Frühlings Erwachen - kurze Fassung. Франк Ведекинд
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melchior: Du hast mich doch auch gefragt.
moritz: Weiß Gott ja! – Möglicherweise hatte Hänschen auch schon sein Testament gemacht. – Wahrlich ein sonderbares Spiel, das man mit uns treibt. Und dafür sollen wir uns dankbar erweisen! Ich erinnere mich nicht, je eine Sehnsucht nach dieser Art Aufregung verspürt zu haben. Warum hat man mich nicht ruhig schlafen lassen, bis alles wieder still gewesen wäre. Meine lieben Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können. So bin ich nun hergekommen, ich weiß nicht, wie, und soll mich dafür verantworten, dass ich nicht weggeblieben bin. – Hast du nicht auch schon darüber nachgedacht, Melchior, auf welche Art und Weise wir eigentlich in diesen Strudel hineingeraten?
melchior: Du weißt das also noch nicht, Moritz?
moritz: Wie sollt ich es wissen? – Ich sehe, wie die Hühner Eier legen, und höre, dass mich Mama unter dem Herzen getragen haben will. Aber genügt denn das? – Ich erinnere mich auch, als fünfjähriges Kind schon befangen worden zu sein, wenn einer die dekolletierte Coeurdame aufschlug. Dieses Gefühl hat sich verloren. Indessen kann ich heute kaum mehr mit irgendeinem Mädchen sprechen, ohne etwas Verabscheuungswürdiges dabei zu denken, und – ich schwöre dir, Melchior – ich weiß nicht, was.
melchior: Ich sage dir alles. – Ich habe es teils aus Büchern, teils aus Illustrationen, teils aus Beobachtungen in der Natur. Du wirst überrascht sein; ich wurde seinerzeit Atheist. Ich habe es auch Georg Zirschnitz gesagt! Georg Zirschnitz wollte es Hänschen Rilow sagen, aber Hänschen Rilow hatte als Kind schon alles von seiner Gouvernante erfahren.
moritz: Ich habe den Kleinen Meyer von A bis Z durchgenommen. Worte – nichts als Worte und Worte! Nicht eine einzige schlichte Erklärung. O dieses Schamgefühl! – Was soll mir ein Konversationslexikon, das auf die nächstliegende Lebensfrage nicht antwortet.
melchior: Hast du schon einmal zwei Hunde über die Straße laufen sehen?
moritz: Nein! – – – Sag mir lieber heute noch nichts, Melchior. Ich habe noch Mittelamerika und Ludwig den Fünfzehnten vor mir. Dazu die sechzig Verse Homer, die sieben Gleichungen, der lateinische Aufsatz – ich würde morgen wieder überall abblitzen. Um mit Erfolg büffeln zu können, muss ich stumpfsinnig wie ein Ochse sein.
melchior: Komm doch mit auf mein Zimmer. In dreiviertel Stunden habe ich den Homer, die Gleichungen und zwei Aufsätze. Ich korrigiere dir einige harmlose Schnitzer hinein, so ist die Sache im Blei. Mama braut uns wieder eine Limonade, und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung.
moritz: Ich kann nicht. – Ich kann nicht gemütlich über die Fortpflanzung plaudern! Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann gib mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib mir auf, was du weißt. Schreib es möglichst kurz und klar und steck es mir morgen während der Turnstunde zwischen die Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, dass ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhin können, es müden Auges zu durchfliegen … falls es unumgänglich notwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen.
melchior: Du bist wie ein Mädchen. – Übrigens wie du willst! Es ist mir das eine ganz interessante Arbeit. – Du willst schon gehen, Moritz?
moritz: Arbeiten machen. – Gute Nacht.
melchior: Auf Wiedersehen.
Erster Akt, Dritte Szene
Thea, Wendla und Martha kommen Arm in Arm die Straße herauf.
thea: Dein Zopf geht auf, Martha; dein Zopf geht auf!
martha: Puh – lass ihn aufgehn! Er ärgert mich so Tag und Nacht. Kurze Haare tragen wie du darf ich nicht, das Haar offen tragen wie Wendla darf ich nicht, Ponyhaare tragen darf ich nicht, und zu Hause muss ich mir gar die Frisur machen – alles der Tanten wegen!
wendla: Ich bringe morgen eine Schere mit in die Religionsstunde. Während du »Wohl dem, der nicht wandelt« rezitierst, werd ich ihn abschneiden.
martha: Um Gottes willen, Wendla! Papa schlägt mich krumm, und Mama sperrt mich drei Nächte ins Kohlenloch.
wendla: Womit schlägt er dich, Martha?
martha: Manchmal ist es mir, es müsste ihnen doch etwas abgehen, wenn sie keinen so schlecht gearteten Balg hätten wie ich.
thea: Aber Mädchen!
martha: Hast du dir nicht auch ein himmelblaues Band durch die Hemdpasse ziehen dürfen?
thea: Rosa Atlas! Mama behauptet, Rosa stehe mir bei meinen pechschwarzen Augen.
martha: Mir stand Blau reizend! – Mama riss mich am Zopf zum Bett heraus. So fiel ich mit den Händen vorauf auf die Diele. – Mama betet nämlich Abend für Abend mit uns …
wendla: Ich an deiner Stelle wäre ihnen längst in die Welt hinausgelaufen.
martha: … Da habe man’s, worauf ich ausgehe! – Da habe man’s ja! – Aber sie wolle schon sehen – o sie wolle noch sehen! Meiner Mutter wenigstens solle ich einmal keine Vorwürfe machen können …
thea: Hu – Hu –
martha: Kannst du dir denken, Thea, was Mama damit meinte?
thea: Ich nicht. – Du, Wendla?
wendla: Ich hätte sie einfach gefragt.
martha: Ich lag auf der Erde und schrie und heulte. Da kommt Papa. Ritsch – das Hemd herunter. Ich zur Türe hinaus. Da habe man’s. Ich wolle nun wohl so auf die Straße hinunter …
wendla: Das ist doch gar nicht wahr, Martha.
martha: Ich fror. Ich habe die ganze Nacht im Sack schlafen müssen.
thea: Ich könnte meiner Lebtag in keinem Sack schlafen!
wendla: Ich möchte ganz gern mal für dich in deinem Sack schlafen.
martha: Wenn man nur nicht geschlagen wird.
thea: Aber man erstickt doch darin!
martha: Der Kopf bleibt frei. Unter dem Kinn wird zugebunden.
thea: Und dann schlagen sie dich?
martha: Nein. Nur wenn etwas Besonderes vorliegt.
wendla: Womit schlägt man dich, Martha?
martha: Ach was – mit allerhand. – Hält es deine Mutter auch für unanständig, im Bett ein Stück Brot zu essen?
wendla: