Die Millionengeschichte. Edgar Wallace

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Die Millionengeschichte - Edgar Wallace

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mild, überlegen und vor allem Herr der Situation. Bis zu einem gewissen Grad war ihm das allerdings gelungen, aber die Begegnung hatte sich doch reichlich prosaisch abgewickelt und hatte nichts von dem geheimnisvollen, märchenhaften Charakter, von dem er geträumt hatte. Für Margaret mußte er natürlich ein großes Rätsel sein.

      John übergab dem Mann von der Garage das Auto. Wieder im Zimmer, zog er einen Vorhang vor, der den großen Raum teilte. Am hinteren Ende war ein Tisch gedeckt; er brauchte nur noch die elektrische Kaffeemaschine einzuschalten.

      Nach kurzer Zeit kam Margaret die Treppe herunter. Er hatte erwartet, daß ihr der Schlafanzug und der Bademantel zu groß wären und sie nicht kleiden würden, aber sie sah sogar elegant darin aus. Den großen Schalkragen des Bademantels hatte sie mit einer Sicherheitsnadel im Nacken zusammengesteckt, so daß er ihren schönen Kopf umrahmte. Und irgendwo hatte sie ein seidenes Tuch gefunden, das sie als Gürtel benutzte. Das weite Kleidungsstück wirkte daher gar nicht unförmig, sondern hob im Gegenteil ihre schöne Gestalt noch besonders hervor.

      Sie setzte sich vor den elektrischen Heizofen und hielt die Hände dagegen.

      »Die sehen nicht gerade sehr schön aus«, sagte sie und lachte ihn freundlich an. »Aber Sie werden wohl begreifen, daß ich bei dem Leben nicht meine Hände pflegen konnte. Kann ich Ihnen helfen, Kaffee zu kochen? Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr getan.«

      »Nein, danke, das verstehe ich auch ganz gut«, erwiderte John und lächelte ihr zu. »Wärmen Sie sich nur. Übrigens ist der Raum oben, der dem Badezimmer gegenüberliegt, für Sie bestimmt. Ich habe absichtlich die Tür aufgelassen, und ich freue mich, daß Sie es sich bequem gemacht haben.« Er warf einen Blick auf das bunte Seidentuch, das sie so malerisch umgeschlungen hatte.

      Plötzlich hob sie den Kopf und lauschte. Der Sturm hatte bedeutend an Heftigkeit zugenommen und trieb die Regenschauer gegen die Fensterscheiben. Sie zitterte ein wenig und zog ihren Stuhl näher an den Heizofen.

      »Ein entsetzliches Wetter! Es wäre furchtbar gewesen, wenn ich die Nacht auf dem Hügel im Freien hätte zubringen müssen.«

      Sie summte ein kleines Lied und beobachtete ihn dabei.

      Er war so merkwürdig weiblich in all seinen Bewegungen und lächelte gern wie eine Frau, der es gutgeht und die sich glücklich fühlt. Seine Hände waren schmal und zart; sie konnte es deutlich sehen, als er an der Kaffeemaschine hantierte. Traurig betrachtete sie ihre eigenen und verzog das Gesicht.

      »Ich liebe Komfort und eine schöne Umgebung«, sagte er. »Und ich habe auch große Vorliebe für altes, feines Porzellan, für kunstvoll geschmiedetes Silber, für gute Musik und zarte Lyrik. Spielen Sie eigentlich Klavier?«

      »Ja, ein wenig.«

      »Dann müssen Sie mir nach dem Essen etwas von Grieg vorspielen.«

      Wieder lachte sie.

      Es erschien ihr merkwürdig, daß sie sich so schnell in dieser Umgebung zu Hause fühlte. Der Mann kam ihr auch nicht mehr so unheimlich vor; außerdem konnte sie es sich ja auch nicht gestatten, andere Menschen argwöhnisch zu betrachten. Sie mußte mit allem zufrieden sein, was man ihr gab.

      »Gute Musik verlangt aber auch einen guten Vortrag. Und ich bin schon lange aus der Übung.«

      Während sie sich behaglich wärmte, warf sie doch ab und zu von der Seite einen Blick auf ihn und beobachtete ihn neugierig. Keine seiner Bewegungen entging ihr. Sie sah, daß er etwas aus der Tasche nahm – eine kleine Glasröhre, deren Korken er herauszog. Eine kleine, weiße Tablette fiel in eine der Tassen. Sie war noch nervös von den Erlebnissen des Tages, erschrak nun und sprang auf. Es kamen ihr plötzlich furchtbare Erinnerungen.

