Johann Heinrich Pestalozzi; Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts. Johann Buschmann Heinrich

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Johann Heinrich Pestalozzi; Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts - Johann Buschmann Heinrich gelbe Buchreihe

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wahrhaft Reine, Tugendhafte freilich auch nicht, aber es ist von reiner Tugend nicht die Rede, wenn man vom gesellschaftlichen Recht und von der öffentlichen Einrichtung des bürgerlichen Verhältnisses als solchen spricht.

      * * *

      Aufruhr

       Aufruhr

      Das Wimmern des Menschengeschlechts unter dem Druck des gesellschaftlichen Unrechts und der gesetzlosen Gewalt ist nicht Aufruhr. Auch lauter Tadel der öffentlichen Unordnung ist an sich nicht Aufruhr. Das Streben des Menschengeschlechts die Maßregeln der öffentlichen Ordnung und des gesellschaftlichen Rechts, wo sie mangeln, einzuführen und wo sie geschwächt sind, zu stärken, dieses Streben liegt im Innersten meiner unentwürdigten Natur. Jedes Volk, dem es mangelt, ist in tiefe, niedere Schlechtheit versenkt worden. Hin bist du, Name Vaterland, wenn dieses Streben in der Brust deiner Bürger tot ist! Deine entwürdigten Söhne sind nicht mehr Staatsbürger, sie sind in der Erniedrigung eines verdorbenen Staatsdiensts als Bürger zugrunde gegangen und als Menschen ist jede gute Kraft, die sie noch zu besitzen vermögen, außer allem Einfluss auf den Volkssegen, auf das Wohl des Vaterlandes geworfen, folglich für sie als Bürger zu einer toten Kraft geworden.

       Selbst du, meine Menschlichkeit, bist hin, wenn ich ohne Interesse für das öffentliche Recht und ohne Abneigung gegen das öffentliche Unrecht und gegen seine Quelle, die willkürliche Gewalt, in der bürgerlichen Gesellschaft lebe. Aber wie kann man das Interesse für die Angelegenheiten des Vaterlandes bei den Individuen im Land also lebhaft werden lassen und dabei den Staat aus jeden Fall vor Aufruhr sicherstellen?

      Also fragt ein Zeitalter, das nie einfach und geradehin recht tun, aber sich bei allem Nichtrechttun selber bestens gesichert wissen will.

      Ich weiß auf diese Frage, wie sie gestellt ist, keine Antwort. Ich weiß gegen die Ausartung keiner einzigen menschlichen Kraft und keiner einzigen menschlichen Tugend auf jeden Fall Mittel. Aber das weiß ich doch, dass keine Kraft und keine Tugend in meiner Seele deswegen ausgelöscht werden soll, damit sie nicht ausarten könne und dass die lebendige Anhänglichkeit des Bürgers an das Recht seines Landes eben so wenig zu einer Kraftlosigkeit, in der sie gar kein gesellschaftliches Übel mehr veranlassen könne, versenkt werden darf. Gewiss ist wenigstens, um dem Aufruhr vorzubeugen, muss ich doch nicht die menschliche Seele ändern, dass sie zu allen Phantasien der Willkür und zu allem Unflat der Rechtlosigkeit passe.

      Wenn aber eine Regierung aus Gründen, die sie nicht protokolliert, die Grundfrage des bürgerlichen Rechts und der bürgerlichen Selbständigkeit nicht mehr will oder nicht mehr darf an sich kommen lassen, dann bleibt gegen den Aufruhr, das ist, gegen die beim Volke unter diesen Umständen notwendig erwachenden lebhaften Gefühle von der Unsicherheit und Unrechtmäßigkeit ihrer Lage, freilich kein Mittel übrig, als der Gebrauch physischer Kraft ratio ultima regum und dieses wirket dann auch so viel sicherer, wenn man im Fall ist mit ganz verstockter Stille zu Werke zu gehen; das aber weiß ich freilich dann auch nicht, wie dieses auf jeden Fall möglich ist ohne das Volk noch schlechter zu machen, als es durch den Aufruhr selber kaum hätte werden können.

