Dog Soldiers. Thomas GAST

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war Lebœufs Stimme. Sie klang ruhig, fast kalt.

      Als ich aus dem Zimmer direkt in den Flur stürmte, war das Erste, was ich sah, eine Gestalt, die reglos am Boden lag. Über sie gebeugt Annemarie. Sie war halb nackt. Um ihre nackten Füße bildete sich ein kleiner roter See. Blankes Entsetzen lag in ihren vom Schlafmangel müden Zügen.

      Daneben stand Lebœuf. Er hielt einen Revolver in seiner Rechten, aus dessen Mündung sich Rauch kräuselte. Er trug nur ein Handtuch um seine Hüften, welches er mit der Linken festhielt.

      Man brauchte mir kein Bild zu malen, damit ich verstand, was geschehen war.

      Für Ernst Bodenhausen kam jede Hilfe zu spät. An der Stelle, wo ich sein Herz vermutete, war ein fast faustgroßes Loch. Er musste sofort tot gewesen sein.

      Offenen Mundes starrte ich den Franzosen an. Keine Spur von Reue oder von Mitleid war in seinen Zügen zu erkennen, nur üppige Selbstgefälligkeit.

      Eine dunkle Vorahnung überfiel mich. Irgendwie bekam ich das beklemmende Gefühl, dass in diesem Augenblick ein Albtraum begonnen hatte, der mich nie mehr loslassen sollte. Zumindest aber fühlte ich tief in mir, dass eine Tür aufgestoßen wurde, die ins Unbekannte führte.

      Auf Wunsch Annemaries wurde Ernst Bodenhausen noch am selben Tag auf dem linken Ufer des Missouri begraben. Die Zeremonie war schlicht. Zuvor hatte der Kapitän Lebœuf kurz ins Kreuzverhör genommen. Es stellte sich heraus – und Annemarie bestätigte dies unter Tränen –, dass Ernst Bodenhausen wohl mitten in der Nacht bemerkt hatte, dass seine Gemahlin nicht an seiner Seite lag. Daraufhin begab er sich mit nur einem Messer bewaffnet in Lebœufs Schlafgemach, wo er seine Frau in flagranti mitten im schamlosen Liebesspiel ertappte. Angeblich hatte er sich sofort auf Lebœuf gestürzt, worauf dieser sich lediglich verteidigt habe, mit anderen Worten: Er hatte Ernst Bodenhausen niedergeschossen wie einen räudigen Hund!

      Als ich mich nach der Beerdigung ein letztes Mal umdrehte, erschauerte ich unwillkürlich. Ein hölzernes Kreuz mit den Initialen B.E. und der Jahreszahl 1862 thronte auf einem frischen, winzigen Erdhügel, und es war mehr als wahrscheinlich, dass noch in dieser Stunde eine Horde Coyoten oder ein einsamer Bär die letzte Ruhestätte des Deutschen auf der Suche nach dessen Fleisch umgraben würden, Amen!

      Der Tag darauf war frisch. Ein ständiger Nordostwind blies unangenehm und ungewöhnlich kalt. Die Luft war trocken und klar. Wie üblich drängten sich um die Mittagszeit die Menschen auf dem Deck. Hin und wieder sah ich im Gewühl unseren Freund Lebœuf. Er diskutierte des Öfteren mit einem Halbblutindianer, der aussah wie jemand, der einem für ein Wenn und Aber die Kehle durchschneiden würde. Dieser Indianer hatte ein narbenübersätes Gesicht und schien sich über jeden, auf den sein Blick fiel, lustig zu machen. Lebœuf verhielt sich komisch. Sah er mich, lächelte er mir zwar freundlich zu, schien aber sonst seltsam abwesend. Je weiter wir Richtung Nordwesten kamen, desto düsterer wurden die Wolken am Horizont. Als ob der Mord an Bodenhausen – und für mich war es Mord – der Auslöser für eine ganze Serie von Unglücken gewesen wäre, von denen eines das nächste jagte. Einmal brach sogar Feuer an Bord der Chippewa aus. Da jeder den Anweisungen des Kapitäns folgte und der Besatzung half, wo es nur ging, kamen wir alle glimpflich davon. Irgendwie schafften wir es, dass das Feuer nicht auf den Teil des Bootes übersprang, in dem sich das Schwarzpulver befand. Diesen Augenblick hätte wohl keiner von uns überlebt, dennoch, knapp die Hälfte unserer Ausrüstung, so auch Seile und Kostüme, fiel den Flammen zum Opfer. Wieder einen Tag später wäre das Boot fast gekentert, so sehr wurde es von plötzlich auftretenden Stürmen hin und her geschüttelt, und dann, einen Tag darauf, fuhr es frontal auf eine Sandbank. Um das Malheur perfekt zu machen, brach unter der Besatzung eine mysteriöse Krankheit aus, die den Bootsbetrieb für einige Tage lahmlegte. Die Anzeichen dieser Krankheit waren ähnlich wie die der Blattern. Letztere hatten einige Jahre vorher in diesen Breiten schon gewütet. Laut dem Kapitän der Chippewa und wie Lebœuf auch meinte, seien damals Tausende von Indianern den Blattern zum Opfer gefallen. Nach Ablauf einer Woche zerschlugen sich jedoch unsere Befürchtungen, es waren wohl die verdorbenen Lebensmittel an Bord schuld gewesen, die Fahrt konnte weitergehen.

