Die große Ratlosigkeit. Anton Weiß
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Es scheint eine unbeantwortbare Frage zu sein, welche Bedeutung der Leistung eines Menschen zukommt, wenn er sich moralisch verwerflich verhält. Dabei muss man bedenken, wie relativ moralische Maßstäbe sind: Ist ein Dirigent wie der Russe Valery Gergiev – ein unbestritten herausragender Künstler -, der sich zu Putin und dessen homophober Gesinnung bekennt, für die Münchner Philharmoniker tragbar?
Ist ein Gymnasium tragbar, das den Namen „Wernher von Braun“ trägt, weil selbiger die V2-Raketen für Hitler baute? Ist ein Philosoph unglaubwürdig, weil er sich dem nationalsozialistischen Denken zuneigte wie Martin Heidegger?
In einer Kirche im Bistum Würzburg hat die Volksmusik-Band „Dorfrocker“ Fotoaufnahmen mit einem Nacktmodell vor dem Altar gemacht. Die Kirche verzichtet nun auf ein Strafverfahren, weil sich die Musiker entschuldigt und eine Unterlassungserklärung unterschrieben haben. War ihr Verhalten verwerflich, geschmacklos oder provozierend? Es erinnert an die Punkband Pussi Riot, die ebenfalls in einer Kirche aufgetreten ist, was in Russland nur mit Genehmigung möglich ist. Hier haben im Westen alle deren provokantes Verhalten als Protest gegen Putin gut gefunden und gebilligt.
Messen wir mit zweierlei Maß oder gibt es überhaupt keinen gemeinsamen Maßstab?
Nonnen weigerten sich, Spendengelder von Prostituierten anzunehmen, da sie deren Verhalten als unmoralisch und verwerflich betrachteten.
Pornographie verliert zunehmend ihr Stigma als moralisch fragwürdiges Verhalten. Das Zeitalter des Internet deckt es auf: Pornoseiten sind die meistaufgerufenen Seiten im Internet!
Der Fall Edathy hat Anfang des Jahres 2014 großes Aufsehen erregt, da er, ein SPD-Abgeordneter, Nacktbilder von Kindern auf seinem Rechner hatte, was nach deutschem Recht nicht verboten ist, wohl aber in Kanada, aus dem die Bilder kamen. Als nun der Bundesjustizminister Heiko Maas die Gesetze verschärfen will, erhebt sich Protest aus den Reihen der Kriminologen, Psychiater und Strafrechtler (SZ 14.4.14).
Babyleichen wurden schon in der Tiefkühltruhe oder in Blumentöpfen gefunden, Babys, die von ihrer Mutter gleich nach der Geburt getötet worden waren. In einem aktuellen Fall – 24.4.14 – wird vor Gericht eine Tat verhandelt, wo eine junge Mutter aus egoistischen Motiven ihr Kind umgebracht haben soll. Die 20-Jährige aus Kehlheim soll als damals 18-Jährige den Säugling eine halbe Stunde nach der Geburt am 7. 2. 2013 erstickt und die Kehle durchgeschnitten haben. Ihr sei klar gewesen, dass sich ihre Familie zwar um das Kind kümmern würde, sie aber nicht mehr ihren „zahlreichen sozialen und sexuellen Kontakten ungestört nachgehen hätte können“.
Eine Mutter von zwei Töchtern erdrosselt im Dezember 2012 ihren Sohn unmittelbar nach der Geburt mit einem Handtuch (SZ 3.12.13).
Frankreich erschüttert der Fall Fabienne K., eine Studentin der Philosophie, „ausgesprochen intelligent und gebildet“, die ihr 15 Monate altes Baby im Meer ertränkt hat (ebd.). Offiziell werden in Frankreich 17 Kindsmorde im Jahr registriert, die Dunkelziffer dürfte aber bei 250 liegen!
Ein Vater wirft seine drei Kinder aus dem Fenster im 2. Stock und springt selbst hinterher (SZ 20.3.14).
Immer wieder ist von Familientragödien die Rede. Die SZ vom 2.5.14 berichtet von einem Fall, wo ein 58-Jähriger seine 56-jährige Ehefrau erschlägt und sich dann selbst tötet, indem er sich vor ein Auto wirft. Häufig fallen Anwohner aus allen Wolken, wenn jemand eine ähnliche Tat begeht, da sie den Täter als leutselig und freundlich gekannt und erlebt haben.
Wir leben heute in einer Zeit, in der eine langjährige Partnerschaft nicht mehr möglich zu sein scheint. Die Hälfte der Ehen wird geschieden.
