Die Expedition. Axel Schade
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Oberbürger Tittus Doppeldee sorgte an einem Tag für ziemliche Unruhe zwischen Verwagen und Sichtig auf der einen und den Verantwortlichen der FLUGS Fabrik auf der anderen Seite. Tittus bestand darauf, dass die Einsatzzentrale im Oberstübchen untergebracht wird. Er wollte umgehend über alles informiert sein und so nahe am Geschehen teilhaben, wie möglich. Etwas unwillig erfüllte man ihm diesen Wunsch. Es musste einiger Aufwand betrieben werden, um die notwendige Technik im Oberstübchen zu installieren. Üblicherweise begleitete derartige Operationen das Kontrollzentrum der FLUGS Raumgleiter Fabrik, darum wollten die Verantwortlichen nicht einsehen, dass es diesmal anders sein sollte. Professor Lee Verwagen und Kurt Sichtig leisteten viel Überzeugungsarbeit, dabei bemühte sich Kurt Sichtig besonders. Oberst S. Stockwerk, des Oberbürgers Vertrauter in der FLUGS Zentrale, sprang ebenfalls als Vermittler ein und half einen Kompromiss einzufädeln, mit dem alle zufrieden sein konnten. Die Verantwortlichen der FLUGS Raumgleiter Fabrik stimmten letztlich allerdings nur zähneknirschend zu.
Abends saß Shabbadag in seinem kleinen Haus im Wohnzimmer. Er hing seinen Gedanken nach und ließ die letzten Tage an sich vorbeiziehen. Dabei erinnerte er sich an den Wixwurst Artikel. Er öffnete T.I.N.A., HARRO suchte den Beitrag heraus. Shabbadag machte es sich gemütlich und las den Bericht. Dort stand: Dieser Text wurde mit Genehmigung der Waldoof Bibliothek zur Veröffentlichung frei gegeben. Er liegt in geprüfter, gekürzter Fassung vor. Die gesamte Abhandlung kann in der Waldoof Bibliothek gegen eine geringe Leihgebühr eingesehen werden. Für Studierende entstehen keine Kosten. Den Text verfasste Frau Dr. Dr. Insch. Froni Verero, im Auftrag der terranischen Namens-, Ahnen-, und Familienforschung (NAuF), Ortsgruppe Terrarium. Wissenschaftliche Begleitung durch Frau Dr. Unta Wesche und Herrn Professor Klood Eckel. Die Forschungskosten übernahm im Rahmen der Aktion „Wirtschaft unterstützt Forschung“ die Firma „Madame Tussi´s Wichsfigurenkabinett“. Der Dank gilt der Inhaberin Frau Heide Witzka.
Na schau mal einer an, dachte Shabbadag. Diese schräge Person hatte er in lebhafter Erinnerung, vom Absturz in Ostfriesland. Er las er weiter: Im Rahmen meiner Nachforschungen zur Herkunft des Namen Wixwurst als Familienname, konnte ich die im folgenden beschriebenen Erkenntnisse zweifelsfrei feststellen und nachweisen. Ausschlaggebend zur Benennung eines Menschen mit dem Familiennamen Wixwurst, war die Entdeckung, dass sich der Schwanz des Wix als Nahrungsmittel eignet. Ein Teil des als ungenießbar geltenden Wix, entpuppte sich überraschend als schmackhaftes Glied der terranischen Nahrungskette. Die Entdeckung verdanken wir einem experimentierfreudigen jungen Mann, den man unter dem Namen „Schnorz der Jäger“ kannte.
Schnorz der Jäger lebte in einem Kraal, einer kreisförmigen Siedlung, mit äußerst streng geregelter Sozialstruktur. Spuren dieser Siedlung finden sich in der Ortsmitte von Hettlebem. Der örtliche Kreisverkehr führt darum herum.
Wegen seiner Jagderfolge wurde Schnorz der Jäger zum „Obersten Nahrungsbesorger für genießbaren Teile von freilebendem Fleisch“, bestimmt. Mit dieser großen Verantwortung gegenüber der Sozialgemeinschaft ausgestattet, stieg bei Schnorz der Erfolgsdruck. Schnorz zeigte sich zunächst der großen Aufgabe gewachsen. Er verpflegte die Sozialgemeinschaft im heimischen Kraal befriedigend bis ausreichend.
