Die Poggenpuhls. Theodor Fontane

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Die Poggenpuhls - Theodor Fontane

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natürlich wieder eingebracht werden mußte.

      So machte sie sich denn eifrig an ihre vom Brett genommene Kaffeemühle, schüttete, so daß sie nachher nur noch aufzugießen brauchte, das braune Pulver in den Beutel und ging nun, nachdem sie schließlich noch den Teekessel wieder in die Glut gestellt hatte, mit ihrem Holzkorb (dessen Boden übrigens jeden Augenblick herauszufallen drohte) nach vorn, um da das einfensterige Wohnzimmer zu heizen. Hier kniete sie vor dem Ofen nieder und baute Holz und Preßkohlen so kunstgerecht auf, daß es nur eines einzigen Schwefelholzes, allerdings unter Zutat eines aus Zeitungspapier zusammengedrehten Zopfes, bedurfte, den künstlichen Bau in Brand zu setzen.

      Keine halbe Minute verging, so begann es im Ofen auch wirklich zu knacken und zu knistern, und als Friederike nun wußte, daß es brennen würde, stand sie von ihrem Ofenplatz wieder auf, um sich ihrer zweiten Morgenaufgabe, dem Staubabwischen, zu unterziehen. Hierbei, weil das, was sie leistete, die drei Fräuleins doch nie zufriedenstellte, verfuhr sie, so gewissenhaft sie sonst war, ziemlich obenhin und beschränkte sich darauf, eine über dem Sofa hängende Bilderreihe, die Leo, trotzdem es Zeitgenossen waren, die »Ahnengalerie des Hauses Poggenpuhl« zu nennen pflegte, leidlich blank zu putzen. Drei oder vier dieser Bilder waren Photographien in Kabinettformat; die älteren aber gehörten noch der Daguerreotypzeit an und waren so verblichen, daß sie nur bei besonders günstiger Beleuchtung noch auf ihren Kunstwert hin geprüft werden konnten.

      Aber diese »Ahnengalerie« war doch nicht alles, was hier hing. Unmittelbar über ihr präsentierte sich noch ein Ölbild von einigem Umfang, eine Kunstschöpfung dritten oder vierten Ranges, die den historisch bedeutendsten Moment aus dem Leben der Familie darstellte. Das meiste, was man darauf sehen konnte, war freilich nur Pulverqualm, aber inmitten desselben erkannte man doch ziemlich deutlich noch eine Kirche samt Kirchhof, auf welch letzterem ein verzweifelter Nachtkampf zu toben schien.

      Es war der Überfall von Hochkirch, die Österreicher bestens »ajustiert«, die armen Preußen in einem pitoyablen Bekleidungszustande. Ganz in Front aber stand ein älterer Offizier in Unterkleid und Weste, von Stiefeln keine Rede, dafür ein Gewehr in der Hand. Dieser Alte war Major Balthasar von Poggenpuhl, der den Kirchhof eine halbe Stunde hielt, bis er mit unter den Toten lag. Eben dieses Bild, wohl in Würdigung seines Familienaffektionswertes, war denn auch in einen breiten und stattlichen Barockrahmen gefaßt, während die bloß unter Glas gebrachten Lichtbilder nichts als eine Goldhorte zeigten.

      Alle Mitglieder der Familie, selbst der in Kunstsachen etwas skeptische Leo mit einbegriffen, übertrugen ihre Pietät gegen den »Hochkircher« – wie der Hochkirch-Major zur Unterscheidung von vielen andern Majors der Familie genannt würde – auch auf die bildliche Darstellung seiner ruhmreichen Aktion, und nur Friederike, sosehr sie den Familienkultus mitmachte, stand mit dem alten, halb angekleideten Helden auf einer Art Kriegsfuß. Es hatte dies einfach darin seinen Grund, daß ihr oblag, mit ihrem alten, wie Spinnweb aussehenden Staublappen doch mindestens jeden dritten Tag einmal über den überall Berg und Tal zeigenden Barockrahmen hinzufahren, bei welcher Gelegenheit dann das Bild, wenn auch nicht geradezu regelmäßig, so doch sehr, sehr oft von der Wand herabglitt und über die Lehne weg auf das Sofa fiel. Es wurde dann jedesmal beiseite gestellt und nach dem Frühstück wieder eingegipst, was alles indessen nicht recht half und auch nicht helfen konnte. Denn die ganze Wandstelle war schon zu schadhaft, und über ein kleines, so brach der eingegipste Nagel wieder aus, und das Bild glitt herab.

      »Gott«, sagte Friederike, »daß er da so gestanden hat, nu ja, das war ja vielleicht ganz gut. Aber nu so gemalen... es sitzt nich und sitzt nich.«

      Und nachdem sie dies Selbstgespräch geführt und die Ofentür, was immer das letzte war, wieder fest zugeschraubt hatte, tat sie Handfeger und Wischtuch wieder in den Holzkorb und trat leise durch die lange Schlafstube hin ihren Rückzug in die Küche an. Es war aber nicht mehr nötig, dabei so vorsichtig zu sein, denn alle vier Damen waren bereits wach, und Manon hatte sogar den einen nach dem Hof hinausführenden Fensterflügel halb aufgemacht, davon ausgehend, daß vier Grad unter Null immer noch besser seien als eine vierschläfrige Nacht- und Stubenluft.

