Tante Lisbeth. Honore de Balzac

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tante Lisbeth - Honore de Balzac страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Tante Lisbeth - Honore de Balzac

Скачать книгу

wie die Blumen des Rauhreifs um den Halm, den der Wind zufällig an ein Fenster gedrückt hat. Seit zehn Monaten ahnte sie etwas vom Vorhandensein dieses phantastischen Liebhabers der Tante Lisbeth, an deren ewige Ehelosigkeit sie ebenso fest wie ihre Mutter glaubte, und vor acht Tagen hatte sich ihnen diese imaginäre Gestalt zu einem Grafen Stanislaus Steinbock verkörpert. Der Traum war damit zur Wirklichkeit geworden, und der nebelhafte Schatten hatte die leibhafte Gestalt eines jungen dreißigjährigen Mannes angenommen. Das Petschaft, das Hortense in der Hand hielt, wirkte zauberkräftig wie eine Verkündigung, in der sich ihr ein Genie offenbarte, wie ein Talisman. Hortense fühlte sich so glücklich, daß sie beinahe an der Wahrheit dieses wunderschönen Märchens zweifeln mochte. Ihr Blut fieberte; sie lachte wie närrisch.

      »Die Tür zum Salon ist offen, wie mir scheint«, bemerkte Tante Lisbeth. »Laß uns nachsehen, ob Herr Crevel wieder fort ist!«

      »Mutter ist seit zwei Tagen so traurig. Sicherlich hat sich die Partie, um die es sich handelte, zerschlagen.«

      »Unsinn! Das wird sich schon wieder einrenken. Es handelt sich – soviel kann ich dir sagen – um einen Königlichen Regierungsrat. Möchtest du gern Frau Regierungsrätin werden? Wenn es von Herrn Crevel abhängt, dann erzählt er mir gewiß etwas davon. Morgen werde ich wissen, ob Aussicht ...«

      »Tantchen, laß mir das Petschaft!« bat Hortense. »Ich zeig es niemandem! In vier Wochen ist Mutters Geburtstag; an dem Tage gebe ich es dir früh zurück.«

      »Nein, gib es mir gleich wieder! Es fehlt das Kästchen dazu.«

      »Ich möchte es nämlich gern Papa zeigen, damit er dem Minister gut unterrichtet davon erzählen kann.«

      »Nun gut, aber zeige es deiner Mutter nicht! Weiter verlange ich nichts. Wenn sie wüßte, daß ich wirklich einen Schatz habe, würde sie mich auslachen.«

      »Ich verspreche es dir.«

      Die beiden gelangten gerade in dem Augenblick an die Tür des Damenzimmers, als die Baronin ohnmächtig wurde; aber der Schrei, den Hortense darüber ausstieß, genügte, um Adeline wieder zu sich zu bringen. Lisbeth lief nach Riechsalz. Als sie damit zurückkam, fand sie die Tochter in den Armen der Mutter. Die Baronin suchte sie mit den Worten zu beruhigen: »Es ist nichts; es sind nur die Nerven. Da kommt dein Vater«, fügte sie hinzu. Sie hatte ihn an seiner Art zu klingeln erkannt. »Sag ihm ja nichts davon!«

      Adeline erhob sich, um ihrem Gatten entgegenzugehen und ihn in den Garten zu führen, wo sie ihm noch vor Tisch von dem vereitelten Heiratsplan berichten, ihn über seine Zukunftspläne befragen und ihm einige Ratschläge geben wollte.

      Der Baron von Hulot bewahrte noch immer seine parlamentarische napoleonische Haltung. Man kann die »Kaiserlichen« leicht erkennen an ihrem soldatischen Wesen, an ihrer Art, sich zu kleiden, an der Gewohnheit, den Rock bis oben zuzuknöpfen, an den schwarzen Seidenkrawatten und an dem ganzen selbstbewußten Auftreten, dem man unbedingtes Herrentum ansieht, das sich die Umgebung des Kaisers in den so häufigen und wechselvollen Lagen angeeignet hatte. Nichts verriet das hohe Alter des Barons. Seine Augen waren noch so scharf, daß er ohne Glas las; sein hübsches ovales Gesicht, das ein vielleicht allzu dunkler Bart schmückte, war von frischer roter Farbe infolge von vielen kleinen Äderchen in der Haut. Sein durch einen Gürtel gehaltener Bauch vermehrte, wie Brillat-Savarin sagt, seine Würde. Sein uraristokratisches und höchst leutseliges Wesen nahmen jeden sogleich für diesen alten Schwerenöter ein, mit dem Crevel so manchen lustigen Abend verlebt hatte. Er war einer von den Männern, deren Augen beim Anblick einer hübschen Frau aufleuchten, die jeder Schönen zulächeln, selbst denen, die nur vorübergehen und nie wiederkehren.

