Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl. Carles Darwin
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl - Carles Darwin страница 2
Das Weibchen weicht oft vom Männchen dadurch ab, dass es Organe zur Ernährung oder zum Schutze seiner Jungen besitzt, wie die Milchdrüsen der Säugetiere und die Abdominaltasche der Marsupialien. Auch die Männchen besitzen in einigen wenigen Fällen ähnliche Organe, welche den Weibchen fehlen, wie die Taschen zur Aufnahme der Eier, welche die Männchen gewisser Fische besitzen, und die temporär entwickelten Bruttaschen gewisser männlicher Frösche. Die Weibchen der meisten Bienen haben einen speziellen Apparat zum Sammeln und Eintragen der Pollen, und ihre Legerohre ist zu einem Stachel für die Verteidigung ihrer Larven und der ganzen Genossenschaft modifiziert worden. Zahlreiche ähnliche Fälle könnten angeführt werden, doch berühren sie uns hier nicht. Es gibt indessen andere geschlechtliche Verschiedenheiten, die uns hier besonders angehen und welche mit den primären Organen in gar keinem Zusammenhang stehen, so die bedeutendere Größe, Stärke und Kampflust der Männchen, ihre Angriffswaffen oder Verteidigungsmittel gegen Nebenbuhler, ihre auffallendere Färbung und verschiedene Ornamente, ihr Gesangsvermögen und andere derartige Charaktere.
Außer den vorgenannten primären und sekundären geschlechtlichen Differenzen weichen die Männchen von den Weibchen zuweilen in Bildungen ab, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen und entweder gar nicht oder nur indirekt auf die Reproduktionsfunktionen Bezug haben. So sind die Weibchen gewisser Fliegen (Culicidae und Tabanidae) Blutsauger, während die Männchen von Blüten leben und keine Kiefer an ihrer Mundöffnung haben. [Westwood, Modern Klassifiktion of Insekts. Vol. II. 1840, p. 541. In Bezug auf die Angaben über Tanais, welche weiterhin erwähnt werden, bin ich Fritz Müller zu Dank verbunden.] Nur die Männchen gewisser Schmetterlinge und einiger Crustaceen (z. B. Tanais) haben unvollkommene, geschlossene Mundöffnungen und können keine Nahrung aufnehmen. Die complementären Männchen gewisser Cirripeden leben wie epiphytische Pflanzen entweder auf der weiblichen oder der hermaphroditischen Form und entbehren einer Mundöffnung und der Greiffüße. In diesen Fällen ist es das Männchen, welches modifiziert worden ist und gewisse bedeutungsvolle Organe verloren hat, welche die Weibchen besitzen. In anderen Fällen ist es das Weibchen, welches derartige Teile verloren hat. So ist z. B. der weibliche Leuchtkäfer ohne Flügel, wie es auch viele weibliche Schmetterlinge sind; von diesen verlassen einige niemals ihre Cocons. Viele weibliche parasitische Crustaceen haben ihre Schwimmfüße verloren. Bei einigen Rüsselkäfern (Curculionidae) besteht eine bedeutende Verschiedenheit zwischen dem Männchen und Weibchen in der Länge des Rostrums oder des Rüssels. [Kirby and Spenge, Introduktion to Entomology. Vol. III. 1826, p. 309.] Doch ist die Bedeutung dieser und vieler anderer Verschiedenheiten durchaus nicht erklärt. Verschiedenheiten der Struktur zwischen den beiden Geschlechtern, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen, sind meist auf die niederen Tiere beschränkt; aber auch bei einigen wenigen Vögeln weicht der Schnabel des Männchens von dem des Weibchens ab. Beim Huia von Neu-Seeland ist der Unterschied merkwürdig groß; wir erfahren von Dr. Buller, [The Birds of New Zealand, 1872, p. 66.] dass das Männchen seinen starken Schnabel dazu benutzt, die Insektenlarven aus faulendem Holz auszumeißeln, während das Weibchen mit seinem weit längeren, bedeutend gekrümmten und biegsamen Schnabel die weicheren Teile sondiert; sie helfen sich auf diese Weise gegenseitig. In den meisten Fällen stehen die Verschiedenheiten im Bau in einer mehr oder weniger direkten Beziehung zu der Fortpflanzung der Art. So wird ein Weibchen, welches eine Menge Eier zu ernähren hat, mehr Nahrung erfordern als das Männchen und wird infolgedessen spezieller Mittel bedürfen, sich dieselben zu verschaffen. Ein männliches Tier, welches nur eine sehr kurze Zeit lebt, kann ohne Schaden infolge von Nichtgebrauch seine Organe zur Beschaffung von Nahrung verlieren, es wird aber seine locomotiven Organe in vollkommenem Zustande behalten, damit es das Weibchen erreichen kann. Andererseits kann das Weibchen getrost seine Organe zum Fliegen, Schwimmen oder Gehen verlieren, wenn es allmählich Gewohnheiten annimmt, welche ein derartiges Vermögen nutzlos machen.
