Die Schatzinsel. Robert Louis Stevenson

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Die Schatzinsel - Robert Louis Stevenson

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      Kaum lag ich in diesem Versteck, da begannen auch meine Feinde schon sichtbar zu werden. Es waren sieben oder acht Männer; sie liefen schnell, ihre Schritte klangen laut auf der Landstraße, und der Mann mit der Laterne war den anderen um ein Stückchen voraus. Drei von ihnen liefen mit angefassten Händen, und ich konnte trotz dem Nebel sehen, dass der Mann in der Mitte der blinde Bettler war.

      Im nächsten Augenblick gab seine Stimme mir die Gewissheit, dass meine Vermutung richtig gewesen war; denn er schrie:

      »Schlagt die Tür ein!«

      »Jawohl, Herr!« antworteten zwei oder drei Stimmen, und die ganze Bande stürmte auf den »Admiral Benbow« los; der Laternenträger kam zuletzt. Dann konnte ich sehen, wie sie stillstanden, und hörte sie leise sprechen, wie wenn sie überrascht wären, dass sie die Tür offen fanden. Aber die Pause war nur kurz, denn der Blinde gab sofort neue Befehle aus. Seine Stimme klang lauter und heller, wie wenn er eifrig und wütend wäre.

      »Hinein, hinein, hinein!« brüllte er und fluchte über ihre Langsamkeit. Vier oder fünf von den Männern gehorchten ihm sofort; zwei blieben bei dem schrecklichen Bettler auf der Straße. Es folgte eine Pause, dann hörte ich einen Ausruf der Überraschung, und dann brüllte eine Stimme aus dem Hause heraus:

      »Bill ist tot!«

      Aber der Blinde fluchte wieder und schalt sie wegen ihrer Langsamkeit.

      »Sucht an seiner Leiche, ein paar von euch feigen Hunden, und die übrigen gehen nach oben und holen die Kiste!« rief er.

      Ich hörte, wie sie unsere alte Treppe hinaufpolterten; das ganze Haus muss davon gezittert haben. Gleich darauf kam wieder ein erstauntes Geschrei; das Fenster in des Kapteins Stube wurde aufgestoßen, und eine Glasscheibe klirrte; Kopf und Schultern eines Mannes, der sich weit hinauslehnte, wurden im Mondschein sichtbar. Er rief zu dem blinden Bettler herunter, der immer noch auf der Straße stand:

      »Pew! Sie sind uns zuvorgekommen! Sie haben die Kiste schon um und um gekehrt!«

      »Ist es da?« brüllte Pew.

      »Das Geld ist da.«

      »Zum Geier mit dem Geld!« fluchte der Blinde; »ich meine: ist Flints Schrift da?«

      »Wir sehen hier nichts davon!« antwortete der Mann von oben.

      »Heda! Ihr da unten – ist sie an Bills Leib?« schrie der Blinde wieder.

      Hierauf kam ein anderer von den Kerlen – wahrscheinlich jener, der unten geblieben war, um des Kapteins Leiche zu durchsuchen, vor die Haustür und sagte:

      »Bill war schon durchsucht; sie haben nichts übriggelassen.«

      »Es sind die Leute von der Wirtschaft – es ist der verdammte Bengel. Ich wollte, ich hätte ihm das Lebenslicht ausgeblasen!« rief der Blinde, Pew. »Sie waren gerade eben noch hier – sie hatten die Tür verriegelt, als ich hinein wollte. Auseinander, Jungens, sucht sie!«

      »Allerdings, sie haben ihre Funzel hier gelassen,« sagte der Mann am Fenster.

      »Auseinander und sucht sie! Stöbert das ganze Haus durch!« wiederholte Pew und schlug mit seinem Stock auf den Boden.

      Nun folgte ein großes Hallo durch unsern ganzen alten Gasthof; schwere Stiefel trampelten auf und ab, Tische und Stühle wurden umgeschmissen, Türen eingetreten, dass die ganzen Felsen davon widerhallten. Aber einer nach dem anderen kamen die Männer wieder heraus auf die Straße und erklärten, wir seien nirgends zu finden. Und gerade in demselben Augenblick hörte ich wieder das Pfeifen, das meine Mutter und mich aufgeschreckt hatte, als wir des toten Kapteins Geld zählten; es war wieder ebenso deutlich vernehmbar, aber diesmal war es ein Doppelpfiff. Ich hatte gedacht, es sei sozusagen die Trompete des Blinden, durch die er seine Leute zum Sturmangriff gesammelt hätte; jetzt aber begriff ich, dass es ein Signal von der Bergeshöhe an der Dorfseite war, und zwar, wie aus der Wirkung auf die Freibeuter hervorging, ein Warnungszeichen, dass Gefahr herannahe.

