Schizophrenie als Chance. Anton Weiß

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Schizophrenie als Chance - Anton Weiß

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      Psychologischer Hintergrund:

      Ich bin sicher ein introvertierter Typ (nach C. G. Jung), d. h., mich interessierte das Innenleben viel mehr als das Außen, die Welt. Der Introvertierte ist sehr mit sich beschäftigt, die Welt und der andere Mensch interessieren ihn nicht wirklich. Ich kenne keine Untersuchung, die den Anteil der Introvertierten an der Schizophrenie aufzeigt; ich würde meinen, dass er sehr hoch ist. Der Introvertierte kennt die Tiefe; Oberflächlichkeit ist ihm verhasst. Die Welt und ihr Getriebe ängstigen ihn und bleiben ihm fremd. Genau das sind wichtige Kennzeichen in der Schizophrenie: Es sind in der Regel Menschen, die Probleme in der Sozialisation haben, die als Kind lieber allein spielen, sich zurückziehen und Einzelgänger sind. Sie fühlen sich fremd in dieser Welt.

      In der Schizophrenie läuft der Betroffene aber Gefahr, von der Tiefe verschlungen zu werden. Seine Aufgabe ist es, in die Welt hinauszutreten, und das erfordert ein ungeheures Kämpfen.

      Der Extravertierte lebt in der Welt und fühlt sich in ihr heimisch, aber ihm fehlt die Tiefe, das Leben bleibt oberflächlich. Ob daraus Schizophrenie entstehen kann, wäre mir interessant zu wissen.

      Dass aus der Introversion Schizophrenie entsteht, scheint mir fast unausweichlich, da mit ihr eine starke Selbstbespiegelung Hand in Hand geht, eine nahezu ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst.

      Zunehmend merkte ich, wie sehr ich in allem um mich selbst kreiste und mir war von der Religion her klar, dass es genau darum ging, dieses Um-sich-selbst-Kreisen, diese Egozentriertheit, zu überwinden. Es dauerte lange, bis ich mir eingestand, dass ich in meinem Bemühen, den religiösen Weg zur Ichlosigkeit zu gehen, sehr ichhaft war, dass dies meine Weise war, das Ich zu leben und ins Spiel zu bringen. Ich wollte andere bekehren, war überzeugt davon, dass nur religiöses Leben richtiges Leben ist, und entdeckte, dass genau dies die Weise war, in der mein Ich zur Geltung kam.

      Grundlegende Erkenntnisse über Schizophrenie

      Grundsätzliches

      Wenn man sich mit Schizophrenie beschäftigt, zeigt es sich, dass sie ein sehr vielfältiges Geschehen und sowohl in der Entstehung wie im Verlauf kaum auf gemeinsame Nenner zu bringen ist.

      Die Ursachen der Schizophrenie genetisch, pränatal oder embryonal zu sehen, scheint mir Ausdruck einer Hilflosigkeit zu sein; gesichert sind diese Erkenntnisse in keiner Weise. Wir sehen in unserem wissenschaftlich begrenzten Horizont eben keine andere Möglichkeit, als Krankheiten entweder als ererbt oder umweltbedingt erworben zu verstehen. Psychische Ursachen, die geistig bedingt sind, erscheinen suspekt, weil kaum nachprüfbar.

      Dass Schizophrenie als Stoffwechselstörung im Gehirn verstanden wird, zeigt, wie weit wir heute von einem Verständnis des Menschen als sinnsuchendes Wesen und der damit verbundenen Unsicherheit entfernt sind. Dass die Unsicherheit und das innere Aufgewühltsein, die einen Menschen erfasst, Niederschläge im Gehirn verursacht, dass also Ursache und Wirkung genau umgekehrt ablaufen könnten, auf diese Idee kommt offensichtlich niemand. Es wiederholt sich hier das Problem des geo- und heliozentrischen Weltbildes. Derzeit steckt die Wissenschaft noch im geozentrischen Denken; dass die Umkehrung genau so logisch ist, d. h. dass es genau so logisch ist, dass psychische Vorgänge hirnphysiologische und letztlich genetische Niederschläge hinterlassen, ist für die meisten heute offensichtlich undenkbar. Die häufige Argumentation, dass man mit Medikamenten das Andocken von Botenstoffen im Gehirn bekämpfen oder verstärken kann, widerspricht dem ja überhaupt nicht: Genau so, wie psychische Erlebnisse sich physiologisch niederschlagen, kann man durch Eingriff in die Physiologie psychische Veränderungen hervorrufen. Geist/Seele und Körper sind ja nicht getrennt, es ist eine undurchschaubare Einheit und ein Hin- und Herfließen vom einen zum anderen; es besteht eine ständige Wechselwirkung. Was ich bezweifle, ist, dass durch den Eingriff mit Medikamenten sich der Mensch auch tatsächlich verändert. Es ist der Wunschtraum aller Leidenden, dass es Medikamente gäbe, die das Leiden lindern. Meines Erachtens ist geistiger Fortschritt ohne Leiden nicht möglich. Gerade das Ich wird nur zurückweichen, wenn es unter Druck gesetzt wird, sei es von außen oder von innen. Natürlich bestreite ich nicht die positive Wirkung von Medikamenten für Menschen, die ohne diese Hilfe zerbrechen würden. Aber es müsste klar sein, dass es nur eine Überbrückungshilfe sein kann, nicht eine Lösung des Problems.

