Mein Baby schreit zu viel. Georgius Anastolsky
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Es hilft ihnen keiner, mit dem Phänomen des Schrei-Babys klarzukommen. Dreißig Prozent der Neugeborenen schreien unbändig, manche auch schon vom ersten Tag an. Kinderärzte haben wenig Zeit und geben vielleicht zwischen Tür und Angel noch den einen oder anderen gut gemeinten Beruhigungs-Tipp. Dass aber erstmal die Ursache des Schreiens herausgefunden werden muss, darauf kommen die Wenigsten. Der spontane Hinweis auf Blähungen ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Was aber, wenn den Säugling etwas anderes quält?
Erwachsene kann man leicht untersuchen: Da tastet der Mediziner mal den Bauch ab, schaut sich mit Ultraschall einzelne Organe genauer an und fragt vor allem den Patienten. Abgesehen davon, dass Kinderärzte solche Möglichkeiten kaum haben, können sie den kleinen Schreier auch nicht befragen. In ihrer Not greifen die Eltern oft in eine große Trickkiste von Behandlungsmöglichkeiten: Sie schaukeln und wickeln, streicheln und summen Liedchen, geben Tees oder baden das Baby – und alles hilft dann nicht. Was nun?
Dieses eBook gibt jungen Eltern nun eine gezielte Hilfe an die Hand, die Ursachen fürs Schreien erst einmal herauszufinden und dann dagegen gezielt etwas in sanfter Form zu unternehmen. Denn ein wochenlanges oder gar monatlanges Schreien kann ganz schön nerven und an den Rand der eigenen Erschöpfung und Verzweiflung bringen.
Ab wann ist ein Säugling ein Schrei-Baby?
Für die Definition des Schrei-Babys gibt es eine so genannte wissenschaftlich gefundene Dreier-Regel (rule of threes): Ein Baby muss demnach drei Wochen lang an mindestens drei Tagen in der Woche über drei Stunden lang schreien. Dazu kommt noch die Unstillbarkeit der Schrei-Attacken: Nichts hilft wirklich, und das Baby schreit anhaltend durch, kriegt sich gar nicht mehr ein und verschluckt sich dabei auch noch, wird puterrot im Gesicht vor lauter Schreien. Alle Ihre Bemühungen bringen nichts. Ihr Kind schreit einfach – für Sie grundlos – weiter.
Ab diesem Zeitpunkt haben die gestressten Eltern einen echten Schreihals. Dabei wissen die Wenigsten, dass das Schreien bei einem Baby erstmal zum ganz normalen Alltag gehört. Denn wie soll es sich auch sonst artikulieren, wenn die Windeln voll sind, sie Hunger haben oder ihnen ein Bäuerchen quer liegt. Manchmal suchen sie mit Schreien auch nur einfach die Zuwendung der Mutter, körperliche Wärme und wohliges Streicheln. Sie liegen ja die ganze Zeit nur in ihrem Bettchen, während wir Erwachsene mit allen möglichen Dingen beschäftigt sind. Oder etwas unternehmen, aufrecht gehen, kochen oder uns in der Badewanne erholen.
Letztendlich beurteilen einige Mediziner das exzessive Schreien auch medizinisch als „Krankheitswert“ – je nach subjektiv erlebter Belastung des Babys und der Eltern. Danach ergreift man dann auch eine entsprechende Therapie.
Die moderne Medizin ist allerdings heutzutage weit weg davon, das Schrei-Baby als Krankheit zu definieren. Überwiegend wird jetzt davon gesprochen, dass es sich bei Schrei-Babys um ein Beziehungsproblem Kind-Eltern handelt (mit der medizinischen Einordnung als Anpassungsstörung: F 43.2 im international verbindlichen medizinischen Klassifizierungssystem ICD-10).
Man muss sich das einmal plastisch vorstellen: Junge Eltern bekommen zum ersten Mal ein Kind. Sie wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen, machen einiges falsch und sind schlichtweg erstmal überfordert. Irgendwann sind sie auch genervt, und das überträgt sich aufs Kind. Das kleine Würmchen merkt das – und schreit dagegen an. Dann setzt sich ein quälender Kreislauf in Gang. Das Kind schreit, verschluckt sich, pumpt dadurch Luft in seinen Bauch und bekommt dazu auch noch Blähungen. Gepaart mit vielleicht falscher Ernährung kommt es hier zu einem sich potenzierenden negativen Kreislauf. Es muss nicht immer so sein. Aber die überwiegende Zahl medizinischer Studien und Beobachtungen deutet auf diesen Weg stark hin. Insofern ist der Begriff der Dreimonats-Kolik mit Vorsicht zu sehen, weil in der Folge der 1954 gestarteten Untersuchungen ganz andere Beobachtungen gemacht wurden. Einige Mediziner sprechen gar bei der Drei-Monats-Kolik von einer Fehlinterpretation. Sie ist auch heute nicht in der international gültigen medizinischen ICD-Klassifikation, nach der alle Krankheitsbilder einzusortieren sind, zu finden. Sie mag manchmal auch heute noch gelten. Doch die Ursachen fürs Schrei-Baby sind vielschichtiger. Jeder Fall muss individuell untersucht und behandelt werden.