      »Was haben Sie da eben gemacht?« fragte sie mit ängstlicher Stimme.

      Er sah sie erstaunt an.

      »Was soll ich denn gemacht haben?«

      »Was haben Sie hier hineingetan?«

      Sie nahm die Tasse und ließ die Tablette in ihre Hand gleiten.

      »Was ist das?«

      »Aber beruhigen Sie sich doch. Das ist eine Saccharintablette – ich nehme keinen Zucker.«

      »War das denn Ihre Tasse?« fragte sie und errötete. »Ach, es tut mir unendlich leid. Ich bin noch so aufgeregt. Sie können das wohl verstehen.«

      »Schon gut«, sagte er beruhigend und klopfte ihr freundlich auf die Hand. »Um Gottes willen, ich wollte Ihnen doch nichts tun! Denken Sie mal, wenn ich das beabsichtigte, hätte ich doch vorher schon viel bessere Gelegenheit dazu gehabt.«

      »Es tut mir leid«, wiederholte sie noch einmal leise. »Es war sehr undankbar von mir. Sie müssen sich ein recht schlechtes Urteil über mich bilden.«

      »Aber nein, durchaus nicht. Ich kenne ja die besondere Lage, in der Sie sich befinden.«

      Trotz all ihrer Entschuldigungen beobachtete sie aber die Tasse genau, bis er sie mit Kaffee und Milch füllte, und sorgsam warf sie einen Blick in ihre eigene, ehe sie sich eingießen ließ. Das Essen schmeckte ihr sonst vorzüglich. Schließlich öffnete er auch noch eine Flasche Wein, achtete aber sorgsam darauf, daß er nicht mehr einschenkte, als sie wünschte. Zum Abschluß des Essens bot er ihr noch verschiedene Liköre an, schob ihr nachher ihren Sessel wieder nahe an den Heizofen und nahm ihr gegenüber Platz.

      »Margaret Smith – oder soll ich Sie lieber Margaret nennen? –, ich möchte ganz offen mit Ihnen reden, denn ich bin sicher, daß Sie mir deshalb nicht böse sind. Selbstverständlich ist alles, was ich Ihnen erzähle, vertraulich. Ich weiß auch, daß Sie niemals darüber sprechen werden. Zwei Ereignisse aus Ihrer Vergangenheit sind mir bekannt, sonst nichts. Und ich möchte auch nicht mehr wissen. Erstens habe ich erfahren, daß Sie bis heute morgen im Frauengefängnis von Aylesbury waren, wo Sie eine lebenslängliche Zuchthausstrafe absitzen sollten. In England bedeutet eine solche Verurteilung eine Strafe von zwanzig Jahren, sie kann aber durch gutes Verhalten um einige Jahre gekürzt werden. Welches Verbrechen Sie begangen haben, daß man Sie so schwer bestrafte, habe ich nicht erfahren und mich auch nicht darum gekümmert. Von Ihrer Strafe haben Sie bis jetzt drei Jahre abgesessen, Sie hätten also noch weitere siebzehn Jahre im Zuchthaus bleiben müssen.«

      »Nein, zwölf«, verbesserte sie. »Es wären noch zwölf gewesen, wenn ich nicht aus der Anstalt entkommen wäre. Sollten sie mich jetzt allerdings wieder fassen, so muß ich siebzehn Jahre absitzen, dann wird mir nichts geschenkt werden.«

      »Nun ja, es bleibt bei den beiden Tatsachen: Sie sind aus der Anstalt geflohen und müßten noch siebzehn Jahre absitzen, wenn Sie wieder gefangen würden. Wenn ich also nicht mit meinem Wagen in die Gegend gekommen wäre und Sie am Fuß von Whitecross Hill getroffen und nach London mitgenommen hätte, dann hätte man Sie wahrscheinlich wieder gefaßt, und Sie säßen in diesem Augenblick wieder in einer Zelle in Aylesbury und warteten auf eine weitere Verurteilung.«

      Sie nickte.

      »Ich

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