      Natürlich ist das, was ich hier darlege, wissenschaftlich nicht überprüfbar. Ich könnte mir aber vorstellen, dass diejenigen, die mit Schizophrenie befasst sind – Psychiater, Betroffene und deren Angehörige -, sehr wohl Übereinstimmungen mit ihren eigenen Erkenntnissen sehen.

      Einige grundlegende Dinge zum Krankheitsbild „Schizophrenie“ kristallisieren sich heraus, die bestimmende Merkmale der Schizophrenie sind bzw. zu ihrer Entstehung führen:

      Zu den in der Schizophrenieforschung gesicherten Erkenntnissen gehört u. a., dass die Anzeichen multifaktoriell sind, das heißt, dass es eine Vielzahl von schizophrenen Erscheinungsformen gibt, die nahezu alle Menschen betreffen, die aber nur ausnahmsweise in die Schizophrenie münden. Gekannt und erlebt aber werden sie von zahlreichen - ich würde so weit gehen und sagen: von allen - Menschen in mehr oder weniger großem Ausmaß, wie z. B. Gedächtnisstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Einbildungen, Wahrnehmung von nicht Vorhandenem, usw. Jeder kennt es, dass ihm ein sonst geläufiger Name nicht einfällt, dass er einen Pfosten in der Dämmerung für eine bedrohliche Gestalt hält, dass er sich fragt, ob sich die Äußerung am Nebentisch auf ihn bezieht und dass er nicht sicher ist, ob er eine bestimmte Szene geträumt oder vor einigen Tagen tatsächlich erlebt hat und ob er einen Gedanken, der ihm durch den Kopf geht, nun schon gesagt hat oder doch nur gedacht.

      Mich erstaunt, dass es doch eine vergleichsweise geringe Zahl von Menschen ist, die von Schizophrenie betroffen sind. Ich werde zeigen, dass das Ich die zentrale Rolle spielt und es würde mich nicht wundern, wenn in naher Zukunft Schizophrenie zunehmen würde, da in unserer Zeit das Ich gleichsam zum Kultobjekt geworden ist.

      Auch die Tatsache, dass Schizophrenie ein kultur- und zeitübergreifendes Phänomen ist, bestärkt mich in der Auffassung, dass das Ich die zentrale Rolle spielt im Verständnis dieser Krankheit, denn auch das Ich ist unabhängig von Kultur und Zeit. Es ist mit der Tatsache des Menschseins gegeben, biblisch ausgedrückt ist: Es ist die Ursünde des Menschen.

      Schizophrenie als Ich-Störung

      Wenn ich die Definition von C. G. Jung vom Ich benützen darf, dann ist das Ich Zentrum des Bewusstseins. Welch beherrschende Stellung das Ich eines Menschen in seinem Bewusstsein einnimmt, soll weiter unten noch eingehend erläutert werden. Es ist durchaus normal, dass sich ein Mensch als Mittelpunkt seiner Welt erlebt und vielen ist bewusst, dass es auch andere Menschen gibt. In der Schizophrenie ist das Empfinden, Mittelpunkt der Welt zu sein, jedoch ins Extreme gesteigert. Der Schizophrene bezieht alles auf sich: Im Gespräch am Nachbartisch geht es um ihn, die Meldungen im Radio enthalten verschlüsselte Botschaften, die ihn betreffen und ihn vernichten wollen, die Leute auf der Straße blicken ihm alle nach und die Verlegenheit des Nachbarn ist der Beweis dafür, dass es in seinem Gespräch mit dessen Frau um ihn gegangen ist. In allem sieht er sich im Mittelpunkt. Das von den meisten Menschen als normal angesehene Empfinden, wichtig zu sein, ist beim Schizophrenen in einer Weise übersteigert, dass er sich in allem im Mittelpunkt sieht, alles dreht sich ausschließlich um seine Person. Er sieht sich in einer übersteigerten und damit gestörten Weise als Mittelpunkt allen Geschehens, als Mittelpunkt der Welt.

      Isolierung

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