Die Poggenpuhls. Theodor Fontane

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Die Poggenpuhls - Theodor Fontane

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war es nichts. Indessen das Jahr hat auch noch andre große Tage. Der größte aber ist der 4. Januar, wo meine gute Alte, geborene Pütter, geboren wurde. Dieser Tag ist übermorgen, und ich werde gestiefelt und gespornt antreten, um meine Glückwünsche persönlich überbringen zu können.«

      »Nicht zu glauben. Weihnachten kein Geld, und zwei Tage nach Neujahr, wo doch die vielen Rechnungen kommen, will er die teure Reise machen.«

      »Es wird sich ja wohl alles aufklären, Mama«, sagte Manon. »Und mutmaßlich noch in diesem Briefe. Höre nur weiter.«

      »... Es geschehen nämlich immer noch Zeichen und Wunder, und mitunter ist es mir, als ob der Unglauben und alle solche häßlichen Zeiterscheinungen abgewirtschaftet hätten. Auch der Adel kommt wieder obenauf, und ganz zuoberst der arme Adel, das heißt also die Poggenpuhls. Denn daß wir diesen in einer Art von Vollendung, oder sag ich Reinkultur, darstellen, darüber kann kein Zweifel sein. Aber zur Sache, wie die Parlamentarier sagen. Und so vernimm denn, am Silvesterabend noch ein Bettler (allerdings ein glücklicher, denn wir brachten es im Kasino auf sieben Bowlen in Großformat) und am 1. Januar früh ein Gott, ein Krösus. Krösus ist nämlich immer das Höchste, was man auch Klimax nennt. Schon um zehn klopft es, ich reiße mich aus meinem Morgentraum und empfinde einen gewissen bleiernen Zustand, aber nicht auf lange. Denn wer stand vor mir? Oktavio? Nein, nicht Oktavio. Wir wollen ihn heute lieber Wendelin nennen. Und was er sagte, war das Folgende: ›Leo‹, sagte er, ›du hast Glück. Geldschiff angekommen.‹

      ›Für mich?‹ frag ich.

      ›Nein, für dich nicht, wenigstens nicht unmittelbar. Aber doch für mich. Das Militärwochenblatt hat mir heute früh das Honorar geschickt.‹

      ›Viel?‹ unterbrach ich ihn wieder in höchster Erregung.

      ›Das Militärwochenblatt schickt immer viel‹, antwortete er ruhig und legte dabei drei Zwanzigmarkscheine vor mich hin. Ich, geblendet, als ob es nicht Scheine, sondern das reine pure Gold wäre, will mich blindlings und dankbar auf ihn losstürzen, aber er wehrt mich vornehm ab und sagt nur: ›Alles deine, Leo; aber nicht zum Verkneipen. Übermorgen früh reist du nach Berlin.‹«

      »Der gute Wendelin! Er schickt ihn dir, weil er weiß, daß er dein Liebling ist«, unterbrach hier Manon und streichelte der Mama die Hände. Therese aber las weiter: »... ›Vier Uhr nachmittags bist du da, benimmst dich nett und hilfst am andern Morgen den Geburtstag mitfeiern. Nach Kaisers Geburtstag kommt Mamas Geburtstag. Das ist Poggenpuhlscher Katechismus. Und nun zieh dich an und geh eine Stunde spazieren. Denn du stehst da wie Silvester in seiner letzten Stunde.‹ Unter diesen Worten verließ er mich wie ein Fürst. Und ich werde tun, wie er befohlen hat, und Dienstag nachmittag bei Euch eintreffen. Vier Uhr. Tout à vous ma Reine-mère. Dein glücklicher, verdrehter, wohlaffektionierter Leo I.«

      Die beiden jüngeren Schwestern klatschten in die Hände, ja, selbst Therese, soviel sie an diesem Übermut auszusetzen hatte, freute sich des Besuchs. Nur die Mutter sagte: »Ja, da soll ich mich nun freuen. Aber kann ich mich freuen? Herkommen wird er ja wohl gerade mit dem Geld, aber wenn er hier ist, müssen wir ihm doch ein paar gute Tage machen, und wenn er auch bescheiden in seinen Ansprüchen ist, so muß er doch den dritten Tag wieder zurück, und dafür müssen wir aufkommen.«

      »Sprich doch nicht immer davon«, sagte Therese.

