Die sieben Masken des Teufels. Eva Siebenherz

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Die sieben Masken des Teufels - Eva Siebenherz

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Kinder darin lagen. Plötzlich hielt direkt vor mir eine Straßenbahn und ich wurde hineingeschubst. Darin saß meine ganze Familie. Meine Mutter, Schwester, Oma, Opa, meine Ehemänner und ... Markus.

      Er stand auf, nahm mich bei der Hand und begann mit mir zu tanzen.

      Ich hatte ein Brautkleid an und fühlte mich in diesem Augenblick leicht, schwerelos und glücklich. Markus lächelte mich an. Das Lächeln wurde immer breiter, verzog sich zu einer Grimasse und plötzlich nahm es die Gestalt eines Hundes an. Ich tanzte mit einer Dogge, die dreimal so groß war wie ich. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Ich versuchte mich los zu reißen, zu fliehen.

      Doch je mehr ich das versuchte, umso näher zog mich die Dogge an sich heran. Blitzartig rauschten Bilder und Szenen durch meinen Kopf. Bildlich erfasst für eine Sekunde, zum Begreifen zu rasant. Und dann war alles weg.

      Als hätte jemand an einem unsichtbaren Faden gezogen und ein Rollo herabgelassen. Solche und andere Szenen wiederholten sich tagelang. Ich kann das nicht wiedergeben. Es wirkte alles wie zerrissen und wieder falsch zusammengesetzt.

      Wie eine Buchseite, die aus dem einen Buch herausgenommen und in einem völlig anderen an einer x-beliebigen Stelle wieder eingesetzt worden war, sodass die Zeilen der Seite nicht mit dem Inhalt des Buches in Einklang zu bringen waren. Es sei denn, man machte sich das passend, indem man die Passage einfach neu schrieb.

      Ich sah in dem Zimmer mit immer wechselnden Personen, Kreaturen halb Mensch, halb Tier. Sie sprachen mit mir, sie bedrohten und misshandelten mich. Ich sah laufende Bilder an der Wand, hörte Stimmen, Stimmen, die ich kannte, und unbekannte. Ich sah meine Familie. Und ich sah mich. Das heißt, ich glaubte, dass ich das sei. Ob ich es tatsächlich war, konnte ich weder damals einschätzen noch heute. So nach und nach wurden diese Situationen weniger und hörten schließlich ganz auf. Hin und wieder glaubte ich durch das Fenster in der Tür Hr. Schmidt und auch Markus zu sehen. Doch auch Benjamin und Fabian. Ich war völlig konfus, meist apathisch, dann wieder panisch. Und das abwechselnd. In mir machte sich Wahnsinn breit. Wenn ich die Augen schloss, sah ich einen Dämon mit meinen eigenen Gesichtszügen. Doch das Geschehen änderte sich, die Bilder verschwanden. Eines Tages holte mich eine leise, gleichmäßige, völlig monotone Stimme aus dem ohnehin schon unruhigen Schlaf. Diese Stimme las etwas vor.

      Diese Monotonie ließ mich immer wieder einschlafen. In diesem Moment explodierte der Raum mit hochgedrehten, schrillen Geräuschen.

      Wie das Quietschen von Autoreifen auf dem Asphalt.

      Sofort war ich hellwach und die Stimme verfiel wieder in gleichmäßige Monotonie. Es war immer wieder derselbe Text. Immer wieder derselbe Ablauf. Monotoner Text – Halbschlaf – schrill und quietschend – Monotonie. Über viele Tage, irgendwann konnte ich den Inhalt singen. Ich glaube, dass das genauso geplant war. Ich hatte Zahnschmerzen und musste zum medizinischen Dienst.

      Mich holte ein Strafgefangener ab, der dort arbeitete. Der stellte sich vor mich hin und tastete mich ab. Dabei steckte er mir einen Zettel in den BH. Er sah mir in die Augen und ich verstand. Wieder in der Zelle, ging ich in eine Ecke, die für die Wachteln (abwertender Ausdruck für das weibliche Wachpersonal)? (Wachmannschaft?) ein toter Winkel war, also nicht einsehbar, und las. Mein benebeltes Hirn war kaum fähig den Inhalt der Zeilen zu erfassen. Ich musste es mehrmals lesen, ehe ich wirklich begriff. Auf dem Zettel stand, dass ich verschiedene Medikamente gleichzeitig erhalten habe, um das »bestmögliche« Ergebnis zu erzielen. Zunächst eine hohe Dosis Papatral (Hypnotikum) und Radedorm (Schlafmittel) und eine Stunde später das hoch stimulierende Medikament Aponeuron.

      Zwischendurch auch immer wieder Leponex als Verstärker des ganzen Medikamenten-Szenariums. All das waren bewusstseinsverändernde Medikamente, die einen orientierungslos machten, Halluzinationen, Depressionen und Psychosen auslösten.

