Die Millionengeschichte. Edgar Wallace

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Die Millionengeschichte - Edgar Wallace

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lachte.

      »Keine Angst. Ich verlasse dieses Haus nicht, wenn ich nicht jemand bei mir habe, der mich in Schutz nehmen kann.«

      »Sie sind klug und vorsichtig. Und soweit ich sehe, sind Sie auch unter einem guten Stern geboren. Ich rate Ihnen nur, achten Sie sehr darauf.«

      »Auf die Sterne?« rief sie vom obersten Treppenabsatz herunter, und ihre Stimme klang etwas verächtlich.

      »Sie mögen jetzt im Augenblick darüber lachen«, entgegnete er überzeugt. »Aber für mich haben sich Astronomie und Astrologie sehr wohl bezahlt gemacht.«

      Sie ging ins Schlafzimmer hinauf und setzte sich oben auf die Bettkante. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, während sie hörte, daß er unten umherging. Einmal sang er sogar leise eine einschmeichelnde Melodie. Seine Stimme hatte einen sonderbaren Klang, der ihr zu Herzen ging. Nach einer Weile knipste er das Licht aus, dann schloß er die Haustür von außen. Sie lehnte sich lächelnd in die Kissen zurück. Seit langer Zeit fühlte sie einmal wieder zartes Leinen und weiche Daunenkissen. Sie wußte gar nicht, wie müde sie war. Das kam ihr erst zum Bewußtsein, als sie wieder aufwachte. Sie glaubte, sie hätte nur die Augen geschlossen und wieder aufgemacht, aber merkwürdigerweise war es heller, lichter Morgen.

      3

      Inzwischen wanderte Sands durch den rieselnden Regen nach dem Berkeley Square. Von diesem vornehmen Platz, an dem nur reiche Leute wohnen, biegt die Davis Street ab, eine Durchgangsstraße, in der viele kleinere, aber vornehme Geschäfte liegen.

      Über einem dieser Läden wohnte Harry Leman. Seine Nichte führte ihm die Wirtschaft, denn obwohl er mehr als acht Millionen Dollar besaß, lebte er einfach, ja beinahe asketisch. Es grenzte fast an Geiz, daß er schon fünf Jahre in einer möblierten Wohnung zugebracht hatte.

      Als John Sands eintrat, lag Leman auf einem Sofa, das nahe am Fenster stand. John Sands war ein so vertrauter Freund, daß er Haus- und Wohnungsschlüssel besaß und zu jeder Zeit freien Zutritt hatte. Das Zimmer war nur durch eine Leselampe mit einem schönen, grünen Seidenschirm erleuchtet. Sie stand auf einem kleinen Tisch in der Nähe des Sofas. Im Kamin brannte ein behagliches Feuer. Leman wandte sich um – er hatte eben aus dem Fenster gesehen – und erhob sich langsam. Er war groß, aber etwas zu hager. Sein schwarzer Anzug war ihm mit der Zeit etwas zu weit geworden, und auch der glatte weiße Kragen ließ darauf schließen, daß der Mann in den letzten Jahren abgenommen haben mußte. Das schmale Gesicht hatte eine bräunliche Färbung. Als einziges Schmuckstück trug er eine große, elegante Goldkette, die von einer Westentasche zur anderen reichte.

      Seine Wäsche war sehr einfach, aber tadellos sauber, und seine Schuhe sahen gut gepflegt aus. Harry Leman putzte sie jeden Morgen selbst. An Größe war er John Sands bei weitem überlegen; selbst jetzt in der gebückten Haltung überragte er ihn. Er nickte nach dem kleinen Büfett an der Wand hinüber. Dort standen auf einem Tablett zwei gefüllte Kristallgläser mit goldbraunem, altem Kognak. Sands reichte seinem Gastgeber ein Glas, das andere trank er selbst mit einem Zug aus. Diese kleine seltsame Zeremonie wiederholte sich jedesmal, wenn sich die beiden trafen.