      »Hast du eine Rede gehalten, lieber Hektor?« fragte Adeline, als sie seine sorgenvolle Stirn bemerkte.

      »Nein«, antwortete Hektor, »aber ich bin todmüde. Stundenlange Reden, ohne daß es zur Abstimmung gekommen wäre. Nichts als Wortgeplänkel! Wie Kavallerieattacken, die nicht durchstoßen! Man hat das Wort an die Stelle der Tat gesetzt, und die Leute, die an Taten gewöhnt sind, haben wenig Freude daran. Ich habe das auch zum Marschall beim Abschied gesagt. Na, man hat sich lange genug am Regierungstische gelangweilt; hier wollen wir vergnügt sein ... Aha, die Wildkatze! Guten Tag, Wildkatze!«

      Dann umarmte und küßte er seine Tochter, neckte sie und zog sie auf seine Knie, indem er ihren Kopf auf seine Schulter legte, um ihr schönes goldiges Haar an seinem Gesichte zu fühlen.

      Er ist müde und verstimmt, dachte Frau Hulot, und nun muß ich ihm die Laune gleich noch mehr verderben.

      »Bleibst du heute abend bei uns?« fragte sie.

      »Nein, Kinder. Nach Tisch verlaß ich euch wieder. Wenn der Tag nicht meinem Bruder, meinen Kindern und der Wildkatze gehörte, so hättet ihr mich überhaupt nicht zu sehen bekommen.«

      Die Baronin nahm die Zeitung, überflog den Theaterplan und legte das Blatt wieder hin. Unter der Opernrubrik hatte sie »Robert der Teufel« gelesen. Josepha, die seit einem halben Jahre die Italienische mit der Französischen Oper vertauscht hatte, sang die Alice. Dieses stumme Spiel entging dem Baron nicht; er sah seine Frau scharf an. Adeline senkte den Blick und trat hinaus in den Garten, wohin er ihr folgte.

      »Na, was hast du, Adeline?« fragte er, indem er sie um die Taille faßte und fest an sich drückte. »Weißt du nicht, daß ich dich mehr liebe als ...?«

      »Mehr als Jenny Cadine und Josepha?« unterbrach sie ihn mutig.

      »Wer hat dir denn das gesagt?« fragte der Baron, indem er seine Frau losließ und unwillkürlich einige Schritte zurückprallte.

      »Ich habe einen anonymen Brief bekommen, den ich verbrannt habe. Darin stand, daß Hortenses Heirat an der Lage, in der wir uns befänden, gescheitert sei. Mein lieber Hektor, als deine Frau hätte ich nie etwas gesagt. Ich kannte dein Verhältnis mit Jenny Cadine. Habe ich mich je darüber beklagt? Aber als Hortenses Mutter bin ich dir Offenheit schuldig.«

      Nach einem Augenblick des peinlichsten Schweigens, während dem man die Herzen schlagen hören konnte, breitete Hulot die Arme aus, drückte seine Frau an sich, küßte sie auf die Stirn und sagte mit der ganzen Übertreibung momentaner Begeisterung: »Adeline, du bist ein Engel, und ich bin ein schlechter Mensch!«

      »Nein, nein!« rief die Baronin und legte ihm rasch die Hand auf den Mund, um zu hindern, schlecht von sich selbst zu sprechen.

      »Na ja. In diesem Augenblick könnte ich Hortense keinen Pfennig mitgeben. Ich bin sehr unglücklich. Aber da du mir dein Herz geöffnet hast, kann ich dir auch die Sorgen beichten, die mich fast erdrücken. Daß dein Onkel Fischer in Geldverlegenheiten ist, das ist auch meine Schuld; er hat mir nämlich eine Wechselbürgschaft von fünfundzwanzigtausend Francs geleistet! Eines Weibes wegen, das mich betrügt, das in meiner Abwesenheit über mich lacht, mich einen angestrichenen alten Kater nennt! – Ach, es ist entsetzlich, daß es mehr Geld kostet, einem Laster zu frönen als eine Familie zu ernähren! Und doch kann man nicht widerstehen. Ich könnte dir in diesem Augenblick versprechen, niemals wieder zu dieser abscheulichen Jüdin zurückzukehren; aber wenn sie mir nur zwei Zeilen schreibt, so eile ich doch wieder hin, wie man unter dem Kaiser ins Gefecht ging.«

      »Quäle dich nicht, Hektor!« sagte die arme verzweifelte Frau und vergaß ihre Tochter über den Tränen in ihres Mannes Augen. »Siehst du, ich habe noch meine Brillanten. Rette damit vor allem meinen Onkel!«

      »Deine Brillanten sind heute kaum zwanzigtausend Francs wert. Das würde Vater Fischer gar nichts nützen. Behalte sie darum für Hortense! Morgen rede ich mit dem Marschall!«

      »Armer

Скачать книгу