Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall. Norbert Buchner
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Riesige runde Anlagen aus der Jungsteinzeit hat man an Hand von Bodenverfärbungen erstmals im niederbayrischen Flüssedreieck zwischen Donau, Vils und Isar entdeckt. Es ließen sich Ringwälle, Gräben und Siedlungsgruben orten. Die erste Anlage dieser Art fand man in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bei Kothingeichendorf nahe Landau an der Isar. Bis Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts entdeckte man dann in Niederbayern insgesamt 7 solcher Anlagen. Mittlerweile konnte mittels Luftbildarchäologie eine Vielzahl weiterer Kreisanlagen, etwa zweihundert, gefunden werden. Sie verteilen sich auf Niederbayern, Niederösterreich, die Slowakei, Mähren, Böhmen, Nordungarn, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Im niederösterreichischen Weinviertel nördlich von Wien finden sich diese Kreisanlagen besonders dicht gedrängt. Die größte bisher gefundene Anlage hat einen Durchmesser von 135 Metern. Von den ersten Anlagen in Niederbayern ist jene von Künzing-Unternberg besonders spektakulär, denn sie nimmt eine Fläche von etwa 8 Hektar ein. Die Region von Künzing war in mehreren Epochen von Bedeutung, weil dort das Hügelland endet, welches vom Bayrischen Wald über die Donau nach Süden greift, und sich nach Westen hin die breite Donauebene auftut. Diese Pforte zu einer weiten fruchtbaren Ebene genoss sowohl in der Jungsteinzeit als auch noch später bei Römern und Bajuwaren eine besondere Aufmerksamkeit. Der Bau der Anlage wurde auf etwa 4900 v.Chr. datiert, also in die Phase eines scharfen Anstiegs von Temperatur und Fruchtbarkeit (Abb. 13). Schon kurz zuvor waren erste neolithische „Städte“ in der Slowakei entstanden und die neue Bauidee breitete sich in kürzester Zeit über Niederösterreich, Mähren und Böhmen bis nach Ostbayern aus. Die jüngeren Gründungen zwischen Donau, Vils und Isar waren aber größer als die älteren Schwestern im Osten: die Entwicklung kam hier also auf der Höhe des Klimaoptimums (s.Abb. 13) zur Kulmination! Innerhalb weniger Jahrzehnte wurden nun überall in den erwähnten Regionen riesige „Heiligtümer“ errichtet.
Künzing-Unternberg scheint ein Zentralort gewesen zu sein, der von einer größeren Bevölkerung der Gegend errichtet wurde. Ein tiefer Spitzgraben mit anschließendem Palisadenzaun aus Eichenpfählen umschloss ein Areal von etwa 8 Hektar, in dem sich einige Langhäuser befanden. Innerhalb dieses Areals lag der eigentliche Kernbezirk, der wieder von einem doppelten Spitzgraben und einem doppelten Palisadenzaun eingeschlossen war.
Die Anlage in Künzing hatte allerdings nicht lange Bestand, denn schon nach etwa eineinhalb Jahrhunderten wurde sie wieder aufgegeben. Das große Klimaoptimum verfiel rasch, denn wegen der hohen Temperaturen ist wieder Schmelzwasser in das Meer eingespült worden, welches die Temperatur schnell absenkte (s.Abb. 13).Um 4750 v.Chr. ist auch ein großer Vulkanausbruch im Grönländer Gletschereis verzeichnet.
Die verschiedenen bisher gefundenen Anlagen sind zwar unterschiedlich gestaltet; es verbinden sie aber einige Gemeinsamkeiten. Sie lagen außerhalb der eigentlichen Ortschaften, oft auf einer Anhöhe, und sie sind von 1 bis 3 – und in einem Falle 5 –sehr spitzen Gräben mit einer Tiefe von 3 bis 5 Metern umgeben. Über Erdbrücken kam man zu teilweise aufwändig gestalteten Toranlagen in den Palisadenringen mit astronomischer Ausrichtung, meist auf den Aufgang der Sonne zur Wintersonnwende. Es gibt aber auch Kreisanlagen, die auf markante Sternbilder gerichtet waren.
Eineinhalb Jahrtausende vor dem Aufblühen der sumerischen Hochkultur und fast zwei Jahrtausende vor dem Bau der Pyramiden in Ägypten und der Errichtung von Stonehenge in England schufen die Bandkeramiker im südlichen Zentraleuropa schon monumentale Großanlagen und sie betrieben Astronomie! Das übersteigt wohl alle Vorstellungen, welche man noch vor wenigen Jahrzehnten von dieser vorgeschichtlichen Zeit hatte!
