Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris Tangel
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Ich konnte früher mit meinem Anders sein nicht umgehen und versuchte verzweifelt zu verbergen dass ich ganz andere Gedanken, Gefühle, Vorlieben und Sehnsüchte hatte. Ich versuchte „mich“ zu verdrängen, getraute mich nie meine Meinung zu sagen, bis ich platzte und hörte nicht auf mich, noch glaubte ich meinen eigenen Gefühlen. Ich nahm mich gar nicht ernst! Ich dachte doch wirklich lange, alle müssen das Gleiche fühlen, mögen, wollen und denken, tu ich das nicht, bin ich nicht in Ordnung!
Das zerriss mich in tausend Stücke und ich war nur damit beschäftigt, es anderen Recht zu machen, bis ich in meinem eigenen Leben nicht mehr vorkam! Ein großer Schmerz, das elendige Gefühl der Nichtexistenz, auf den schnell ein Pflaster geklebt werden musste, jeden Tag aufs Neue. Ich wollte es nicht sehen und ich wollte mich nicht fragen müssen was mit mir los war. Wer war ich überhaupt und warum war ich in meinem eigenen Leben nicht anwesend und wessen Leben lebte ich überhaupt?
Ich hatte auch ständig den Eindruck, alles was ich tat gab es schon, war schon dagewesen und mein Süpplein hatte schon ein bucklig´ Männlein gegessen (ein Horrorreim aus dem Kindergarten, der mir oft schlaflose Nächte bereitete, es gab sogar eine Zeichnung von dem Männlein!). Meine Arbeit, meine Kunst, meine Ideen waren nichts Neues? Nichts Einzigartiges? Ich war ersetzbar! So unnütz. Warum atmete ich eigentlich?
Gab es mich womöglich woanders schon, ohne dass ich von meiner Doppelexistenz wusste? Dachte jemand meine Gedanken, malte meine Bilder, sang meine Lieder, weinte meine Tränen?
Als ich als Kind von einer Nachbarin erfuhr dass es noch ein anderes Mädchen mit meinem Vornahmen gab, war ich entsetzt und dachte das wäre ein zweites Mich. Ich verlor den Boden unter meinen Füßen und fiel fast in Ohnmacht, während die umstehenden Kinder sich über mich totlachten. Ich verstand sie nicht. Was war daran so lustig? Ich wusste nicht was mein zweites Ich täglich tat! Wie sollte ich Kontrolle über mich finden können wenn ich noch nicht einmal wusste wo das andere ich wohnte? Das spaltete mein Gehirn.
Ich wusste lange nicht dass es Heilung für alles gibt, auch für das verrückteste Zeugs. Ich brauchte Heilung für meine verlorengegangene Seele. Außerdem musste ich einen Glauben an das Gute finden und kultivieren, auch wenn ich dachte dass das idiotisch ist, da das Gute nur in Märchen vorkommt und für die anderen bestimmt ist.
Das Leben ist böse und da draußen wartet nur das Unheil auf mich. Ich bewegte mich immer an einem Abgrund entlang, wie in einem immer wiederkehrenden Albtraum meiner Kindheit, in dem mich ein Mann mit Hut verfolgte und auf einen Abgrund zuhetzte, bis ich in die Tiefe fiel und vom Aufprall jedesmal erwachte.
(Der äußere Rand ist wie ein Nervenkostüm und es gibt nicht nur eine Welt aus dem man manchmal ausbrechen möchte (die dunkle Mitte). Ich war gefangen in der Dunkelheit meiner Vergangenheit. Die Berge symbolisieren die Jetztwelt, in die ich wieder zurückfinden wollte, um das Gestern hinter mir lassen zu können. Aber ich bekam nach langem Ringen nur eine Hand frei. Aber immerhin! Die helfende Hand, die sich mir entgegenstreckt ist aus einer 3. unsichtbaren Dimension, die aber genauso real ist wie unser Tisch in der Küche. Von dort, von oben quasi wurde mir Hilfe zuteil als alles und alle und auch mein Verstand mich verlassen hatten. Und siehe da, ich lebe noch und ich schweige nicht mehr.)
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Die Sucht war das einzige Mittel, einmal 5 Minuten (die aber den ganzen Tag dauerten) nicht daran denken zu müssen. Dieser unerschütterliche Glaube an das Negative ist eine enorme Belastung, wer hält das schon aus, so ganz ohne Hoffnung? Man vegetiert nur, wie ein Champignon im Walde, der wahrscheinlich mehr Freude im Leben hat als ich und man getraut sich noch nicht einmal von einem besseren Leben zu träumen.