      Keine Viertelstunde mehr, so kam der Kaffee. Die Damen saßen schon vorn in der warmen Stube, die Majorin auf dem Sofa, Therese in ihrem Schaukelstuhl, während Manon, einen Handwerkszeugkasten vor sich, eben diesen Kasten nach einem etwas längeren Nagel, und zwar für den alten, wieder herabgefallenen »Hochkircher«, durchsuchte.

      »Friederike«, sagte die Majorin, »du solltest dich mit dem Bilde doch etwas mehr in acht nehmen.«

      »Ach, Frau Majorin, ich tu es ja, ich rühr ihn ja beinah nich an; aber er sitzt immer so wacklig... Gott, Manonchen, wenn Sie doch bloß mal einen recht langen fänden oder, noch besser, wenn Sie mal so 'nen richtigen Haken einschlagen könnten. In acht nehmen! Gott, ich denke ja immer dran, aber wenn er denn so mit einmal rutscht, krieg ich doch immer wieder 'nen Schreck. Un is mir immer, als ob er vielleicht seine Ruhe nich hätte.«

      »Ach, Friederike, rede doch nicht solch dummes Zeug«, sagte Therese halb ärgerlich. »Der, gerade der. Als ob der seine Ruhe nicht hätte! Was das nur heißen soll! Ich sage dir, der hat seine Ruhe. Wenn nur jeder seine Ruhe so hätte. Gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Das weißt du doch auch. Und das gute Gewissen, na, das hat er... Aber wo hast du nur wieder die Semmeln her? Die sehen ja wieder aus wie erschrocken, viel erschrockener als du. Ich mag nicht die Budikersemmeln. Warum gehst du nicht zu dem jungen Karchow, das ist doch ein richtiger Bäcker.«

      Es war dies eine zwischen dem Mädchen und dem Fräulein jeden dritten Tag wiederkehrende Meinungsverschiedenheit, und Friederike, die vollkommene Redefreiheit hatte, würde auch heute nicht geschwiegen und ihren alten Satz, »daß man es mit den Kellerleuten nicht verderben dürfe«, tapfer verteidigt haben, wenn es nicht in diesem Augenblick draußen geklopft hätte. »Der Briefträger«, riefen alle drei Schwestern, und gleich danach erschien auch Friederike wieder im Zimmer und brachte die Postsachen: ein Zeitungsblatt unter Kreuzband, eine Holz- und Torfanzeige und einen richtigen Brief. Die Holz- und Torfanzeige flog gleich aufs Ofenblech, das an Sophie adressierte Zeitungsblatt, das wahrscheinlich eine Rezension einiger ihrer eben ausgestellten Aquarellbilder enthielt, wurde beiseite geschoben, und nur der Brief erregte allgemeine Freude. »Von Leo!« riefen die Schwestern und reichten den Brief der Mutter. Diese gab ihn aber an Therese zurück und sagte: »Lies du, Therese. Ein so guter Junge. Aber ich kriege immer einen Schreck. Immer will er was. Und nun ist eben erst Weihnachten gewesen und Neujahr und die Miete...«

      »Ach, Mutter, du ängstigst dich immer gleich so. Man sieht doch, daß du keine Soldatentochter bist.«

      »Nein, bin ich nicht. Und ist auch recht gut so. Wer sollte sonst das bißchen zusammenhalten?«

      »Wir.«

      »Ach, ihr...! Aber nun lies, Therese. Mir schlägt ordentlich das Herz.«

      »... Liebe Mama! Weihnachten war es nichts. Urlaub hätte mir das Regiment vielleicht gegeben, aber das Reisegeld! Sie reden immer soviel jetzt von billigen Fahrpreisen, aber ich finde sie viel zu hoch, ganz unnatürlich hoch. Und da Wendelin auch sagte, ›'s geht nich, Leo‹, so ging es nicht, und ich habe unten bei Schlächtermeister Funke, meinem Wirte, wie Ihr wißt, die Weihnachtsbescherung mit angesehen. Alles war sehr gerührt, auch Funke. Man sollte es nicht für möglich halten. Denn gerade in der Weihnachtszeit wurde immer geschlachtet, und ich konnte das Gequietsche der armen Biester mitunter gar nicht mehr mit anhören, und Funke immer in Person dabei. Und nun doch gerührt. Übrigens war die frische Wurst und besonders der Preßkopf ganz vorzüglich. In bezug auf Verpflegung bleibt hier in Thorn überhaupt nichts zu wünschen übrig, nur der Geist darbt, und das Herz darbt. Überhaupt scheint darben mein Los. Ach, Mutter, warum bist du keine geborene Bleichröder...?«

      »Empörend«, unterbrach hier Therese ihre Vorlesung. »Wir haben schon Manon mit ihren ewigen Bartensteins, und nun fängt Leo auch noch

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