Kannst Du lieben?. Alice Zumbé
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Die stundenlangen Telefonate mit ihm in dieser Zeit strahlten vor Euphorie, waren beschwingt von interessanten Geschichten rund um unser Leben. Ich lernte viel über ihn und seine Umgebung kennen und saugte jedes Wort wie einen Schwamm auf. Ich fühlte mich wie ein Wellenreiter, der von einer zur nächsten Welle sprang ohne an ein Ende zu denken oder darauf zu achten, wie groß die nächste Welle ist. Ich wollte immer weiter und höher hinaus und der Liebesrausch war unersättlich. Ich fühlte mich süchtig danach.
Was ich dann auch ignorierte waren die Nebenwirkungen, die jeder Rausch mit sich bringt. In meinem Fall war es das Rauschen in meinem linken Ohr, das sich besonders nach den stundenlangen Telefonanrufen bemerkbar machte. Einige Jahre zuvor hatte ich unter anderen Umständen zwar schon einmal einen Hörsturz erlebt, doch in diesem Moment dachte ich nicht daran und wollte mich auch nicht näher damit auseinandersetzen.
Mit Nina tauschte ich mich in diesen Tagen viel über die Liebe aus. Wir erzählten uns unsere Lebensgeschichten dazu, redeten über unsere Gefühle und über unsere Gedanken von damals und heute. Alles veränderte sich.
Ungefähr eine Woche nach unserem ersten Telefonat und ein Paket später, das ich ihm zugeschickt hatte und in dem sich eine Flasche Gingerbier zur Erinnerung an unseren Abend in der Cocktailbar befand, telefonierten wir geschlagene sechs Stunden miteinander. Es war das Wochenende vor „Tanz in den Mai“ und so erzählte er mir, wie er mit Freunden geplant hatte den Dienstagabend zu verbringen und zu feiern. Irgendetwas in mir hörte seinen Worten zu und gab mir ein ungutes Gefühl, ohne zu wissen, warum es so war. In den nächsten zwei Tagen ließ mich dieses Gefühl nicht mehr los, sondern verstärkte sich noch. Es gab mir den Anlass dazu früher als geplant zu ihm zu fahren. Ich wollte herausfinden was mich dort erwartet, wenn ich ihm gegenüber trat und eines wollte ich auf gar keinen Fall mehr: warten. Ich hatte keine Geduld mehr und schon längst keine Kontrolle mehr über diesen Liebesrausch. Und ich musste es jetzt tun. Jetzt oder nie.
So packte ich meine Sachen für ein paar Tage zusammen – ich wusste nicht, wie lange ich bleiben würde – und war am Dienstagmorgen bereit, um zu ihm zu fahren. Zuvor traf ich mich allerdings noch mit Nina im Café, weil unsere Freundin Carol Geburtstag hatte und wir sie mit Kuchen und Gesang dort überraschen wollten. Sie lieh mir außerdem ein Navigationsgerät für meine Reise. Meine Zeitreise in die Zukunft zu dem Zeitreisenden, wie er sich selbst genannt hatte, weil er vor ein paar Wochen eine Zeitreise in seine Vergangenheit unternommen hatte. Um 12 Uhr Mittags stieg ich in mein Auto ohne zu ahnen, was mich erwartete oder was passieren würde und ohne sein Wissen, dass ich auf dem Weg zu ihm war. Zwei Stunden später ließ ich ihm dann eine Nachricht zukommen, dass ich unterwegs zu ihm war. Er schrieb zurück, dass er mir erst einmal viel Spaß in Berlin wünschte. Ich war verwirrt und teilte ihm mit, dass ich früher als geplant direkt zu ihm kommen würde und zwar ohne Umwege. Er versuchte mich anzurufen. Da ich jedoch mit fahren beschäftigt war und sich weit und breit keine Raststätte zeigte, konnte ich nicht annehmen. Zweiter Anruf. Ich fluchte innerlich. Nach einigen weiteren Kilometern bot sich dann endlich eine Möglichkeit anzuhalten und ich rief ihn sofort zurück. Er freute sich mich zu hören und nach einer kurzen Schilderung meiner Pläne war er zwar überrascht über meinen spontanen Besuch, lud mich jedoch auch herzlich ein zu kommen. Er würde da sein.
Nun konnte ich mich vollends entspannen und mich einfach nur noch der Freude hingeben ihn wiederzusehen. Außerdem war ich neugierig auf diesen Ort und seine Umgebung, die ich zuvor noch nicht kennengelernt hatte. Am frühen Abend traf ich dann ein in dieser unbekannten Stadt und fand recht zügig Dank des Navigationsgerätes zu dem Haus, in dem er wohnte. Es hatte eine blaue Außenfassade und ich parkte unmittelbar vor der Haustüre. Ich fühlte die Aufregung in mir aufsteigen, denn unser Zusammentreffen stand kurz bevor und ich hatte keine Ahnung, wie es werden würde. Plötzlich wurde ein Fenster im Erdgeschoss geöffnet und er blickte mir entgegen, begrüßte mich freudig mit einem „Hallo“ und bat mich einen Augenblick zu warten, da er soeben aus der Dusche gesprungen war und sich noch etwas überwerfen wollte. Ich nahm meine Tasche aus dem Kofferraum und betrat das Haus, da er mir schon einmal aufgedrückt hatte. Die Wohnungstür war geöffnet und er stand dort im Flur. Wir strahlten uns gegenseitig an und waren doch auch etwas befangen wegen der surrealen Situation. Dann umarmten wir uns.