Denn auch das erzeugt einen Schmerz weil man ja meint das nie erreichen zu können. Das Wissen, keine Chance zu haben ist wirklich anstrengend. Ich habe Mal gelesen, es ist leichter an eine höhere Macht zu glauben, als spirituell völlig ungläubig zu sein. Ich konnte nichts und hatte keine Aussichten dass jemals etwas gelingen könnte. Mein Vater sagte immer: „dumm, blöd, nichts dazugelernt und keine Aussichten zu heiraten, haha!“ Wie recht er gehabt hatte…
Eine Geschichte aus einem Buch von Julia Cameron (der Weg des Künstlers, auch für Nichtkünstler), erzählte von einer Frau, die immer davon geträumt hatte Klavier zu lernen und sie meinte: Wenn ich jetzt noch, mit 40 damit anfange bin ich 50 wenn ich es halbwegs kann, das bringt doch nichts mehr. Julia sagte darauf: Du wirst auch so 50 sein, nur mit dem Unterschied dass du dann Klavier spielen kannst!
Ein schönes Beispiel!
Aber bis man zu diesen Weisheiten kommt, muss man sich ins Rad stemmen, viele sehr tiefe Löcher graben und wieder zu schütten und zusehen wie sehr viel Wasser den Main hinunterfließt, bis zum Rhein und ins Meer. Aber irgendwann wird sogar die Leiche deines ärgsten Feindes vorbeigetrieben und du bist frei.
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Die Sucht nach Betäubung nahm bei mir absurde Züge an. Als ich einmal, nach 150 Tausend Jahren ein eigenes Bad hatte, konnte ich sofort nicht mehr aufhören täglich zu baden, obwohl meine Haut schon abfiel. Ich war augenblicklich „drauf“ und sobald der letzte Wasserhahn montiert war und der Handwerker das Haus verlassen hatte, sprang ich hinein und war nicht mehr herauszukriegen.
Am Anfang masturbierte ich noch manchmal im heißen Wasser und schraubte mir dafür einen alten Duschkopf an, bei dem man den Strahl zur Rückenmassage so verstellen konnte dass es mir Lust bereitete. Ich hatte seit 15 Jahren keinen Freund. Aber bald langweilte mich das und wurde auch zu unbequem. Ich verlor das Interesse an körperlicher Befriedigung. Ich brauchte etwas ganz anderes, um innerlich befriedigt zu sein. Außerdem war es öde immer im warmen Wasser nur herumzuliegen. Ich brauchte Unterhaltung, ich brauchte Ablenkung, ich brauchte Futter für meinen Geist.
Ich besorgte mir ein schmales Brett, das genau auf die Ränder der Badewanne passte und machte fortan alles in der Wanne, ich schrieb, las, legte mir die Karten, warf ein I- Ging, schrieb Briefe, telefonierte stundenlang und analysierte meine vielen Träume, für die ich schon unzählige Bücher gelesen habe. Da ich schon immer intensiv träume und dadurch wie in einer 2. Parallelwelt lebe, geht bei mir nachts genauso viel ab wie am Tage, manchmal sogar mehr. Ich werde so auch ganz gut angeleitet, wenn ich nicht weiterweiß, aber es dauerte bis ich lernte darauf zu hören. Traum ist ja nicht gleich Traum und man kann gut unterscheiden zwischen normalem Verarbeiten, Nachrichten von Freunden oder von oben, Erinnerungen an frühere Leben und Wegweisungen. Bestimmte Träume vergisst man komischerweise nie, als wären sie erst gestern gewesen.
Sogar ein altes Trauma, dass bei meiner Therapie unversehens ins Bewusstsein geschwemmt worden war, konnte ich nun dort im beruhigenden Wasser in Ruhe aufarbeiten. Nachdem der Therapeut zu mir nach dieser Sitzung gesagt hatte, er glaubt das nicht, weil es einfach zu unfassbar war dass man so etwas mit kleinen Kindern tun könnte, konnte ich natürlich nicht mehr zu ihm gehen. Es war mir ja selber unheimlich was ich da gesehen hatte, aber ich brauchte einen geschützten Raum und keinen, bei dem ich mich auch noch dafür rechtfertigen musste was erwachsene, studierte und sadistische Kirchenmänner Kleinkindern antun, weil sie meinen dass die zu jung sind um es weiterzuerzählen.
Ich hatte gerade