Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym. Edgar Allan Poe

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym - Edgar Allan Poe страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym - Edgar Allan Poe

Скачать книгу

einen Zustand tiefen Schlafes, der eher einer Betäubung glich. Meine Träume waren von der fürchterlichsten Art. Jeglichem Unheil, jedem Entsetzen wurde ich zur Beute. Neben andern Schrecknissen sah ich mich von Dämonen, deren Aussehen ebenso gespenstisch als blutdürstig war, unter ungeheueren Kissen erstickt. Gigantische Schlangen umwanden mich und sahen mich dabei mit ihren schauerlichen, glühenden Augen an. Dann dehnten sich Wüsten vor mir aus, ohne Grenzen, namenlos öde und voll feierlichen Grausens. Endlos hohe Baumstämme, grau und ohne Laub, erhoben sich in unendlicher Folge, so weit der Blick zu reichen vermochte. Ihre Wurzeln verbargen sich in weiten Morästen, deren trübselige Gewässer in tiefster Schwärze bewegungslos und vollkommen entsetzenerregend vor mir lagen. Und die seltsamen Bäume schienen mit menschlichem Leben begabt, und indem sie ihre dürren Astgerippe wie Arme bewegten, flehten sie im Ton gräßlichster Angst und Verzweiflung die schweigenden Wasser um Erbarmen an. Dann wandelte sich die Szene; ich stand, nackt und allein, inmitten des brennenden Sandmeers der Sahara. Zu meinen Füßen kauerte ein grimmer tropischer Löwe. Auf einmal öffneten sich seine wilden Augen, und sie fielen sogleich auf mich. Mit einem krampfhaften Ruck richtete er sich auf und entblößte seine scheußlichen Zähne. Im nächsten Augenblick barst sein roter Schlund in einem Gebrüll, das dem Donner des Firmaments glich, und ich stürzte mit Ungestüm auf den Boden hin. Ich erstickte einen Krampf des Entsetzens und erkannte endlich, daß ich halb wach war. So schien mein Traum denn mehr als ein Traum zu sein. Jetzt wenigstens war ich wieder Herrscher über meine Sinne. Die Tatzen eines riesenhaften, eines wirklichen Ungeheuers drückten schwer auf meine Brust, sein heißer Atem fauchte in mein Ohr, seine weißen, grauenhaften Reißzähne schimmerten vor meinen Augen in der Finsternis.

      Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht sprechen, hingen auch tausend Leben von der Regung eines Gliedes, vom Aussprechen einer Silbe ab. Das Tier, welcher Art es auch sein mochte, blieb in seiner Stellung, ohne sogleich zur Gewalt überzugehen, während ich vollkommen hilflos und, wie ich glaubte, sterbend unter seinen Pranken lag. Die Kräfte des Leibes und der Seele verließen mich – mit einem Wort, ich war daran, zugrunde zu gehen vor namenlosem Entsetzen. Mein Hirn wirbelte, mir wurde todesübel, meine Sehkraft schwand, selbst die glotzenden Augäpfel über mir begannen zu verblassen. Mit einer letzten heftigen Anstrengung hauchte ich ein kurzes Gebet und machte mich bereit zu sterben. Der Klang meiner Stimme schien all die schlummernde Wut des Geschöpfes wachzurufen. Es stürzte sich der Länge nach über meinen Körper; aber wie erstaunte ich, als es, unter langgedehntem, leisem Winseln, mit dem größten Eifer und allen Zeichen grenzenloser Freude und Zärtlichkeit mir Gesicht und Hände zu lecken sich anschickte! Ich war verwirrt, verloren in Verwunderung; aber ich konnte mich über das eigenartige Winseln meines Neufundländers Tiger, über die wunderliche Manier, in der er mich zu liebkosen pflegte, nicht einen Augenblick täuschen. Er war es. Das Blut raste mir nach den Schläfen. Mit betäubender Gewalt überfiel mich die Empfindung, gerettet, von neuem Leben erfüllt zu sein. Rasch erhob ich mich von der Matratze, warf mich an den Hals meines treuen Gesellen und befreite meine Brust vom langen Druck durch eine Flut der leidenschaftlichsten Tränen.

      Wie schon zuvor in einem ähnlichen Fall waren meine Begriffe in einem Zustand größter Unklarheit und Verwirrung. Lange Zeit konnte ich keinen Gedanken mit dem andern verknüpfen; aber nach und nach, obwohl sehr langsam, kehrte mir die Denkkraft wieder, und ich vermochte mancherlei Umstände ins Gedächtnis zurückzurufen. Tigers Anwesenheit konnte ich mir nicht erklären; und nachdem ich mir über die Ursache seines Erscheinens vergeblich den Kopf zerbrochen hatte, mußte ich mich mit der Freude begnügen, daß er hier war, meine traurige Einsamkeit zu teilen, mich durch seine Liebkosungen zu trösten. Die meisten Menschen lieben ihre Hunde; aber meine Zärtlichkeit für Tiger war nichts Alltägliches; und in der Tat erwies sich kein Geschöpf je einer solchen Neigung würdiger. Sieben Jahre lang war er mein unzertrennlicher Gefährte gewesen, und oft schon hatte er die edlen Eigenschaften bewährt, die wir am Hunde schätzen. Als er ganz klein war, hatte ich ihn einem kleinen Nantucketer Bösewicht entrissen, der ihn am Strick ins Wasser schleppen wollte; und drei Jahre später belohnte mich der erwachsene Hund, indem er mich vor dem Knittel eines Straßenräubers bewahrte.

