Am Rio de la Plata. Karl May

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Am Rio de la Plata - Karl May

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aber doch in höflichem Tone:

      »Ein Faultier bin ich nie gewesen. Wir haben fleißig gearbeitet, monatelang. Wir mußten im Urwalde leben mit den wilden Tieren und wie dieselben; wir haben mit ihnen um unser Leben kämpfen müssen und sind bei Tag und Nacht an der Arbeit gewesen. Wir freuten uns auf den Ertrag unseres Fleißes und der Entbehrungen, welche wir uns auferlegten, nun aber machen Sie uns unsere Freude zunichte, da Sie Ihr Versprechen nicht halten.«

      »Das brauche ich nicht, denn die Lieferung traf um zwei Tage zu spät hier ein.«

      »Zwei Tage! Sennor, ist das eine so bedeutende Zeit? Haben Sie irgend einen Schaden davon?«

      »Natürlich, denn wir liefern infolgedessen auch zu spät und müssen uns also einen Abzug bis zu zwanzig Prozent gefallen lassen.«

      »Soll ich das wirklich glauben?«

      »Natürlich!« brauste Tupido auf. »Ihr müßt es mir Dank wissen, daß ich Euch nicht mehr als ganz dasselbe abziehe. Ich versprach Euch zweihundertvierzig Papierthaler für den Pack Thee. Zwanzig Prozent gehen ab, macht hundertzweiundneunzig; zwei Thaler Schreibgebühr, bleiben hundertneunzig Papierthaler. Multipliziert damit die Zahl der Ballen, welche Ihr geliefert habt, so werdet ihr finden, daß Ihr uns grad noch zweihundert Papierthaler schuldet. Ihr habt uns nicht den Wert des Vorschusses und Proviantes geliefert, welchen Ihr erhieltet.«

      »Wenn Sie uns solche Abzüge machen, Sennor, so ist Ihre Rechnung allerdings richtig. Aber ich bitte, zu bedenken, daß ich einen Ochsen für hundert Papierthaler bekomme, während Sie uns das Stück mit hundertfünfzig berechnet haben. Einen ähnlichen Aufschlag haben Sie uns bei allen übrigen Artikeln auch gemacht; da können wir nicht auf die Rechnung kommen. Anstatt Geld ausgezahlt zu erhalten, bleiben wir in Ihrer Schuld. Ich habe keinen einzigen, armseligen Peso in der Tasche. Ich soll hier für meine Gefährten einkassieren und ihnen das Geld bringen. Sie warten mit Schmerzen auf dasselbe; anstatt Geld aber bringe ich ihnen neue Schulden. Was soll daraus werden!«

      »Fragt doch nicht so albern! Abarbeiten müßt Ihr es!«

      »Dazu haben wir nicht länger Lust. Wir haben beschlossen, uns einen andern Unternehmer zu suchen.«

      »Mir auch recht. Ich finde genugsam Theesammler, welche gern für mich arbeiten. In diesem Falle müßt Ihr aber die zweihundert Papierthaler zahlen, und zwar sofort!«

      »Das kann ich nicht. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich ohne alle Mittel bin. Und ich bitte Sie, zu bedenken, daß wir auf die bisherige Weise nie so weit kommen können, unsere Schuld abzutragen. Was Sie uns liefern, wird uns zu den höchsten Preisen angerechnet, und wenn wir die Früchte unserer schweren Arbeit, bei welcher wir fortgesetzt das Leben wagen, bringen, so giebt es regelmäßig so bedeutende Abzüge, wie der heutige ist. Wir treten aus Ihrem Dienste.«

      »Dagegen habe ich ja gar nichts; nur müssen die zweihundert Thaler sofort bezahlt werden. Dort sitzt der Kassierer! Wer so auftreten will wie Ihr, der muß auch Geld haben!«

      Der arme Teufel sah verlegen vor sich nieder. Ich fühlte Mitleid mit ihm. Er war ein Theesammler. Ich hatte gelesen, welch ein beschwerliches und gefährliches Leben diese Leute führen. Er und seine Genossen sollten um den Lohn ihrer Arbeit gebracht und mit ihren Familien der Not überantwortet werden, nur um sie in größere Abhängigkeit von dem reichen Unternehmer zu bringen. Dieser Sennor Tupido war jedenfalls ein sehr würdiger Kompagnon meines hinterlistigen Yankee.

