Magisches Kompendium - Chaosmagie - Erste Schritte der chaosmagischen Theorie und Praxis. Frater LYSIR
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Man könnte dieses „Starren“ auch mit der Spiegelmagie kombinieren, sodass man sich selbst vor dem Spiegel setzt, den Punkt zwischen seinen Augen, seine Nasenwurzel, mit starrem Blick fixiert, um sich dann in seine eigenen Tiefen führen zu lassen. Auch hier würde man, in der Theorie der Spiegelmagie, in seinen Abgrund stoßen können, und sein wahres, animalisches, chaotisches Selbst zu erkennen. Man könnte dies auch noch weiter führen, indem man in die erste Hochkultur der Menschheit geht, sodass man sich hier das sumerische Reich anschaut, das sumerische Pantheon. Das sumerische Pantheon ist eigentlich perfekt für die Chaosmagie, denn ganz am Anfang waren die jeweiligen Prinzipien keine Götter gewesen, sondern ausschließlich philosophische Maximen und Gedankenkonstrukte. Erst im weiteren Verlauf wurden diese archetypischen Schwingungen „vergöttlicht“. Da natürlich das Chaos und der Kosmos essenzielle Prinzipien sind, ist es natürlich nicht überraschend, dass auch die sumerische Mythologie entsprechende Geschichten aufzuweisen hat. Hierbei geht es aber nicht um einen Abgrund oder um eine Leere, nein, hier geht es um Wasser, speziell um Salzwasser und Süßwasser. Namentlich sind hier die philosophischen Prinzipien „Tiamat“ und „Apsu“ zu thematisieren und zu nennen, Prinzipien die für die Schöpfung und für die Vernichtung stehen. Doch wie schon erwähnt, die Konzepte „Tiamat“ und „Apsu“ sind in den sumerischen Ideologien KEINE direkten Götter, nein, sie waren archetypische Grundprinzipien, und wurden auch als solche verstanden. So wurde also in der sumerischen Mythologie erkannt, dass die Schöpfung mit dem Leben, mit dem Süßwasser verknüpft sein muss, genauso wie die Vernichtung (gleichzeitig aber auch die Neuwerdung) mit dem Salzwasser verknüpft ist. In der sumerischen Mythologie bedeutet Schöpfung, dass hier eine Kreation stattfand, eine Kreation AUS dem Chaos und im Grunde auch DURCH das Chaos und MIT dem Chaos. Und genau dies ist auch wieder die Chaosmagie! Durch das Chaos, durch die Chaosmagie wird erschaffen, aus dem Chaos, aus der Chaosmagie wird erschaffen, mit dem Chaos, mit der Chaosmagie wird erschaffen! Doch wenn etwas erschaffen wird, muss es jedoch irgendwo herkommen. In diesem Zusammenhang greifen manche Chaosmagier dann doch ganz gerne auf die Physik zurück, sodass hier auch immer wieder Fachwörter verwendet werden, Fachwörter die neben der Quantenphysik gerne in den chaosmagischen Büchern thematisiert werden. Nun ja, dies ist kein großes Problem, doch es ist immer ein wenig albern, wenn auf der einen Seite propagiert wird, dass man sich in der Chaosmagie gefälligst an keine Regeln halten soll, und man gleichzeitig ganz brav in der deduktiven Naturwissenschaft immer wieder Angst hat, um hier die Chaosmagie mit der Naturwissenschaft zu verbinden.
Sicherlich, die Chaosmagie bestimmt jeder für sich, sodass es vollkommen legitim ist, wenn man hier die Wissenschaft mit ins Boot holen will. Doch sollte man dies dann auch klar und deutlich sagen. Und natürlich gibt es hier entsprechende Fachvokabeln, die perfekt für eine Erklärung sind. Nehmen wir doch einfach mal die Vokabel „Energie“!
Wenn man hier die Naturwissenschaft und die Magie, oder auch die Esoterik bzw. die Spiritualität, verknüpfen will, dann findet man hier nicht nur ein machtvolles Wort, nein, man findet auch eine Vokabel, die gigantisch viel Streitpotenzial besitzt. Oh ja, die Vokabel „Energie“ kann sehr heftige Diskussionen zwischen Physikern, andere Naturwissenschaftlern und letztlich spirituellen, esoterischen und magischen Menschen auslösen. Es geht meistens darum, dass sie Naturwissenschaftler sich aufregen, dass hier der Begriff „Energie“ missbraucht wird, um alle erdenklichen obskuren magischen Phänomene irgendwie zu erklären, und am besten auch noch kapitalistisch auszuschlachten. Ich kann die Naturwissenschaftler da ganz gut verstehen, doch gleichzeitig will ich hier klar und deutlich sagen, dass auch diese Gruppe keine Wörter gepachtet hat. Man muss ganz einfach akzeptieren, dass der Begriff Energie sich sehr weit verbreitet hat, sodass er in der Alltagssprache nicht mehr wegzudenken ist. Stück für Stück hat sich also diese Vokabel in das menschliche System eingeschlichen, sodass hier wieder Muster und Programme bedient werden, sodass hier Kaskaden ausgelöst werden, wodurch Stück für Stück unterschiedliche Vorstellungen des Menschen keimen, die sich dann eben auf das Wörtchen „Energie“ beziehen.
