Der Tod des Michelangelo. Paul Baldauf

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Der Tod des Michelangelo - Paul Baldauf

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      PAUL BALDAUF

       Gedichte

      Afrika – Auf eine Fotografie

      Ihr reicht zum Stehen selbst kaum noch die Kraft

      Als sie ihr Kind auf ihre Schultern nimmt

      Sie weiß nicht mehr, wie weit sie es noch schafft

      Da sie schon merkt, wie ihr die Sicht verschwimmt

      Auf seine Knie legt sie ihm ihre Hände

      Und er sucht Halt, indem er sie umfasst

      ...Wenn ich nur bald etwas zu essen fände

      Für meinen Sohn, für meine arme Last...

      Sie streichelt ihm − sie hofft, dass er es spürt −

      Die Beine: Überlang und dünn wie Speichen

      Sein Kopf ist ihm vor Hunger aufgebläht

      Sie sucht nach Brot, wo man Gewalt gesät

      Und spürt, dass seine Kräfte nicht mehr reichen

      Nur dieses bleibt ihr: Dass sie ihn berührt

      Alter Mann in der Bahnhofskneipe

      Gehüllt in Nikotin

      Bestellt er „Noch ein Bier!“

      Glasigen Blicks,

      Beteuernd, dass er viel vertrüge

      Dabei sind des Gesichtes Züge

      Schon fast entgleist, gekippt...

      Und seine Hand, sie hält sich – „H i c k s“ –

      Am Bierglas fest – an dem er nippt –

      Als gebe es ihm Halt – Nun klopft er Sprüche

      Niemand hört zu und sie verhallen

      Und Schluck um Schluck kommen die inneren Brüche

      Zur Oberfläche und sein L a l l e n

      Um das des Rauches Schwaden

      Ziehen, verliert sich – er verliert den Faden

      „Z A H L E N! F R Ä U L E I N !“

      Er möchte Worte wechseln – sie den Schein

      Ein Schlager aus der Box bringt ihn zur Tür

      Dann geht er, wie er kam: Allein

      Herbstspaziergang im Höhenpark Killesberg

      Der Herbst malt wieder seine Aquarelle

      Entnimmt dem Teich dazu das Wasser

      Gesichter, Blätter werden blasser

      Doch in der leichtbewegten Welle

      Seh‘ ich in so viel Zwischentönen

      Wie sie nur hergibt, die Palette

      Im Spiegelbild, wie um die Wette

      Die Bäume mir den Nachmittag verschönen

      Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle

      Sieht vom Gerüst, beim Malen, er hernieder

      Wird ihm leicht schwindlig, er liegt ausgestreckt

      So viele Stunden schmerzen ihm die Glieder

      Die Haut ist wund, die ihm die Farbe leckt

      Die Augen brennen ihm, er muss sie schützen

      Beim Malen sie ganz eng zusammenkneifen

      Er zieht das Knie hoch, seinen Arm zu stützen

      Um sich zum nächsten Bild nach vorn zu schleifen

      Bald kommt die Nacht – Er wird nicht runter steigen

      Um Zeit zu sparen, die so schnell verrinnt

      Er fühlt, Bilder, die LEBEN, wird er schaffen

      Er wird es allen Zweiflern, Neidern zeigen

      Damit sie, wenn sie in die Höhe gaffen

      Ein LEBEN sehn – zu dem sie Bilder sind

      Auf das Gemälde Die Erschaffung Adams von Michelangelo

      Adam liegt da, wie erst zu sich gekommen

      Mit Gliedern, wie sie Liebe modelliert

      Und vom L e b e n d i g s e i n noch wie benommen

      Hebt er den Blick: Erstmals erstaunt, verliert

      Er sich im GOTT-Anschauen, um sich zu finden

      Der beiden Augenpaare sind ganz zugewandt

      Die Arme deuten an, sich zu verbinden

      Und doch: Für sich bleibt eines jeden Hand

      Denn kurz bevor die Finger sich berühren

      Verhalten sie die suchende Bewegung

      GOTT lässt mich frei, scheint Adam nun zu spüren

       Und bleibt, im Innersten, mir dennoch nah

      Und als er JA sagt zu der Überlegung

      Klingt sie im Innern aus in: GOTT IST DA

      Michelangelo – Pietá

       Ich sehe sie, verborgen unter Glätte...

      Er schaut von allen Seiten und umfasst

      Den Marmor mit den Händen, um die Wette

      Setzt er das Bild zusammen, bis es passt

       Ich werde sie befreien, die Figuren!

      

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