      Der Theesammler legte sich auf das Bitten. Er gab die besten Worte, ihm den kleinen Betrag doch nachzulassen. Vergebens.

      »Das Einzige, wozu ich mich verstehen kann, ist die Gewährung einer Frist,« erklärte schließlich der harte Geschäftsmann. »Zahlt Ihr die zweihundert Pesos bis heute abend, dann gut; wenn aber nicht, so habt Ihr bis auf weiteres in meinem Dienste zu bleiben, um die Schuld abzuarbeiten. Das ist mein letztes Wort. jetzt geht!«

      Der Arme schlich betrübt davon. Als er an mir vorüberging, raunte ich ihm zu:

      »Draußen warten!«

      Er warf einen schnellen, froh überraschten Blick auf mich und ging; ich aber schritt auf den Herrn des Geschäftes zu. Dieser musterte mich scharf und forschend, kam mir dann einige Schritte entgegen, verbeugte sich sehr tief und fragte:

      »Sennor, was verschafft mir die unerwartete Ehre eines mich so überraschenden Besuches?«

      Es war klar, daß auch er mich für einen andern hielt. Ich antwortete in einem nicht übermäßig höflichen Tone:

      »Mein Besuch ist für Sie nicht ehrenvoller, als jeder andere auch. Ich bin ein einfacher Mann, ein Fremder, der diesen Brief abzugeben hat.«

      Er nahm den Brief, las die Adresse, betrachtete mich abermals und sagte mit einem diplomatisch sein sollenden Lächeln:

      »Aus New York, von meinem Kompagnon! Stehen Sennor bereits mit diesem in geschäftlicher Beziehung? Es hätte mich unendlich gefreut, vorher von Ihnen durch einen Avis unterrichtet zu werden.«

      »Als ich Ihren Kompagnon zum erstenmale sah, wußte ich von Ihnen gar nichts.«

      Das machte ihn doch in seiner Ueberzeugung irre. Er schüttelte den Kopf, brach den Brief auf, ohne zu bemerken, daß das Siegel vorher verletzt worden war, und las ihn. Sein Gesicht wurde länger und immer länger; sein Blick flog zwischen mir und den Zeilen herüber und hinüber. Endlich faltete er ihn wieder zusammen, steckte ihn in die Tasche und sagte:

      »Höchst sonderbar! Sie sind also wirklich ein Deutscher? Derjenige, von welchem dieses Empfehlungsschreiben handelt?«

      »Ich darf allerdings vermuten, daß in diesem Briefe von mir die Rede ist.«

      »Sie werden mir in demselben auf das allerwärmste empfohlen, und ich stelle mich Ihnen in jeder Beziehung zur Verfügung.«

      »Danke sehr, Sennor! Doch ist nicht meine Absicht, Ihnen Mühe zu bereiten.«

      »O bitte, von Mühe kann gar keine Rede sein! Sie sahen mich gewissermaßen erstaunt. Das war infolge einer ganz bedeutenden Aehnlichkeit, welche Sie mit einem in den bessern Kreisen sehr bekannten Herrn besitzen.«

      »Darf ich erfahren, wer dieser Herr ist?«

      »Gewiß. Ich meine nämlich Oberst Latorre, von welchem Sie vielleicht gehört oder gelesen haben.«

      »Ich kenne allerdings den Namen dieses Offiziers, an welchen sich gewisse Zukunftshoffnungen zu knüpfen scheinen. Seien Sie versichert, daß meine Aehnlichkeit mit ihm nur eine äußerliche ist. Ich bin ein einfacher Tourist und besitze weder für Politik noch für Kriegskunst die geringste Lust oder gar Begabung.«

      »Das sagt Ihre Bescheidenheit. Mein Kompagnon teilt mir mit, daß Sie sich jahrelang bei den Indianern befunden haben: eine Art kriegerischen Sinn müssen Sie also doch besitzen. Hoffentlich habe ich das Vergnügen, von den Abenteuern zu hören, welche Sie erlebt haben. Würden Sie mir die Ehre erweisen, heute abend bei mir das Essen einzunehmen?«

      »Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«

      »So bitte ich Sie, sich um acht Uhr in meiner Privatwohnung einzustellen, welche Sie auf dieser Karte verzeichnet finden. Kann ich Ihnen für jetzt noch in etwas dienen?«

      »ja, wenn ich bitten darf. Ich möchte Ihnen dieses Papier zustellen.«

      Ich

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