      Dieser Medikamenten- Cocktail plus gezielte Fragen, Bilder und Filme hatten bei mir Halluzinationen ausgelöst und wahrscheinlich auch erlebte Situationen wieder ins Gedächtnis gerufen, allerdings vollkommen verzerrt und weitab vom tatsächlichen Verlauf. Und das Ganze einhergehend mit einer galoppierenden Amnesie; zumindest teilweise und mit immer wiederkehrenden Halluzinationen. Wenn ich zwischendurch in der Lage war, stellte sich mir immer wieder nur eine einzige Frage:

      Warum? Eine Antwort fand ich nicht. Diese Flashbacks wurden ausgelöst und regelrecht provoziert.

      Immer wieder wurde ich geholt, um irgendwelche Dokumente zu lesen, den Inhalt zu bestätigen und zu unterschreiben.

      Ich bekam ein Dokument in die Hand gedrückt, in dem ganz detailliert beschrieben war, wie ich in Untersuchungshaft gekommen bin.

      Angeblich war ich ein so genannter »Selbststeller«. Heißt, man bekommt den Termin, zu dem man sich selbst im Gefängnis zu melden hat. Und angeblich habe ich das auch getan. Ich las das und überlegte gleichzeitig angestrengt. Hier stand auch, dass es eine Gerichtsverhandlung gegeben hatte. Ich tat so, als würde ich weiterlesen, stellte mir jedoch im Augenblick selbst ganz andere Fragen. Warum soll ich das lesen, bestätigen und unterschreiben? Was steckt dahinter? Warum soll ich glauben, was dort steht?

      Ich sah Hr. Schmidt starr in die Augen, er erwiderte diesen Blick.

      Seine Augen waren so kalt, dass ich meinte, sofort erfrieren zu müssen. In diesem Augenblick geschah etwas höchst Seltsames. Der Raum verwandelte sich langsam, aber stetig in eine Landschaft, getaucht in unnatürliches hellblaues Licht. Eine weite, hügelige Landschaft mit einem babyblauen Himmel, aus dem lautlos viele dicke hellblaue Flocken fielen. Alles sah aus, als hätte man eine dicke hellblaue Decke ausgebreitet. Alles um mich herum wirkte seltsam surreal-psychotisch und es wurde immer kälter und die Landschaft immer entrückter. Ich fühlte eine seltsame Erregung in mir hochsteigen. Da war jemand! Ich war nicht allein!

      Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen können. Ich sah, wie sich zwei Bäume durch die Decke streckten, Äste wuchsen links und rechts aus ihnen heraus und ihre Enden wurden zu Krallen. Diese Krallen hielten eine kleine Gestalt fest umklammert, gehüllt in einen gelben Schlafanzug mit einem Clown darauf. Ich zog pfeifend den Atem ein. In diesem Moment hob die kleine Gestalt den Kopf und sagte mit einer hohen, dünnen, unglaublich zarten Stimme:

      »Mama, ich habe dich lieb«. In mir löste sich ein Schrei und ich wollte zu Fabian laufen, war aber unfähig, mich von der Stelle zu bewegen. Heiße Verzweiflungstränen liefen mir übers Gesicht.

      Ich kämpfte einen stummen Kampf, denn kein Ton entrang sich meiner Kehle. Grelles Licht nahm mir plötzlich jede Sicht. Schläge holten mich in die Wirklichkeit zurück.

      Ich begann innerlich Goethes Zauberlehrling zu rezitieren. Nicht denken. Nicht fühlen. Alles was überflüssig war in meinem Kopf blendete ich aus. Vakuum. Mit dickflüssiger Stille gefüllter Raum. Schemenhaft nahm ich Schmidt wahr. Statt der Kälte wurde es plötzlich drückend heiß und die Luft schmeckte abgestanden. »Antworten Sie!« Diese Stimme zerriss plötzlich die Stille. Ich weiß nicht, wie ich tatsächlich im Gefängnis angekommen bin.

      Auch an eine Gerichtsverhandlung kann ich mich bis heute nicht erinnern. Mir wurde von Hr. Schmidt mitgeteilt, dass ich wegen Vernachlässigung der Erziehungs- und Aufsichtspflicht und wegen schwerster Kindesmisshandlung an meinen beiden Söhnen Benjamin und Fabian zu 22 Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden sei. Wie bitte? Man hatte mich doch wegen angeblicher Prostitution verhaftet. Mir stellte sich die nächste Frage: Was würde mit mir passieren, wenn ich nachfragte?

      Oder stimmte das, was die dort notiert hatten, und ich wusste es bloß nicht mehr? Meine Zweifel sah man mir wohl an, denn ich wurde gefragt, ob etwas an dem Inhalt

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