      Die Uhr war wiederum abgelaufen; doch das wunderte mich nicht im geringsten, da ich aus dem sonderbaren Zustand meiner leiblichen Empfindungen die Gewißheit schöpfte, daß ich abermals sehr lange geschlafen hatte; wie lange, konnte ich natürlich nicht sagen. Ich brannte im Fieber, der Durst war nahezu unerträglich. Ich durchsuchte den Koffer mit der Hand nach dem geringen Wasservorrat, der mir noch übriggeblieben war, denn ich hatte kein Licht, die Kerze war ausgebrannt, und die Phosphorhölzer konnte ich nicht finden. Leider war der Krug leer, da Tiger ohne Zweifel, der Versuchung nachgebend, ihn ausgetrunken hatte; den Rest des Schöpsenfleisches hatte er ebenfalls gefressen, denn der Knochen lag, sauber abgenagt, nahe der Öffnung des Koffers. Jenes verdorbene Fleisch konnte ich wohl entbehren, aber mein Herz erbebte bei dem Gedanken an das Wasser. Ich war von solcher Schwäche, daß ich wie in einem kalten Fieber bei der kleinsten Bewegung oder Anstrengung von Schauern gerüttelt wurde; dazu kam noch, daß die Brigg heftig stampfte und rollte, so daß die Ölfässer jeden Augenblick von meinem Koffer herunterzufallen und den Aus- oder Eingang zu versperren drohten. Auch litt ich furchtbar an der Seekrankheit. All dies bewog mich, auf jede Gefahr hin die Falltür aufzusuchen und sofortige Hilfe zu erlangen, bevor mir jede Fähigkeit dazu schwinden würde. Nachdem dieser Entschluß gefaßt war, fühlte ich wieder nach der Phosphorschachtel und den Kerzen. Die Schachtel fand ich nach einigem Suchen, die Kerzen aber nicht so bald, wie ich gehofft hatte, denn ich entsann mich nicht genau des Ortes, an den ich sie gelegt, und so gab ich das Suchen vorläufig auf, befahl Tiger Ruhe und begann sogleich meinen Gang nach der Falltür.

      Bei diesem Versuch kam meine jammervolle Schwäche mehr denn je an den Tag. Mit der äußersten Mühe nur konnte ich kriechend den Weg zurücklegen, und wiederholt brach ich vollständig zusammen; dann fiel ich aufs Gesicht und verharrte minutenlang in einem Zustand, der an Bewußtlosigkeit grenzte. Doch kämpfte ich mich langsam weiter, in der steten Furcht, ich könnte inmitten dieses Chaos von Gerümpel in Ohnmacht sinken, was unbedingt zu meinem Tode führen mußte. Endlich aber drang ich mit aller Gewalt vorwärts und schlug mit der Stirn heftig gegen die scharfe Ecke eines Eisenkorbes. Nur wenige Augenblicke betäubte mich dieser Zufall; doch zu meiner unaussprechlichen Betrübnis zeigte es sich, daß die schlingernde Bewegung des Schiffes den Korb derart über meinen Weg geworfen hatte, daß der Durchgang vollkommen versperrt war. Mit der furchtbarsten Anstrengung konnte ich ihn keinen Zollbreit fortbewegen, da er zwischen Koffern und Schiffsgerät fest eingekeilt lag. Ich mußte daher, trotz meiner Schwäche, entweder der Führung durch die Leine entraten oder das Hindernis zu übersteigen suchen. Jene erste Möglichkeit bot zuviel Schwierigkeiten und Schrecken, als daß ich ohne Schauder daran hätte denken können. Wagte ich das in meinem gegenwärtigen Zustand, so würde ich unbedingt die Richtung verlieren und auf elende Weise in den trostlosen und ekelhaften Irrgängen des Kielraums zugrunde gehen. Daher nahm ich ohne Zögern alle Kraft, allen Mut, die mir noch geblieben waren, zusammen, um so gut als irgend möglich über den Korb hinwegzuklimmen.

      In dieser Absicht richtete ich mich auf und fand das Unternehmen noch schwieriger, als meine Furcht es mir gezeigt hatte. Auf jeder Seite des Engpasses stieg eine wahre Mauer verschiedenartigen schweren Gerümpels in die Höhe, das der kleinste Fehltritt, den ich tat, auf meinen Kopf herabstürzen lassen konnte; oder es würde, geschah dies nicht, der Pfad durch die fallenden Massen so versperrt werden, daß ich nicht wieder zurückzugelangen imstande wäre. Der Korb war länglich und ungeschlacht, ich hätte nicht darauf Fuß fassen können. Umsonst strebte ich, den Deckel zu erreichen, in der Hoffnung, mich hinaufschwingen zu können. Gelang es mir, so hätte meine Kraft gewiß nicht ausgereicht, um mich hinüberzuziehen, und daß es mir mißglückte, war jedenfalls das beste. Endlich, bei einem verzweifelten Versuch, das Ding hochzuheben, fühlte ich ein starkes Beben an der mir zunächstliegenden Seite. Ich steckte die Hand hinein und fand, daß eines der Bretter an der von eisernen Reifen umspannten Kiste sich gelockert hatte. Mit meinem Taschenmesser, das ich zum Glück bei mir trug, gelang es mir nach harter Arbeit, das Brett loszumachen; ich kroch durch die Öffnung und entdeckte zu meiner großen Freude, daß auf der anderen Seite keine Planken seien; mit einem Wort: es fehlte der Deckel, ich hatte mich durch den Boden durchgezwängt. Jetzt blieben keine Schwierigkeiten

Скачать книгу