Das große Klimaoptimum hat auch andernorts für Auftrieb und Ausbreitung von Menschen und Kulturen gesorgt. Das 2756 Meter hohe Schnidejoch zwischen Wallis und Berner Oberland ist bekannt geworden für seine spektakulären Funde aus dem Klimaoptimum kurz nach 3000 v.Chr., der Zeit, in welcher u.a. die sumerische Hochkultur aufblühte. Menschen haben dieses hohe Joch aber ganz offensichtlich auch schon in früheren Warmphasen benutzt, denn man fand dort eine Holzschüssel mit einem Alter von 6800 Jahren, also aus der Hochphase der steinzeitlichen Kolossal-Rundanlagen.
Mit dem zeitweiligen tiefen Klimaeinbruch um 4750 v.Chr. ist die Idee der Kreisanlagen nicht völlig erloschen. An anderer Stelle errichtete man später weiter solche Anlagen, so z.B. beim heutigen Hopferstadt in der Nähe des Mains in Unterfranken. Die dortige Anlage aus 3 Kreisen von Gräben und Palisaden hatte einen Außendurchmesser von 150 bis 160 Meter. Ein Ende für lange Zeit setzte der Idee der Kreisgräben erst ein scharfer Einbruch von Temperatur, Feuchtigkeit und vor allem der Fruchtbarkeit um 4400 v.Chr. (vgl.Abb. 13). Die Sonnenaktivität zeigte in dieser Zeit einen starken Verfall und im Eis von Grönland sind wieder 2 Vulkanausbrüche verzeichnet. Lit. 13.3
Blüte der Alteuropäischen Donauzivilisation auf dem Balkan
Der starke Wiederaufschwung des Klimas vor etwa 7500 Jahren bescherte nicht nur eine Expansion und erste kulturelle Blüte der Bandkeramiker in Mitteleuropa, sondern er leitete auch eine einzigartige kulturelle Entwicklung auf dem Balkan ein.
Im Jahre 1870 wurden in Turdas in Transsylvanien im Westen Rumäniens Tonscherben mit eingeritzten Zeichen gefunden, welche dann aber wieder weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Fast ein Jahrhundert später, im Jahre 1961, lenkte jedoch eine neue Entdeckung das Interesse wieder auf diesen frühen Fund: im transsylvanischen Tartaria, 20 Kilometer von Turdas entfernt, fand man die mittlerweile berühmten „Tafeln von Tartaria“ sowie eine Reihe von gebrannten Tonfiguren wie auch Figurinen aus Alabaster. Aber auch diesmal erkannte man die Brisanz der Funde zunächst nicht, weil sie fälschlicherweise einer viel jüngeren Zeit zugeordnet wurden. Neuere Datierungen verursachten dann aber eine große Aufregung, denn sie messen den Funden nun ein Alter bis zu 7500 Jahren zu! Sicher datiert wurden die Täfelchen von Tataria erst im Jahre 2004. Schon vorher hatte M.Gimbutas Forschungen zu diesen Funden und der dahinter stehenden Kultur zu ihrem Lebenswerk gemacht. So schrieb sie 1991: „Im 5. und frühen 4.Jahrhundert v.Chr … hatten die Alteuropäer Städte mit einer beachtlichen Konzentration an Einwohnern, Tempel, die mehrere Stockwerke hoch waren, eine Sakralschrift, geräumige Häuser mit 4 oder 5 Räumen, professionelle Töpfer, Weber, Kupfer- und Goldschmiede und andere Kunsthandwerker, die eine breite Palette hoch entwickelter Güter produzierten. Es gab ein blühendes Netzwerk von Handelswegen, auf dem Waren wie Obsidian, Muscheln, Marmor, Kupfer und Salz über Hunderte von Kilometern transportiert wurden“. Einen großen Aufschwung der Forschung zur Donauzivilisation brachte dann der politische Umschwung des Jahres 1989. Heute kennt man eine ganze Reihe von Fundstellen dieser frühen Zivilisation. Sie setzen schon in der Anfangsphase des Klimaaufschwungs um 5500 v.Chr. ein, welcher eine lange überwiegend günstige Klimaphase einleitete.
Nach einer frühen Fundstelle dieser Kultur, Vinća an der Donau südlich von Belgrad, wurde diese Kultur zunächst „Vinća-Kultur“genannt. Vinća wurde um 5500 v.Chr. gegründet als günstig gelegener Zentralort einer großen Region an der Donau und ihrer Zubringer. Heute bevorzugt man für diese Kultur die Bezeichnung „Donauzivilisation“ oder„Alteuropäische Donauzivilisation“. Sie umfasst einen großen Raum an der Donau und ihren Nebenflüssen, angefangen im Nordwesten mit dem Bereich Wien/südliches Slowakien bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer und weiter hinauf über Moldavien bis in die südliche Ukraine.
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