Heute definiert insbesondere die deutsche Kinder- und Jugendpsychiatrie das exzessive Schreien als ein Leitsymptom der Regulationsstörung im Säuglingsalter: eine für das Alter und den Entwicklungsgrad des Säuglings außergewöhnliche Schwierigkeit, sein Verhalten in gleich mehreren Bereichen entsprechend zu lösen: Schlafen, Hunger, Füttern, Windeln wechseln, Bauchschmerzen, Zuneigung, Trost, angenehmes Liegen, Wahrnehmung der Umgebung und so weiter.
Wie entwickelt sich Baby-Geschrei?
Schrei-Babys leiden an dauerhaften, unstillbaren Unruhe- und Schreiattacken. Sie kommen wie aus heiterem Himmel ohne einen ersichtlichen Grund. Alle bisherigen Beobachtungen ergaben, dass ein solches exzessives Schreien meist um die zweite Lebenswoche herum beginnt. In der Regel hört das etwa nach drei bis vier Monaten wieder auf.
Das anfallsartige Schreien der Babys wechselt sich dabei mit Unruhe ab. Bis zur sechsten Lebenswoche nehmen Heftigkeit und Häufigkeit zu. Meist legt sich das dann wieder bis zum dritten Lebensmonat. Doch vier Prozent aller betroffenen Babys schreien bis zum sechsten Monat weiter, selten sogar noch länger.
Das Schreien selbst äußert sich in unstillbaren, rhythmischen Schrei-Attacken ohne erkennbaren Grund. Man sagt im Volksmund: Die Kinder kriegen sich nicht mehr ein. Sie schreien unbändig weiter und ringen dabei nach Luft. Sie reagieren auf nichts mehr. Im Gegenteil: Sie schreien dann eher noch heftiger.
Ein weiteres Merkmal des Schreiens ist: Es tritt häufiger am Abend auf. Grund dafür ist eine Überreizung des Säuglings gegen Abend, weil bei kurzen Schlafphasen (etwa weniger als 30 Minuten) über den Tag verteilt gegen Abend eine Übermüdung des Säuglings mit Überreizung auftritt.
Ein Kind schreit und das andere nicht – warum?
Es ist schon verrückt. Das eine Baby schreit sich die Seele aus dem Leib, und der andere Säugling ist so pflegeleicht, dass es schon unheimlich wirkt. Es ist fast so ungerecht verteilt wie beim Essen. Der eine muss streng haushalten, um sich keinen Rettungsring anzufressen. Ein anderer kann ständig über die Stränge schlagen und nimmt trotzdem keinen Gramm zu (obwohl er es gerne möchte!). Woran liegt das? Was sind die Ursachen des Schreiens?
Dabei ist das gar nicht mal so selten, wie wir in der Einleitung bereits beschrieben haben. Und es muss auch nicht unbedingt negativ sein sowie Spätfolgen in der Entwicklung nach sich ziehen.
Konkrete Ursachen
Wir haben bereits von den Theorien der Drei-Monats-Koliken gehört und dabei festgestellt, dass es eine Variante von vielen sein kann. Aber abgesichert ist das auch nicht. Der kleine Schreihals kann ja nicht sagen, wo der Schuh drückt. Allenfalls kann der Kinderarzt die Magen- und Darmgegend nach Geräuschen abhorchen. Wenn es zu sehr blubbert, kann das Baby unter Blähungen leiden.
Die Forschung auf diesem Gebiet ist leider bis heute noch nicht zu einem klaren Ergebnis darüber gekommen, was die Ursache des Schreiens ist – oder sind es doch mehrere? Aber warum schreien dann alle diese Babys etwa drei Monate lang oder gar länger? Manche vermuten, was aber nicht bewiesen ist, dass es sich um Koliken (Magen-/Darmkrämpfe) handelt. Aber man mag nicht das drei Monate anhaltende Schreien immer nur auf Blähungen im Magen-/Darm-Trakt zurückführen.