Der Versorger bekam bedauerlicherweise unvorhergesehene Schwierigkeiten durch einen Lebensmittelengpass. Da die vertraute Umgebung, nach jagdlich produktiven Monaten, leer gefressen war, erforderte dies von Schnorz neue Märkte zu eröffnen. Er musste expandieren. Es schien unumgänglich, das Revier erheblich auszudehnen. Mit dieser unwillkommenen Konsequenz konfrontiert, wurde klar, dass ihm Übernachtungen in der Wildnis bevorstanden. Weil Schnorz bis dato nie alleine die Nacht irgendwo anders, als im schützenden Kraal verbrachte, sorgte er sich zu Recht. Dennoch schritt er mutig voran. Sein Pfad dirigierte ihn in eine unbekannte Umgebung, und eh er sich versah, stürzte er in ein Loch, aus dem er ohne fremde Hilfe nicht hinauskam. Wie ein Käschen saß er traurig in der Grube. Wenigstens fühlte Schnorz sich nicht einsam, denn er teilte die Grube mit einer Horde kleiner Wixer. Diese possierlichen Tierchen mit den weißen dicken nackten Schwänzen, vertrieben ihm mit drolligen Darbietungen die Zeit. Schnorz lernte, in den nicht enden wollenden Wochen der unfreiwilligen Gefangenschaft, viel über die kleinen Wixer. Die bedeutsamste Erkenntnis darunter, verblüffte ihn in höchstem Maße! Jeden Freitag ab 17 Uhr, legten die kleinen Wixer ihre weißen nackten dicken Schwänze ab! Ab Mitternacht bildeten sich bei den Wixern neue kurze weiße nackte Schwänze. Bis zum folgenden Freitag wurden sie wieder lang und dick, um erneut abgelegt zu werden. Ein sich wöchentlich wiederholender Kreislauf. Dafür musste es einen plausiblen Grund geben, oder? Schnorz grübelte intensiv und legte eine Datensammlung an, indem er das Verhalten seiner Mitbewohner in der tiefen Grube mit geschärfter Optik begleitete. Er beobachtete genau das Verhalten der kleinen Lebewesen. Schnorz entdeckte, dass die kleinen Wixer nicht auf die Toilette gingen. Diese Tatsache erwies sich als Grund für das wöchentliche Wachstum der weißen nackten Schwänze. Sie dienten als Reservoir für die verdauten Speisen, die sie im Schwanz einlagerten. Schnorz der Jäger hatte das Geheimnis des Verdauungssystems der kleinen Wixer entdeckt! Doch nicht nur das. Er fand aus der Not heraus, dass man die abgelegten Schwänze essen kann. Seine Vorräte waren längst aufgebraucht und der Hunger nagte schwer an ihm. Er halluzinierte bereits. Voller Verzweiflung, Hungers zu sterben, kaute er eines Abends an einem der Schwänze. Dieser schmeckte kalt nicht wirklich gut, jedoch nicht so schlecht, dass er ihn nicht aufgegessen hätte. Er verzehrte weitere Exemplare. So sicherten die Schwänze der kleinen Wixer Schnorz dem Jäger das Überleben. Da sich die kleinen Wixer rein vegetarisch, bevorzugt von schmackhaften Kräutern ernähren, haben ihre Schwänze einen angenehmen, ausgewogenen würzigen Geschmack.
Wenige Tage später wurde Schnorz von einem hoch motivierten Suchtrupp der Sozialgemeinschaft gefunden und zurück in den Heimatlichen Kraal überführt. Nachdem er wieder bei Kräften war, experimentierte Schnorz mit Wixerschwänzen. Erst grillte er sie, was zu keinem guten Ergebnis führte. Weitere Experimente folgten. Zum guten Schluss legte er eines Morgens einige Schwänze in Wasser und erhitzte es, ohne es zum Kochen zu bringen. So erzielte er das schmackhafteste Ergebnis. Die Sonnenuhr zeigte gerade auf kurz vor 10, als dies geschah. Schnorz kreierte somit die Frühstückswurst und nannte sie Wixwurst. Schnorz der Jäger bot seiner Sozialgemeinschaft die Wixwurst zum Probieren an. Anfängliche Skepsis verflog, nachdem die Wixwurst auf den Zungen der Probanden wahre Geschmacksorgien feierte. Der Gefallen am Verzehr der Wixwurst zum Frühstück, breitete sich schnell auf dem ganzen flachen Planeten Terra aus. Es ist in Hettlebem bis heute Tradition, dass Wixwurst am Vormittag verzehrt werden. Ab 10 Uhr und auf jeden Fall vor 12 Uhr Mittag. Diese Regel ist freilich weiter nichts als eine Empfehlung. Selbst traditionsbewusste, alt eingesessene Lokale in Hettlebem bieten Wixwurst ganztägig an. Wichtig ist bei der Wixwurst nur folgende Regel: Wixwurst wird warm gegessen, aber gekocht wird sie nicht!
Schnorz der Jäger wurde eine hohe Ehre zuteil. Fortan nannte man ihn Schnorz Wixwurst. Er erhielt also einen Familiennamen, den er weitergeben durfte. Diese Auszeichnung ist nachweislich die erste in der Geschichte. Somit ist Wixwurst der älteste Familienname des Planeten Terra.
Shabbadag beeindruckte Fronis Artikel. Dass er den ältesten Familiennamen des Planeten trug, wusste er bisher nicht. Schnorz der Jäger musste demnach sein Stammvater sein. Interessant. Shabbadag schaltete T.I.N.A. aus und gähnte lautstark. Unglaublich müde fiel er ins Bett und schlief bereits, bevor sein Kopf das Kissen berührte.
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