Wir haben es indessen hier nur mit geschlechtlicher Zuchtwahl zu tun. Dieselbe hängt von dem Vorteil ab, welchen gewisse Individuen über andere Individuen desselben Geschlechts und derselben Spezies erlangen in ausschließlicher Beziehung auf die Reproduktion. Wenn die beiden Geschlechter in ihrer Struktur in Bezug auf die verschiedenen Lebensgewohnheiten, wie in den oben erwähnten Fällen, voneinander abweichen, so sind sie ohne Zweifel durch natürliche Zuchtwahl modifiziert worden in Verbindung mit einer auf ein und dasselbe Geschlecht beschränkten Vererbung. Es fallen ferner die primären Geschlechtsorgane und die Organe zur Ernährung und Beschützung der Jungen unter diese selbe Kategorie. Denn diejenigen Individuen, welche ihre Nachkommen am besten erzeugten oder ernährten, werden ceteris paribus die größte Anzahl hinterlassen, diese Superiorität zu erben, während diejenigen, welche ihre Nachkommen nur schlecht erzeugten oder ernährten, auch nur wenige hinterlassen werden, dieses ihr schwächeres Vermögen zu erben. Da das Männchen das Weibchen aufzusuchen hat, so braucht es für diesen Zweck Sinnes- und Lokomotionsorgane. Wenn aber diese Organe für die anderen Zwecke des Lebens notwendig sind, wie es meistens der Fall ist, so werden sie durch natürliche Zuchtwahl entwickelt worden sein. Hat das Männchen das Weibchen gefunden, so sind ihm zuweilen Greiforgane, um dasselbe fest zu halten, absolut notwendig. So teilt mir Dr. Wallace mit, dass die Männchen gewisser Schmetterlinge sich nicht mit den Weibchen verbinden können, wenn ihre Tarsen oder Füße gebrochen sind. Die Männchen vieler ozeanischer Crustaceen haben ihre Füße und Antennen in einer außerordentlichen Weise zum Ergreifen des Weibchens modifiziert. Wir dürfen daher vermuten, dass diese Tiere wegen des Umstandes, dass sie von den Wellen des offenen Meeres umhergeworfen werden, jene Organe absolut nötig haben, um ihre Art fortpflanzen zu können; und wenn dies der Fall ist, so wird deren Entwicklung das Resultat der gewöhnlichen oder natürlichen Zuchtwahl sein. Einige in der ganzen Reihe äußerst niedrig stehende Tiere sind zu dem nämlichen Zwecke modifiziert worden; so ist die untere Fläche des hinteren Endes ihres Körpers bei gewissen parasitischen Würmern in erwachsenem Zustand wie eine Raspel rau geworden; damit winden sie sich um die Weibchen und halten sie beständig. [Mr. Perrier führt diesen Fall an (Revue Scientifique, 1. Fevr., 1873, p. 865) als einen, der den Glauben an geschlechtliche Zuchtwahl völlig untergrabe; er glaubt nämlich, dass ich alle Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern der geschlechtlichen Zuchtwahl zuschreibe. Es hat sich daher dieser ausgezeichnete Naturforscher, wie so viele Franzosen, nicht die Mühe genommen, auch nur die ersten Grundsätze der geschlechtlichen Zuchtwahl zu verstehen. Ein englischer Zoologe behauptet, dass die Klammerorgane gewisser männlicher Tiere sich nicht hätten durch die Wahl des Weibchens entwickeln können! Hätte ich nicht diese Bemerkung gefunden, so würde ich es nicht für möglich gehalten haben, dass irgend jemand, der dies Kapitel gelesen hat, sich hätte einbilden können, ich behauptete, dass die Wahl des Weibchens mit der Entwicklung von Greiforganen beim Männchen irgend etwas zu tun habe.]
Wenn die beiden Geschlechter genau denselben Lebensgewohnheiten folgen und das Männchen hat höher entwickelte Sinnes- oder Lokomotionsorgane als das Weibchen, so kann es wohl sein, dass diese in ihrem vervollkommneten Zustand für das Männchen zum Finden des Weibchens unentbehrlich sind; aber in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle dienen sie nur dazu, dem einen Männchen eine Überlegenheit über ein anderes zu geben. Denn die weniger gut ausgerüsteten Männchen werden, wenn ihnen Zeit gelassen wird, auch noch dazu kommen, sich mit den Weibchen zu paaren, und sie werden in allen übrigen Beziehungen, nach der Struktur des Weibchens zu urteilen, gleichmäßig ihrer gewöhnlichen Lebensweise gut angepasst sein. In derartigen Fällen muss geschlechtliche Zuchtwahl in Tätigkeit getreten sein. Denn die Männchen haben ihre jetzige Bildung nicht dadurch erreicht, dass sie zum Überleben in dem Kampf ums Dasein besser ausgerüstet sind, sondern dadurch, dass sie einen Vorteil über andere Männchen erlangt und diesen Vorteil nur auf ihre männlichen Nachkommen überliefert haben. Es war gerade die Bedeutung dieses Unterschieds, welche mich dazu führte, diese Form der Zuchtwahl als „geschlechtliche Zuchtwahl“ zu bezeichnen. Wenn ferner der hauptsächlichste Dienst, welchen die Greiforgane dem Männchen leisten, darin besteht,