David Copperfield. Charles Dickens
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»Und dann ist das Frauenzimmer mit dem heidnischen Namen da,« sagte meine Tante, »die muß natürlich auch heiraten. Weil sie noch nicht genug von dem Unglück gesehen hat, das bei so etwas herauskommen muß. Sie heiratet auch, wie das Kind erzählt. Ich hoffe bloß, – meine Tante schüttelte den Kopf, – daß ihr Gatte einer von der Prügelsorte ist, von denen man immer in der Zeitung liest, und sie ordentlich verhaut.«
Das konnte ich von meiner alten Kindsfrau nicht mit anhören und versicherte meiner Tante, daß sie sich bestimmt irre, Peggotty sei die beste, treueste, hingebendste und aufopferndste Freundin und Dienerin von der Welt. Ich sagte, daß sie immer mich und meine Mutter von Herzen geliebt, – meiner Mutter sterbendes Haupt gestützt habe, und daß meine Mutter ihren letzten dankbaren Kuß auf ihr Gesicht drückte. Und da mich die Erinnerung an die beiden so sehr erschütterte, konnte ich nicht ausreden und erzählen, wie Peggottys Haus auch mein Haus sei, daß alles, was sie besäße, mein sei, und daß ich nur mit Rücksicht auf ihre bescheidene Stellung und aus Furcht, ihr Ungelegenheiten zu machen, nicht bei ihr Schutz gesucht habe. Tränen erstickten meine Stimme, und ich legte mein Gesicht auf den Tisch.
»Schon gut, schon gut,« sagte meine Tante, »das Kind hat ganz recht, wenn es zu denen hält, die ihm beigestanden haben. – Janet! Esel!«
Ich bin überzeugt, ohne das Dazwischentreten dieser unglückseligen Esel wären wir jetzt zu einer Aussprache gekommen, denn meine Tante hatte mir die Hand auf die Schultern gelegt, und ich war eben im Begriffe, dadurch ermutigt, sie zu umarmen und ihren Schutz anzuflehen. Aber die Unterbrechung und die Aufregung, in die sie durch den Kampf draußen geriet, machten vor der Hand allen sanfteren Gefühlen ein Ende und veranlaßten meine Tante, sich in höchster Entrüstung gegen Mr. Dick über ihren Entschluß auszulassen, bei den Landesgesetzen Hilfe zu suchen und sämtliche Eselseigentümer von Dover zu verklagen.
Nach dem Tee setzten wir uns ans Fenster, – wie ich aus dem gespannten Gesicht meiner Tante schloß – um auf neue Eindringlinge zu lauern. Dann als es dämmrig wurde, brachte Janet Lichter und ein Pochbrett und ließ die Vorhänge herunter.
»Jetzt Mr. Dick,« sagte meine Tante mit ernstem Blick und emporgehobenem Zeigefinger, »will ich Ihnen eine andere Frage vorlegen. Sehen Sie das Kind an.«
»Davids Sohn?« fragte Mr. Dick mit aufmerksamem und bestürztem Gesicht.
»Ganz richtig,« entgegnete meine Tante, »Davids Sohn. Was würden Sie jetzt mit ihm machen?«
»Mit Davids Sohn machen?« fragte Mr. Dick.
»Ja,« erwiderte meine Tante, »mit Davids Sohn.«
»O,« sagte Mr. Dick. »Ja. Mit ihm machen – ich würde ihn zu Bett bringen.«
»Janet!« rief meine Tante mit derselben triumphierenden Miene, die ich schon einmal an ihr entdeckt hatte. »Mr. Dick rät uns immer das Beste. Wenn das Bett fertig ist, wollen wir David hinaufbringen.« Auf Janets Äußerung, daß alles bereit sei, wurde ich hinaufgeführt, freundlich, aber wie eine Art Gefangener. Meine Tante ging voraus, und Janet beschloß den Zug.
Der einzige Umstand, der mir Hoffnung einflößte, war, daß Janet auf die Frage meiner Tante, woher plötzlich so ein brandiger Geruch komme, antwortete, sie habe unten in der Küche aus meinem Hemd Zunder gebrannt. Überdies lagen in meinem Zimmer sonst keine Kleider außer den verrückten Sachen, in die man mich eingewickelt hatte. Als man mich mit einer kleinen Kerze, die, wie mir meine Tante sagte, genau fünf Minuten brennen würde und nicht länger, allein gelassen, hörte ich, wie sie draußen die Türe zuschlossen. Ich dachte darüber nach und kam zu dem Schluß, daß meine Tante mich wahrscheinlich im Verdacht hatte, es sei eine üble Gewohnheit von mir, davonzulaufen, und dagegen Vorkehrungen traf.
Das Zimmer, außerordentlich freundlich, lag oben im Hause mit der Aussicht auf das Meer hinaus, auf das der Mond jetzt glänzend schien. Ich sagte mein Nachtgebet her und blieb, als die Kerze ausgebrannt war, noch sitzen und blickte auf das mondbeschienene Wasser hin, als könnte ich darin mein Schicksal lesen oder meine Mutter mit ihrem Kind auf den Lichtstrahlen vom Himmel herabsteigen und mich mit ihrem lieblichen Antlitz, wie einst, anblicken sehen.
Das feierliche Gefühl wich allmählich einer Empfindung der Dankbarkeit und der Ruhe, die mir der Anblick des weißverhangenen Bettes und vielmehr noch die Rast in dem weißen Pfühl mit den schneeweißen Leinen einflößte. Ich erinnere mich, daß ich an alle die einsamen Orte dachte, wo ich unter dem Nachthimmel geschlafen, und betete, Gott möge mich nie wieder obdachlos werden und nie der Obdachlosen vergessen lassen. Ich erinnere mich, wie ich dann auf dem silbernen Dämmerschimmer des Mondlichtes in die Welt der Träume hinüberglitt.
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