Junge Menschen lassen sich unentwegt von Musik berieseln. Ob beim Joggen oder in Gesellschaft – Musik ist immer dabei, sodass Mediziner vor Gehörschäden warnen. Auch Erwachsene brauchen eine Geräuschkulisse; es gibt Familien, in denen ständig das Radio oder der Fernseher an ist. In jedem Restaurant und in jedem Kaufhaus spielt Musik, und Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kauflust wächst, wenn Musik gespielt wird.
Auch ein Grund, warum viele Jugendliche Musik hören oder Computer spielen: Hier ist man in seiner Welt, ungestört, ohne von Erwachsenen kritisiert zu werden.
Viele ziehen sich in die virtuelle Welt zurück, sei es, dass sie sich mit Ego-Shooter-Spielen beschäftigen, Gewaltvideos anschauen oder mit einer Unzahl von „friends“ im Netz unterwegs sind. Das hat aber auch eine Kehrseite: Fast jeder fünfte Schüler ist von Cybermobbing betroffen; ein junges Mädchen hat sich auf Grund dieses Mobbings das Leben genommen.
Immer häufiger werden Piloten beim Landeanflug auf den Flughafen München von Laserpointern geblendet (SZ 7.4.13), kürzlich ein Lokführer.
Von den Krankenhaus-Ärzten und niedergelassenen Medizinern haben so gut wie alle schon Essenseinladungen, Geschenke oder Tagungsbesuche angenommen. Darin liegt sicher ein Grund, warum Ärzte zu selten günstigere Generika verschreiben (SZ 8.1.13).
Im Mittel bekommt jeder Arzt in den USA 5000 Dollar von der Industrie an Zuwendungen; für Deutschland gibt es keine Zahlen.
150 Ärzte haben sich des massenhaften Abrechnungsbetruges bei Laborleistungen schuldig gemacht. Das ist schon Skandal genug. Eins draufgesetzt hat noch die Justiz: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte 2009 das Verfahren gegen einige Beschuldigte eingestellt, weil angeblich „kein hinreichender Tatverdacht“ gegeben war. Jetzt, 2014, wird der Frage nachgegangen, „wie es hatte dazu kommen können, dass so viele Ärzte nicht weiter juristisch verfolgt wurden“ (SZ 8.5.14).
Ärzte verabreichen und verschreiben häufig bedenkenlos Medikamente und verschweigen deren Nebenwirkungen, obwohl diese immer vorhanden sind (SZ 8.1.14). Viele Mediziner sind von Pharmafirmen beeinflusst (SZ etwa Februar 8.1.2014?).
2009 belegten Medizinexperten, dass 85 % aller Investitionen in bio-medizinische Forschung vergeudet werden, das sind 200 Milliarden von 240 Milliarden weltweit (SZ 8.1.14).
Als der Chef der Pharma-Firma Bayer von Frauen, die unter schweren Nebenwirkungen durch die Einnahme von Verhütungsmitteln zu leiden hatten, vor Entschädigungsforderungen gestellt wurde, antwortete er: „Wir bedauern das Schicksal der Menschen“ und wies jede Verantwortung von Bayer zurück. Der entsprechende Artikel in der SZ vom 30.4./1.5.14 war mit „Moral und Recht“ überschrieben. Was Recht ist, ist noch lange nicht moralisch.
Dass in materialverarbeitenden Betrieben Material von Arbeitern oder Angestellten entwendet wird, ist bekannt. Es gibt aber auch den Fall, dass ein Viertel einer ganzen Belegschaft am Diebstahl beteiligt ist, wie es bei den städtischen Wertstoffhöfen der Stadt München der Fall war. 24 Angestellte (von insgesamt 100) haben über 10 Jahre lang nachts lastwagenweise Sperrmüll vom Gelände geschafft und verhökert (SZ 26./27.4.14).
Drogenkonsum ist ein Problem in allen Gesellschaftsschichten. Dennoch ist es immer wieder erschütternd, wenn Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, zu Drogen greifen. Gerade – Mai 2014 – ist der Bürgermeister von Toronto in die Schlagzeilen geraten. Kurz bevor er beim Crack-Rauchen gefilmt wurde, hat er noch hartnäckig geleugnet. Jetzt hat er zugegeben, jahrelang Crack konsumiert und illegale Drogen gekauft zu haben (SZ 2.5.14).
Mit großem Unverständnis stehen wir den Gebräuchen fremder Kulturen gegenüber und tun uns schwer im Umgang damit: Weltweit werden mehr als 14 Millionen minderjährige Mädchen verheiratet (SZ 25.7.13). Ehrenmorde, die durch Brüder oder Väter an ihren Schwestern bzw. Töchtern begangen werden, haben