Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich

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Schaufel oder sonst irgend eine andere derartige Waffe des Proletariats in die Hand zu nehmen, aber ihre Hand wollten sie in dem Auffinden des Goldes haben. Wo sie deshalb nicht selber gehen konnten, begannen sie Leute um schweres Geld zu miethen und kleine Gesellschaften mit Tonnen Mehles und Speck, mit Werkzeugen, Quecksilbermaschinen, Zelten und anderen Buschutensilien auszurüsten, immer dabei in dem guten Glauben, daß diese „Goldgräber" auch noch weiter für sie arbeiten würden, wenn sie /27/ wirklich nutzbare Gruben dort oben entdeckten, und dann doch jedenfalls viel vortheilhafter für sich sorgen konnten, sobald sie die Arbeit auf eigene Hand betrieben.

      Aber wer von Allen dachte jetzt auf Wochen oder Monate hinaus, wo es ja galt das Glück im Augenblick beim Schopf zu fassen. Wie Viele griffen freilich in die Luft, aber sie ahnten das wenigstens jetzt noch nicht, und der Taumel, der Alle gepackt hatte, riß auch sie mit fort.

      Am allerschlimmsten traf dies Lockern aller Bande des gesellschaftlichen und geschäftlichen Verkehrs die gerade zufällig mit ihren Schiffen in der Bai ankernden Capitaine, noch dazu, wenn sie schon im Begriff waren, wieder auszulaufen. Zu den Matrosen drang ja das Gerücht der reichen Minen eben so rasch wie zu allen übrigen Menschenkindern, und wenn sie den geringen Monatslohn gegen das, was sie da oben finden konnten, in die Wage warfen, schnellte ihre Schale freilich hoch empor. Natürlich liefen sie fort, und ob List oder Gewalt angewandt wurde, sie an Bord zu halten, mit List oder Gewalt brachen sie durch, und es dauerte nicht drei Tage, daß kein einziges Schiff mehr mit vollzähliger oder selbst nur genügender Mannschaft in der Bai lag, seine Reise nach irgend einer Richtung hin fortsetzen zu können oder nur in See zu gehen.

      Und was für bunte Züge bildeten sich jetzt: junge Kaufleute und Beamte, Tagelöhner, weggelaufene Matrosen, Handwerker, Künstler, Alles mischte sich bunt durcheinander - die rothen Hemden, Wasserstiefeln und chocoladenfarbige Hüte machten Alles gleich, und eine gewisse Verbrüderung, eine Art von Communismus schien den ganzen Staatskörper wie in einem Taumel erfaßt zu haben.

      Selbst das Theater mußte später in Sidney ganz geschlossen werden, weil die Schauspieler keine Lust mehr hatten, ihre schöne und kostbare Zeit hier mit Komödienspielen, und noch dazu vor leeren Bänken - zu vergeuden. Wer dachte denn in diesem Augenblick daran, ein Theater zu besuchen, wo man alle Hände voll zu thun hatte, um sich für den nächsten Marsch zu rüsten.

      Nie im Leben hatte die Polizei mehr zu thun gehabt, /28/ oder war wenigstens mehr in Anspruch genommen worden, besonders contractbrüchige Arbeiter wieder aufzuspüren, wie flüchtige Seeleute zurück zu bringen, und wie geringen Erfolg erzielte sie mit all' ihrem Eifer. Draußen im Lande war es ohnedies schon entsetzlich schwer, ein irgend näher bezeichnetes Individuum unter all' den gleichmäßigen rothen Hemden aufzufinden, und die in die Minen strömende Schaar nahm überdies noch Partei für jede solche, irgendwie von der Polizei bedrängte Persönlichkeit. Was hatten diese jetzt verfolgten armen Teufel anders gethan als Andere: nämlich Alles abgeschüttelt, was sie hielt, um nur so rasch als irgend möglich hinauf in die goldgespickten Berge zu kommen? Das aber war kein Verbrechen, und wo sie deshalb einem Solchen durchhelfen konnten, thaten sie es mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln.

      Noch waren keine acht Tage vergangen, da sah man schon nicht mehr einzelne Trupps hinein in das innere Land ziehen, sondern die Züge der Goldgräber bildeten eine feste, kaum mehr durch Lücken unterbrochene Kette, und die Polizei bekam jetzt eine ganz andere Arbeit: nicht etwa nach einzelnen weggelaufenen Matrosen hatte sie mehr zu suchen, sondern oben in den Minen die Arbeiten zu überwachen, damit der Krone ihr beanspruchtes und, wie sich auswies, außerordentlich einträgliches Recht gewahrt wurde. Und dies Recht bestand in nichts Geringerem, als von jedem Arbeiter eine monatliche Prämie von dreißig Shillingen einzukassiren, für welchen Preis einem Jeden, Fremden wie Einheimischen, gestattet sein sollte, in den Bergen nach edlen Metallen zu graben und das Gefundene als rechtmäßiges, wohlerworbenes Eigenthum zu behalten.