      Irgendwann tauchte zu unserer Linken ein breiter Fluss auf, breiter jedenfalls als der Missouri.

      »Das ist der Yellowstone«, sagte der Kapitän.

      »Wie weit ist es noch bis Fort Benton?«, fragte ich ungeduldig, ohne weiter auf seine Feststellung einzugehen.

      »Knappe 450 Meilen«, antwortete der Kapitän irritiert. »Das dauert noch ’ne Weile.«

      Plötzlich kamen mir Zweifel.

      »Sie kennen die Gegend bei Helena?«

      Er nickte. »Kann man so sagen.«

      »Kennen Sie auch einen Ort, den man Grizzly Gulch nennt?«

      »Ja. Üble Gegend dort, wenn ich das wiedergeben darf, was man mir erzählt hat. Sie müssen wissen, dass der Missouri nur bis Fort Benton schiffbar ist, und ich werde den Teufel tun, mich von meinem Boot weiter zu entfernen, als ich spucken kann.«

      Dann überlegte er eine Weile und nahm einen Bissen vom Kautabak, den er sich in die rechte Backe schob, und sah mich merkwürdig an.

      »Wollen Sie von Helena aus dorthin? Zum Grizzly Gulch?«

      Ich bejahte.

      »Falls Sie die Absicht haben, diesen Franzosen, … wie heißt er noch?«

      »Lebœuf.«

      »Den meine ich. Also falls Sie die Absicht haben, ihn als Führer zu nehmen, dann kann ich Ihnen nur abraten.« Er sah sich um. »Suchen Sie sich einen anderen!«

      »Und warum, wenn ich fragen darf?«

      Er musterte mich eine Weile abschätzend und legte dann seine Hand auf meine Schulter.

      »Ich wette, dass Sie und Ihre Truppe über genügend Wertsachen verfügen. Gold, Bares oder sonst was, hab ich Recht?«

      Ich überlegte kurz, schüttelte aber entschieden den Kopf.

      »Wir bezahlen ihn, damit er uns nach Grizzly Gulch führt. Ich denke, er wird nicht mehr dafür bekommen, als üblich ist, ein paar Dollar hin, ein paar Dollar her. Reich wird er sicherlich nicht damit.«

      Jetzt lachte der Kapitän. Er lachte mich aus, so kam es mir vor. Ich hatte mich schon halb abgewandt, als seine Stimme mich erreichte.

      »Sie sind ein verdammter Einfaltspinsel, aber die Geschichte geht mich im Grunde nichts an. Tun Sie, was Sie für richtig halten, aber ein Wort noch.«

      Ich hob ihm fragend mein Gesicht entgegen.

      »Es geht nicht nur um Sie, haben Sie auch daran gedacht? Sie haben Frauen und Kinder dabei. Einen Mann hat Lebœuf schon unter die Erde gebracht. Einer weniger, der sich im entscheidenden Augenblick gegen ihn richten kann. Sie sind im Besitz von etwas, das er sich aneignen will. Und was dieser Gent nicht will, und da können Sie Gift drauf nehmen, sind einige lumpige Dollar. Farewell, Mister Fontaine, ich wünsche Ihnen viel Glück und bei Gott, das werden Sie auch brauchen.«

      Ich dachte an die Diamanten. Ich trug sie in einem ledernen Beutel auf meiner Brust, und niemand, auch Lebœuf nicht, konnte davon wissen. Carmen bildete die einzige Ausnahme, und so sollte es auch bleiben. Die Worte des Kapitäns gingen mir nicht aus dem Kopf, und ich verbrachte die nächsten Tage damit, Lebœuf heimlich zu beobachten. Nichts jedoch in seinem Verhalten gab mir einen Hinweis, der mich dazu zwang,

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