Auch die Chaosmagie setzt sehr oft auf das Wörtchen „Energie“, da natürlich mit dieser Vokabel sehr viel erklärt werden kann. Eine solche Erklärung ist in der Physik manchmal sehr wichtig, sodass die Verwendung des Wörtchens „Energie“ im wortwörtlichen Sinne „Kraft“ kostet. Dieser Kraftakt bezieht sich darauf, dass die Bezeichnung „Energie“, so wie sie heute von der Physik verwendet wird, primär auf den Physiker William John Macquorn Rankine (05.07.1820 - 24.12.1872) basiert, der diese Vokabel „Energie“ ca. 1852 eingeführt hat, wodurch eine deutliche Definition bzw. Abgrenzung zum physikalischen Begriff der „Kraft“ geschaffen wurde. Doch auch der Physiker Thomas Young (13.06.1773 - 10.05.1829) muss hier genannt werden, denn dieser hatte den Begriff Energie bereits im Jahr 1800 in einem mechanischen Zusammenhang verwendet, wobei hier aber keine klare Trennung bzw. keine klare Grenzziehung zur eigentlichen „Kraft“ vollzogen wurde.
In der Chaosmagie wird man auch immer wieder auf Kräfte und auf Energien stoßen, da aber die Chaosmagie sich auch in allen anderen magischen Systemen bedienen kann, will ich hier auch die verschiedenen anderen Bezeichnungen aufführen, die man mit diesem Begriff, mit dem Wörtchen Energie, verbinden kann. Energie! In der klassischen magischen Literatur wird man auch ganz andere Wörter finden, Wörter die sich auch wieder aus verschiedenen Kulturen und Zivilisationen gebildet haben, genauso wie Wörter, die bewusst und künstlich erfunden wurden. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Begrifflichkeiten „Prana“ (Sanskrit; Lebenskraft oder Lebensenergie), „Chi/Qi“, „Ki“, „Gi“ (chinesisch, japanisch, koreanisch; Energie, Atem, Fluidum, Luft, Gas, Dampf, Hauch, Äther, Temperament, Kraft, Atmosphäre), „Od“ (von Carl Ludwig Friedrich von Reichenbach [12.02.1788 – 19.01.1869]; Industrieller, Chemiker, Naturforscher und Philosoph, „erfand“ einen Begriff, der sich vom Gott Odin ableitet und mit „Lebenskraft“ oder „Lebensenergie“ übersetzt werden kann), „Mana“ (aus der Sprache der Maoir; es bedeutet so viel wie Macht [die spiritueller als auch weltlicher Natur sein kann], aber primär auf eine spirituelle Energie [ähnlich dem Chi, Qi, Ki, Gi] deutet) oder „Orgon“ (von Wilhelm Reich [24.03.1897 - 03.11.1957]; Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe, „erfundene“ biologische, später kosmische Energie).
Man sieht also, dass man hier schon ein kleines Wörterchaos besitzt, ein Wörter Chaos, was jedoch eine ganz besondere Ordnung beschreibt. Man wird erkennen, dass die ganzen Vokabeln letztlich immer einen inneren Vorgang beschreiben, der zwar bewusst erfahren wird, aber nicht immer gezielt mit Worten beschrieben werden kann. Chaotisch, nicht wahr? Wenn man jetzt mit verschiedenen Metaphern arbeiten würde, würde man viel mehr „Chaos“ als „Kosmos“ erzeugen. Daher wird sehr oft versucht, adäquate Bezeichnungen zu finden, Bezeichnungen wie zum Beispiel „Lebenskraft“, „Vitalität“, „Gotterfahrung“, „Erleuchtung“, „Fülle“, „Ganzheit“, „Atman“, „Seelenwille“, „Höheres Selbst“, „Wirken im Großen Werk“ oder einfach „Energie“, aber auch „Chaos“, denn selbstverständlich ist auch das Chaos eine ganz besondere Energie. Man sieht also, dass es auch hier wieder ausreichend viele Begriffe, Verifikationen und Möglichkeiten gibt.
Doch warum verwenden denn nun jetzt die Magier, die Spirituellen, die Esoteriker, die Okkultisten und die Mystiker den Begriff „Energie“? Es gibt doch unendlich viele andere fachspezifische Vokabeln – wie man schon allein an dieser Aufzählung sehen konnte – die wirklich „magische Begriffe“ betiteln. Es sind so viele Begriffe, dass sich die magische Szene schon fast nicht untereinander unbedingt einigen kann, da es so viele Begriffe gibt und auch hier wieder Menschen ihre Lieblingsvokabeln haben. Da bin ich kein Ausnahmefall. Auch ich habe meine „Lieblingswörter“, doch muss man bei Erklärungen und Veranschaulichungen auch immer berücksichtigen, ob der Mensch, der einem gegenüber ist und zuhört, auch die jeweilige Vokabel kennt. Nun, hier ist und bleibt die Vokabel „Energie“ eben umgangssprachlicher, sodass man sich sicher sein kann, dass der Begriff „Energie“ (in all seinen „energetischen Variationen“) bekannt sein wird,