Sechs Tage sollte meine Reise dauern. Sechs Tage voller neuer Erlebnisse, gemeinsamer Stunden und Stunden mit mir alleine. Sechs Tage voller Emotionen jeglicher Art. Von traurig bis himmelhoch jauchzend. Sechs Tage voller Liebe, die sich veränderte. Der Wunsch nach einer romantischen Liebesbeziehung wich der Realität und wandelte sich in eine freundschaftliche Liebe. Es sollte jedoch noch einige Wochen dauern bis ich letztendlich verstand was alles passiert war und loslassen konnte.
Diese Reise wurde zu einem Abenteuer, so wie ich es mir für mein Leben wünschte. Ich bewegte mich mit offenem Herzen und voller Neugier in der neuen Umgebung und entdeckte so viel wundervolles. Ich fühlte mich glücklich dort, verbrachte einige Zeit alleine auf Entdeckungsreise, lernte dabei neue Menschen kennen, mit denen ich liebenswerte, herzliche Momente erlebte und teilte meine Erlebnisse mit ihm jeden Tag in langen Gesprächen. Besonders freute ich mich darüber, dass er mir sein Leben dort nahe brachte, mir wunderschöne Landschaften zeigte und mich Menschen vorstellte, die ihm sehr viel bedeuten. Wir waren aufrichtig zueinander und er zeigte viel Verständnis für meine Gefühle und ließ mir die Zeit und den Raum, mir Klarheit über mich zu verschaffen und die traurigen Momente los zu werden. Wir verbrachten viele Stunden miteinander, in denen wir einfach redeten. Offen und ehrlich. Und wir lernten so den anderen besser kennen und schätzten die gemeinsame Zeit. Eine Geschichte aus diesen Tagen liegt mir sehr am Herzen, weshalb ich sie hier erzähle.
Es war der Tag meiner Abreise und wir hatten uns mit seinem Großvater, der schon auf 90 Lebensjahre zurückblickte, zum Mittagessen um 12 Uhr in einem Gasthof verabredet. Der Großvater freute sich über meine Anwesenheit. Wir hatten uns schon einen Tag zuvor bei ihm zu Hause kennengelernt, wo er mir aus Freude über meinen Besuch ein Glas Wein anbot, mir Geschichten aus seinem Leben erzählte und mir ein Lied vorsang, was mich sehr berührt hatte. So freute auch ich mich ihn wiederzusehen.
Der Gasthof wurde seit über drei Jahrzehnten von dem Wirt betrieben, der uns sehr herzlich begrüßte und allen wohlbekannt war. Er setzte sich kurz zu uns für einen kleinen Plausch und ich konnte die Liebe zu seiner Berufung spüren, die sich in jeder Ecke des Gasthofes widerspiegelte, bis in die Küche, wo uns der Koch mit einfachen, kulinarischen Köstlichkeiten verzauberte. Doch zuvor bekamen wir noch weiteren Besuch. Ein befreundetes Ehepaar des Großvaters gesellte sich an unseren Tisch, denn von Zeit zu Zeit waren sie dort auch mit ihm verabredet. Sie war 94 Jahre alt und er zählte 93 Lebensjahre. Über 360 Lebensjahre waren dort am Tisch nun versammelt und erzählten Anekdoten aus ihrem reichhaltigen Leben. Wir lachten und hatten Freude daran den anderen zuzuhören. Dann kam der Moment, in dem ich gefragt wurde, wann ich wieder abreisen würde. Alle Augen waren auf mich gerichtet und nachdem ich mitgeteilt hatte, dass dies meine Abreisetag sei, herrschte für einen Augenblick absolute Stille gefolgt von der fassungslos klingenden Bemerkung aus allen Mündern gleichzeitig: „Heute schon?!“. Besonders er sah mich mit erschrockenem Gesichtsausdruck an. Ich war berührt von dieser spontanen Gefühlsäußerung, die zum Ausdruck brachte mit welcher Herzlichkeit ich dort aufgenommen wurde. Ich fühlte, dass die Liebe, die ich in jeden Moment hinein gegeben hatte, den wir gemeinsam verbrachten, nun zurück kam. So beruhigte ich alle mit den Worten, dass ich meine Rückreise auf den späten Abend oder die Nacht verlegen würde, so dass noch viele Stunden vor uns lagen. Er und ich verabschiedeten uns nach dem Essen von den drei betagten Herrschaften und begannen die letzten gemeinsamen Stunden.
Es wurde ein fantastischer Tag. Die Sonne schenkte uns viel Wärme, ich lernte Freunde von ihm kennen, mit denen wir den Nachmittag am See verbrachten und wir teilten glückliche Momente miteinander. Es war sehr viel Spaß dabei und doch spürte ich langsam, dass die Zeit gekommen war zu gehen. Ich wollte in mein eigenes Leben zurückkehren. Am Abend saßen wir dann ein letztes Mal gemeinsam in seiner Küche