      »Da pfeift Dirk wieder,« sagte einer von den Leuten. »Zweimal! Wir werden ausreißen müssen. Kameraden!« »Ausreißen, »Schafskopf!« schrie Pew. »Dirk war ein Dummkopf und ein Feigling von Anfang an – um den braucht ihr euch nicht zu kümmern. Sie müssen ganz dichtebei sein, sie können nicht weit gekommen sein; ihr habt ja das Ding in der Hand! Sucht sie doch, ihr Hunde! Oh, Gottverdammich! Wenn ich Augen hätte!«

      Diese Aufforderung schien einige Wirkung zu haben; denn zwei von den Kerls begannen hier und da herumzusuchen; aber sie waren nicht recht bei der Sache, so kam es mir vor, und dachten die ganze Zeit über halb und halb an ihre eigene Gefahr; alle übrigen standen unentschlossen auf der Landstraße.

      »Ihr habt Tausende zum Zugreifen, ihr Dummköpfe, und ihr wisst nicht, was ihr tun wollt! Ihr wäret so reich wie Könige, wenn ihr's finden könntet, ihr wißt, dass es hier ist, und ihr steht herum und döst! Unter euch allen war keiner, der es wagte, vor Bill zu treten, und ich, ich tat es – ein blinder Mann! Und nun soll ich euretwegen alle meine Aussichten verlieren! Soll ein armer, winselnder Bettler sein, der kaum seinen Schluck Rum hat, während ich in einer Kutsche fahren könnte! Wenn ihr bloß so viel Schneid hättet wie ein Mehlwurm in einem Zwieback, so würdet ihr sie jetzt noch fangen.«

      »Hol's der Henker, Pew, wir haben ja die Dublonen,« knurrte einer.

      »Vielleicht haben sie das verdammte Ding versteckt,« sagte ein anderer; »nimm die Guineen, und steht hier nicht herum, euch zu streiten.«

      Streiten war das rechte Wort; denn Pews Ärger wurde infolge dieser Einwendungen so groß, dass er seine Leidenschaft nicht mehr beherrschen konnte und trotz seiner Blindheit nach links und rechts auf sie losschlug, und mehr als einmal verkündigte mir ein dumpfer Ton, dass er einen getroffen hatte.

      Die Leute dagegen schimpften wieder auf den blinden Kerl, drohten ihm mit fürchterlichen Flüchen und versuchten vergeblich, den Stock zu packen und ihm denselben zu entwinden.

      Diese Balgerei war unsere Rettung; denn während die Prügelei noch in vollem Gange war, kam von der Höhe des Berges über dem Dorf ein anderes Geräusch – die Hufschläge galoppierender Pferde. Beinahe gleichzeitig fiel ein Pistolenschuh mit Blitz und Knall von der Hecke her. Offenbar war dies das letzte Warnungssignal; denn die Freibeuter machten sofort kehrt und liefen nach den verschiedensten Richtungen auseinander: einer am Strande der Bucht entlang, seewärts, ein anderer schnurstracks den Berg hinauf und so weiter, so dass in einer halben Minute von ihnen keine Spur mehr vorhanden war – außer Pew. Den hatten sie im Stich gelassen – ob aus reiner Angst oder um sich wegen seiner Schimpfereien und Schläge zu rächen, das weiß ich nicht. Jedenfalls blieb er allein zurück, tappte wie rasend auf der Landstraße hin und her, tastete mit seinem Stock um sich und rief nach seinen Kameraden. Schließlich geriet er in die falsche Richtung, lief ein paar Schritte an mir vorbei nach dem Dorfe zu und schrie: »Johnny, Schwarzer Hund, Dirk!« – und was er sonst noch für Namen nannte – »Ihr werdet doch den alten Pew nicht im Stich lassen, Kameraden! Denkt doch an den alten Pew l«

      Gerade in diesem Augenblick wurden die Pferde auf der Höhe sichtbar, und vier oder fünf Reiter sprengten im Mondschein in vollem Galopp den Abhang hinunter.

      Da begriff Pew seinen Irrtum; er kreischte auf, drehte sich um und lief in den Graben hinein, so dass er zu Fall kam. Aber er war in einer Sekunde wieder auf den Füßen und machte von neuem einen Sprung; er war jedoch so verwirrt, dass er geradezu in die Pferde hineinlief.

      Der

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