunklen Augen, in denen der Glanz einer fröhlichen Lebensauffassung lag. Die Miene, welche John Crofton zur Schau trug, war eine ganz andere, als bei Romulus Futurus. Auf seinem Gesicht spielte ein heimliches, sinnliches Lächeln, als er sich Frau Fabia näherte, ihre weiße, kühle Hand an seine Lippen zog und sagte:

      „Wie befinden Sie sich, gnädigste Frau?“

      Sie entgegnete lachend, das große, schöne Auge zu dem Besucher erhebend:

      „Gut, wie immer, mein Freund.“

      Sie sprach nicht die Wahrheit. Aber niemandem hätte sie gestanden, daß sie Tage und Nächte durchweinte in der Einsamkeit; das Unglück ihrer Ehe war nicht durch ihre Schuld hervorgerufen, sondern durch Romulus Futurus, der ihre Nähe mied. Sie selbst liebte ihren Gatten mit einer an Wahnsinn grenzenden Leidenschaftlichkeit, aber ihr Stolz verbot ihr, dies kundzutun.

      John Crofton, der geschickte Weltmann, bemerkte sehr wohl, daß sie log, und flüsterte:

      „Die Einsamkeit macht Sie noch schöner, Frau Fabia. Unter allen Todsünden ist wohl jene die größte, die Romulus an Ihnen begeht.“

      Sie zuckte leicht zusammen und sandte ihre Dienerinnen aus dem Zimmer. Dann sagte sie, während ihre Stimme einen kühlen Klang annahm:

      „Ich habe Ihnen kein Recht gegeben, Mr. Crofton, in dieser Weise von meinem Gatten, von mir und unseren eigenen Angelegenheiten zu sprechen.“

      Zwischen seine Brauen grub sich eine Falte. Fast heftig entgegnete er:

      „Doch, Frau Fabia! Ich weiß, daß Sie vorübergehend eine Neigung für mich besaßen, daß Sie hofften, bei mir Trost zu finden!“

      Sie wurde tiefrot und entgegnete:

      „Es ist wahr. Es gab eine kurze Zeit, in der ich alles tat, um meinen Gatten zu vergessen und wo ich glaubte, eine Neigung für Sie zu empfinden. Warum sollte ich es leugnen? Aber das ging schnell vorüber, und ich kann Sie versichern, Mr. Crofton, daß ich Ihre Worte und die Art, wie Sie sich heute bei mir einführen, als Beleidigung empfinde!“

      Er entgegnete leidenschaftlich:

      „Die Liebe, die wahnsinnige Liebe, die ich für Sie empfinde, Frau Fabia, gibt mir ein Recht, anders zu Ihnen zu sprechen, als zu jeder andern Frau!“

      Sie erhob sich rasch. Er aber faßte mit beiden Händen nach ihrem weißen, hübschen, kühlen Arm und drückte die schöne Frau mit Gewalt in ihren Sessel zurück. Ja, einige Augenblicke entspann sich ein Ringen zwischen diesen beiden

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