      »Ja, Therese, du denkst immer, ein Livreediener wird dir eine Kassette bringen mit der Aufschrift ›Dem tapferen Hause Poggenpuhl‹, aber das sind alles Märchengeschichten, und der Mann am Schalter, der die Fahrkarten verkauft, ist eine unerbittliche Wirklichkeit.«

      »Ach, Mama«, sagte Sophie, »damit mußt du dir die Vorfreude nicht verderben. Es geschehen noch Zeichen und Wunder, so hat er geschrieben, und wenn sie nicht geschehen, so laß ich mir auf meine letzten Bilder einen Vorschuß geben, und wenn auch das nicht geht, so...«

      »Nun, so haben wir immer noch die Zuckerdose«, warf Manon ein.

      »Ja, die soll jedesmal aushelfen. Aber mit einemmal ist sie doch weg.«

      »Was schließlich auch nichts täte«, fuhr Manon beschwichtigend fort. »Dann schenken uns Bartensteins eine neue: Frau Bartenstein sagte mir noch neulich: ›Liebe Manon, haben Sie denn gar keinen Wunsch?‹ Ja, Mama, so liegt es, Gott sei Dank, und ich bin nur traurig, daß ich heute abend, wenn Leo kaum angekommen ist, auf die Polterabendprobe muß. Aber am Ende könnt ich ihn mitnehmen. Ich habe schon lange meine Gedanken darüber und möchte mich verwetten, daß Flora sich aufrichtig freuen würde.«

      »Du vergißt immer, daß er des Königs Rock trägt.«

      »Ach, Therese, das ist ja kleinlich und altmodisch und ganz überholt. Unser Kronprinz ist Kronprinz und trägt auch des Königs Rock, und wenn er noch nicht bei Bartensteins war, so war er doch woanders. Aber ebenso.«

      »Nun, wir werden ja sehen«, sagte Therese, die zwar kritisch zu den Bartensteins stand, aber schließlich auch froh war, daß sie existierten.

      Drittes Kapitel

      Der nächste Tag kam. Als es am Nachmittag schon dämmerte, hielt eine Droschke vor dem Hause, und Mutter und Töchter sahen alsbald vom Fenster aus, wie Friederike nach vergnüglicher Begrüßung mit Leo den kleinen Offizierskoffer vom Kutscherbock nahm und an Agnes Nebelung vorbei – die, weil sie den Leutnant gern sehen wollte, dicht neben dem Trottoir Aufstellung genommen – auf die Haustür zuschritt. Leo folgte. Schon auf der von den Schwestern en échelon besetzten Treppe wurden Küsse gewechselt, oben aber stand die Mama. »Tag, meine gute Alte«, und nun wieder ein Kuß. Allerhand konfuse Sätze, die gar nicht paßten, flogen hin und her, und nun trat Leo von der guten Stube her in das einfensterige Wohnzimmer, legte Paletot und Säbel ab, zupfte vor dem Spiegel seinen etwas raufgerutschten Waffenrock zurecht und sagte, während er sich mit einem strammen Ruck vom Spiegel her umdrehte: »Na, Kinder, da wär ich mal wieder. Wie findet ihr mich?«

      »Oh, wundervoll.«

      »Danke schön. So was tut immer wohl, wenn's auch nicht wahr ist, man kann beinahe sagen, es erquickt. Aber apropos, Erquickung. Trotz der frischen Luft, ich bin kolossal durstig; seit sieben Stunden nichts als eine Sardellensemmel; wenn ihr ein Glas Bier hättet.«

      »Gewiß, gewiß. Friederike kann ein Seidel echtes holen.«

      »Nein, nein; nichts holen. Und wozu? Wasser tut's auch«, und er stürzte mit einem Zug ein Glas Wasser hinunter, das ihm Manon gereicht hatte. »Brr. Aber gut.«

      »Du bist so hastig«, sagte Manon. »Das bekommt dir nicht. Ich denke, du trinkst nun erst eine Tasse Kaffee. Wir haben jetzt halb fünf. Und um sieben dann einen Imbiß.«

      »Sehr gut, Manon, sehr gut. Nur die Reihenfolge läßt sich vielleicht ändern. Das Wasser hab ich intus; nehme ich nun auch noch gleich den Kaffee, so gibt das zuviel Flüssigkeit, nutzlose Magenerweiterung, also so gut wie Schwächung. Und man braucht seine Kräfte, oder, sagen wir, das Vaterland braucht sie.«

      »Du meinst also...«

      »Ich möchte mir zu meinen erlauben: Umkehr der Wissenschaft; erst Imbiß, dann Kaffee. Denn wenn mein Durst groß war, mein Hunger kommt gleich danach. In sieben Stunden...«

      »Das hast du ja schon gesagt.«

      »Ja, Wahrheiten drängen sich immer wieder auf. Nun sagt, was habt ihr?«

      »Eine Ente.«

      »Kapital.«

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