      »Sie sind heute zehn Minuten zu spät gekommen«, sagte Leman und wischte sich mit dem Taschentuch über den Mund. »Holen Sie die Karten.«

      »Ja. Und ich werde auch Licht machen«, erwiderte Sands und drehte am Schalter.

      Er ging zu einem kleinen Schrank, nahm zwei Pack Karten und einen Anschreibeblock heraus und legte beides auf den Tisch.

      »Warum schauen Sie denn aus dem Fenster? Was interessiert Sie so sehr?« fragte John neugierig, denn die Nacht war dunkel, und man konnte draußen kaum etwas erkennen.

      »Ich beobachte den Zeitungsreporter, der drüben sein Zimmer hat. Ich kann ihn von hier aus sehen. Er ist wieder eifrig an der Arbeit.«

      »Was ist denn das für ein Berichterstatter?« fragte John überrascht.

      Leman räusperte sich.

      »Er hat seine Wohnung gerade mir gegenüber und ist einer der Leute von Holland Brown, dem Besitzer der ›New York Mail‹.«

      »Woher kennen Sie ihn denn?« fragte John gespannt.

      »Er kam heute in meine Wohnung und wollte mich interviewen«, entgegnete der Millionär gleichgültig. »Neugierig sind die Leute ja immer. Er wollte wissen, wann ich nach New York zurückreise, und vor allem, ob es stimmt, daß ich verheiratet sei.«

      Leman lachte laut.

      »Ich glaube, das interessiert die Amerikaner gewaltig«, sagte John, während er die Karten mischte.

      »Ja, die wissen auch nicht, was sie machen sollen«, brummte Leman. »Ich habe allerdings immer im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Sehen Sie, Sands, Holland Brown kann es sich unter diesen Umständen leisten, einen Mann nach England zu schicken, der weiter nichts zu tun hat, als mich zu beobachten und über mich zu berichten. Lesen Sie eigentlich amerikanische Blätter? Die sind höchst interessant! Alle Leute schreiben von mir. Die Leser fressen jeden Artikel, den sie über mich finden.«

      »Hat denn der junge Mann drüben nichts anderes zu tun, als nur über Sie zu berichten?« fragte John Sands.

      Der Alte grinste.

      »Ich weiß ebensoviel von ihm wie er von mir. Mit dem nächsten Dampfer fährt er nach New York zurück. Er hat einen ganzen Koffer voll neuer Geschichten über den sonderbaren alten Kauz Harry Leman. Einige habe ich ihm selbst erzählt, einige hat ihm Faith berichtet. Wenigstens nehme ich das an.«

      »Wie kommt denn Faith dazu?« fragte Sands und zog die Augenbrauen hoch. »Sie gestatten doch Ihrer Nichte nicht etwa, daß sie mit einem solchen Mann verkehrt?«

      »Aber warum denn nicht? Sie steht doch gesellschaftlich nicht höher als er. Ich möchte sogar sagen, der Zeitungsmann ist wertvoller als sie. Er verdient sich wenigstens fünfzig Dollar die Woche durch seine Schreiberei, und sie hat gar nichts – und sie wird auch nichts bekommen.«

      »Ziehen Sie eine Karte, damit wir wissen, wer Vorhand hat.«

      Sie spielten Piquet. Harry Leman spielte es schon seit langer Zeit, und dies war eigentlich seine einzige Erholung und Leidenschaft. Ebenso war dieses Spiel auch das Bindeglied zwischen diesen so ungleichen Charakteren, ja, darauf gründete sich überhaupt die merkwürdige Freundschaft zwischen ihnen. John Sands war geradezu ein Meister in diesem Spiel, aber Harry Leman stand ihm kaum nach.

      »Um was spielen wir heute?« fragte er.

      »Um hunderttausend Dollar den Punkt«, erklärte Leman prompt.

      »Das heißt also: einen Cent den Punkt, und einen Dollar für den Rubber, wie gewöhnlich«, erwiderte John ernst und verteilte die Karten. »Wo ist eigentlich Faith?« fragte er dann.

      »Auf ihrem Zimmer. Sie sucht ihre

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