       Wenn ich indessen schon zweifle, ob die Lage der Umstände, unter denen der Mensch zum Giftmischen geneigt werden kann, denen vorzuziehen sei, durch die wir gereizt werden mit Kains Keule zu morden, so billige ich das Totschlagen mit der Keule so wenig als das Giftmischen. Und wenn ich schon zweifle, ob das Volk durch den Aufruhr schlechter werde, als durch politische Täuschung, so billige ich den Aufruhr so wenig, als die falsche Gewalttätigkeit der Staatskunst. Das Verderben des gesellschaftlichen Zustandes führet uns offenbar zu zwei Extremen, die unser Geschlecht auf ungleichen Wegen, aber beiderseits gleich zugrunde richten und diese sind Ruchlosigkeit und Erschlaffung. Wir dürfen aber um der Gefahren willen, welche die Ruchlosigkeit und ihr äußerstes Verderben, der Aufruhr, über unser Geschlecht verhängt, diejenigen nicht verkennen, welche die bürgerliche Erschlaffung im gesellschaftlichen Zustand veranlasst. Und wenn auch mein Zeitalter, durch Umstände verführt, der letzten allgemein das Wort redet oder wenigstens über sie hin schlüpft wie über glühendes Eisen, ich werde es nie tun. Sie ist gänzlicher Mangel des Glaubens an bürgerliche Tugend, gänzliche Gleichgültigkeit für das Wesen des gesellschaftlichen Rechts. Wer durch sie entwürdigt ist, verachtet sich selber und hasst den, der es nicht tut.

      Wenn vom Recht die Rede ist, so spricht er: Wir haben ja zu essen und zu trinken und schöne Häuser; wenn vom Volk die Rede ist, so fragt er: Was ist das? Das Menschengeschlecht, meint er, sei die Geldkiste, Freiheit alles, was sie einträgt, und alles, was wohltut, Sklaverei, alles was kostet und alles, was wehtut.

      Mein Geschlecht verbindet in diesem Zustand die ekelhafteste Großsprecherei mit der tiefsten Niederträchtigkeit. Belastet mit Fluch des bürgerlichen Jochs, ohne bürgerliche Kraft, entblößt von irgend einem stärkeren Gefühl einer befriedigenden Selbständigkeit, tanzt es dann, den Ring an der Nase, ums Brot, bückt sich, kniet und purzelt vor dem Mann, der es diesen Diensttanz mit dem Prügel in der Hand gelehrt hat. Der Mensch trägt in diesem Zustand nicht einmal die Kraft und die Ruhe des stärkeren Viehs in seiner Brust, das Herzklopfen des Schwächsten wird dann sein Teil. Von jedem Reiz gelockt und von jeder Drohung geschreckt, meint er dann, alles, was er tut, sei Sünde und tut doch alles, was er meint, das Sünde sei. Er ist ohne Wohlwollen gegen sein eigen Geschlecht; wenn von der Not seiner Kinder die Rede ist, so sagt er, sorgen sie auch, ich habe auch müssen sorgen und eben so wenig rühret ihn die Nachwelt, sein Geschlecht und sein Volk.

      Die Frage ob der Mensch durch eine solche Erschlaffung nicht schlechter werden könne als durch den Aufruhr, ist also, so Gott will, keine verfängliche Frage.

      * * *

       Staatsrecht

      Es ahndete mir jetzt alle Wonne des Lebens scheitere an den öffentlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Zustandes; ich musste mich fragen: Was ist das Staatsrecht? Aber unwillkürlich stand mir Goethes Lied vor der Seele:

       Edel sei der Mensch,

       hilfreich und gut!

       Denn das allein

       unterscheidet ihn

       von allen Wesen,

       die wir kennen.

       Heil den unbekannten

       höhern Wesen,

       die wir ahnen!

       Ihnen gleiche der Mensch;

       sein Beispiel lehr' uns

       jene glauben.

       Nach ewigen ehrnen

       großen Gesetzen

       müssen wir alle

       unseres Daseins

       Kreise vollenden.

       Nur allein der Mensch

       vermag das Unmögliche,

       er unterscheidet,

       wählet und richtet,

       er kann dem Augenblick

       Dauer verleihen.

       Denn unfühlend

       ist die Natur.

       Es leuchtet die Sonne

      

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