      Daß sie den Schaaren das Gold suchen nicht mehr gewaltsam verbieten konnte, hatte die Regierung bald herausgefühlt. Eine Revolution, die Alles über den Haufen geworfen hätte, wäre das alleinige Resultat einer solchen Maßregel gewesen, denn die Gier nach Gold ließ sich nicht mehr dämmen. /29/

      4.

      Die Familie Pitt.

      Oben in Georgestreet in Sidney stand ein aus dem trefflichen Sandstein jener Gegend massiv und selbst reich ausgeführtes Wohnhaus, das weder Schild noch Firma trug, und einem Privatmann zu gehören schien, hätte nicht dem wieder das geschäftige Leben widersprochen, das in der Form von Mehlsäcken, Kisten, Ballen und Tonnen durch das schmale Hofthor geführt wurde und den Herrn des Hauses, Mr. Pitt, zeigte, wie er eben eine ziemlich bedeutende Waarensendung persönlich beförderte, die hinauf in die Minen gehen sollte.

      Charley Pitt, wie er von seinen Freunden vertraulich genannt wurde, war in der That das Urbild eines ächt australischen Geschäftsmannes und Familienvaters seiner Zeit, und indem wir uns seine innere Häuslicheit betrachten, thun wir einen vollen und fast erschöpfenden Blick in Hunderte von anderen, eben so betriebenen und gehaltenen Häusern.

      Charley Pitt's Vater war als Convict (Sträfling) auf Lebenszeit nach Australien gesandt worden - ein sogenannter lifer, der daheim irgend ein schweres Verbrechen begangen hatte, und es nun hier in einer neuen Welt zu seinem, wie dem Nutzen des beleidigten Staates abbüßen sollte. Da er sich aber gut und fleißig betrug und seinen Aufsehern keinerlei Ursache zur Klage gab, bekam er mit der Zeit sein ticket of leave, d. h. einen Erlaubnißschein oder Paß, mit dem er sich in der Kolonie selbstständig vermieden konnte, und nur eine gewisse Summe abzugeben hatte und stets unter polizeilicher Aufsicht stand.

      Auch hierbei betrug er sich musterhaft, und da er einst in dem Hause, in dem er arbeitete, mit eigener Lebensgefahr den Ueberfall einer Bande verwegener, vielleicht zur Verzweiflung getriebener Bushranger zurückschlagen half, wurde er im Laufe der Zeit begnadigt und ein „freier Colonist".

      Das änderte aber wenig in seinem Leben. Er hatte sich /30/ schon ein paar Jahre vorher mit einem ebenfalls deportirten Mädchen verheirathet, die ihm einen Sohn gebar und dann starb. Pitt oder, wie er allgemein in der Colonie mit seinem Sträflingsspitznamen hieß, Pumpkin arbeitete ruhig weiter, erzog seinen Sohn so gut, wie es die Umstände nur erlaubten, lebte mäßig und wurde ein reicher Mann, der seinen Knaben endlich sogar nach England schicken konnte, um dessen Erziehung dort zu beenden.

      Charles Pitt kehrte nach vier Jahren in die Colonie zurück und brachte nicht allein vortreffliche Zeugnisse, sondern auch sehr vernünftiger Weise gleich eine Frau mit. Dann errichtete er in Sidney, von seinem Vater dabei auf das Liberalste unterstützt, ein Export- und Importgeschäft, und gehörte bald zu den wohlhabendsten und geachtetsten Bürgern der Stadt.

      Der alte Pitt aber hatte sich draußen vor der Stadt, in der Nähe des Leuchtthurms ein kleines, wohnliches Haus gebaut und eine alte Wirthschafterin gemiethet, die ihm dasselbe mit seiner Wirthschaft in Ordnung hielt. Sein Sohn wünschte allerdings, daß er zu ihm zöge und seine letzten Tage nicht so allein da draußen verbrüte, aber der alte Mann, wenn er auch aus den untersten Schichten der Bevölkerung stammte und in seinem ganzen Leben nicht einmal Lesen oder Schreiben gelernt hatte, fühlte heraus, daß er in die herangewachsene Generation nicht passe und jetzt, bei einer Unzahl neuer und freier Einwanderer, der bürgerlichen Stellung seines Sohnes, den er über Alles liebte, schaden könne. Er war deshalb durch nichts zu bewegen, sich persönlich in der Stadt bei ihm sehen zu lassen, und nur Sonntags mußten ihn seine Enkel, selbst als sie schon herangewachsen waren, besuchen, und feierten dann jedesmal in dem Garten an der wundervollen Bai ein kleines Fest.

      Charles Pitt hatte drei Kinder - einen Sohn von jetzt etwa achtundzwanzig Jahren, eine Tochter Pauline von achtzehn und das jüngste Töchterchen von sechs Jahren - zwei Kinder waren ihm gestorben - und lebte in seinen häuslichen und bürgerlichen Verhältnissen so glücklich, wie nur ein Mann mit einem braven Weib, Kindern, die ihm Freude machen, und keinen Sorgen weiter

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