Die seltsame Gräfin. Edgar Wallace
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die seltsame Gräfin - Edgar Wallace страница 4
Krach!
Dem Fahrer des großen, eleganten Wagens war es im letzten Augenblick gelungen, sein Auto zum Stehen zu bringen; trotzdem war er noch leicht mit dem alten Ford zusammengestoßen. Das Mädchen hatte die Hände am Steuer ihres Wagens und schaute verzweifelt auf die zerbrochene Windschutzscheibe. Michael Dorn ließ seinen Wagen langsam rückwärtsrollen, so daß das lange Trittbrett seines Wagens aus dem Schutzblech des anderen herauskam, und er bewies dabei eine so höfliche Geduld, daß es ihr noch peinlicher war, als wenn er ihr Vorwürfe gemacht hätte.
»Sagen Sie doch etwas – irgend etwas Heftiges – oder meinetwegen schimpfen Sie! Es ist doch besser, daß man sich die Sache vom Herzen herunterredet, als daß man seinen Groll in sich hineinfrißt.«
Graue Augen, durch dunkle Wimpern gehoben, dachte er. Auch hatte sie eine feingeformte Nase, wie er sie an Frauen so gern hatte, Ihr Kinn gefiel ihm, und da sie es angriffslustig gehoben hatte, konnte er auch ihren Hals sehen, der ihm trotz des seidenen Halstuchs in den schreienden roten und gelben Tönen in der Form vollkommen erschien. Sie war sehr geschmackvoll, wenn auch einfach gekleidet.
»Ich habe ja gar keinen Groll und bin höchstens etwas verwirrt. Aber wenn ich schon etwas aussetzen soll, so muß ich sagen, daß mir Ihr Halstuch durchaus nicht gefällt.«
Sie schaute an dem Tuch herunter, das sein Schönheitsgefühl beleidigte, und runzelte die Stirn.
»Sie haben kein Recht, mich mit Ihrem Wagen anzurennen, weil Ihnen mein Halstuch nicht gefällt«, sagte sie kühl. »Wollen Sie bitte noch weiter zurückfahren, damit mein Auto freikommt? Hoffentlich sind Sie versichert?«
Er fuhr rückwärts. Sie hörte, wie Blech schrammte und Glassplitter zur Erde fielen, dann war ihr Wagen wieder frei.
»Sie sind mit einer Geschwindigkeit von vierzig Meilen aus der Seitenstraße herausgekommen – Ihr Wagen wäre sicher umgeschlagen, wenn ich Sie nicht angefahren hätte«, sagte er halb entschuldigend. »Ich hoffe jedoch, Sie haben sich nicht verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht verletzt, aber ich glaube, mein Chef wird sehr böse sein, wenn er den Schaden sieht. Immerhin, Sie haben Ihren Zweck erreicht, Mr. Dorn, Sie haben auf diese Weise meine Bekanntschaft gemacht.«
Er fuhr auf und wurde rot.
»Sie nehmen doch hoffentlich nicht an, daß ich diesen Zusammenstoß absichtlich herbeigeführt hätte, um Ihre Bekanntschaft zu machen?«
Als sie ernst nickte, war er wie vom Donner gerührt und starrte sie groß an.
»Sie folgen mir schon seit Monaten«, sagte Lois ruhig. »Sie machten sich sogar die Mühe, mit einer Stenotypistin in Shaddles' Büro bekannt zu werden, nur um mit mir zusammenzukommen. Ich weiß, daß Sie mich stets auf dem Heimweg verfolgen – einmal nahmen Sie denselben Autobus wie ich, und auf dem einzigen Ball, den ich in diesem Jahr besuchte, waren Sie auch.«
Michael Dorn machte sich am Steuer zu schaffen und war im Augenblick sprachlos. Sie war sehr ernst geworden. Ihre wundervollen Augen sahen ihn mit einem leisen Vorwurf an.
»Nun ja, wirklich –«, begann er zögernd. Dann fehlten ihm die Worte.
Sie wartete, daß er seinen angefangenen Satz beenden würde.
»Also wirklich –?« Ein schwaches Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. »Nun, Mr. Dorn, es ist ja kein Vergehen von einem Mann, ein junges Mädchen treffen zu wollen – das sehe ich ein. Es wäre lächerlich von mir, mich dadurch beleidigt zu fühlen. Aber wie ich schon ihrer Gesandtin, Miss Lizzy Smith, sagte –«
Er schaute rasch auf und wollte etwas erwidern, aber sie fuhr unbeirrt fort.
»Ich wünsche Ihre Bekanntschaft wirklich nicht, und ich bezweifle nicht, daß Lizzy Ihnen das von mir ausrichtete. Deshalb halte ich Ihr Benehmen auch für ein wenig – wie soll ich es gleich nennen?«
»Aufdringlich heißt das Wort, das Sie suchen«, sagte er kühl. »Ich will zugeben, daß es fast so aussieht.«
Er stieg langsam aus, ging an ihren Wagen und stützte seine Arme auf die Oberkante des Schlages.
»Bitte, glauben Sie mir, Miss Reddle, daß mir nichts ferner liegt, als Sie zu belästigen. Wenn ich nicht so ungeschickt gewesen wäre, würden Sie niemals erfahren haben, daß ich Sie –« Es fehlte ihm wieder das richtige Wort. Sie vollendete seinen Satz. Obwohl er so ernst war, mußte er lachen.
»Verfolgen ist ein häßliches Wort, ich wollte es eben etwas liebenswürdiger ausdrücken«, sagte er.
Als sie ihn jetzt ansah, gefiel ihr der treue, fröhliche Blick seiner blauen Augen doch, und hätten sie sich in diesem Augenblick getrennt, ohne noch mehr miteinander zu sprechen, so hätte sie freundlicher von ihm gedacht. Aber er setzte die Unterhaltung fort.
»Wo wollen Sie an diesem schönen Herbstmorgen hin?«
Sie wurde wieder ablehnend und zurückhaltend.
»Wenn Sie mir jetzt folgen, werden Sie einen Schrecken bekommen. Ich bin nämlich auf dem Weg zum Telsbury-Gefängnis.«
Der Eindruck, den diese Worte auf ihn machten, war verblüffend. Er schaute sie entsetzt und verwirrt an.
»Wohin wollen Sie fahren?« fragte er heiser, als ob er seinen Ohren nicht traute.
»Zum Telsbury-Gefängnis – bitte!«
Sie winkte ihm, Platz zu machen, und der Wagen mit der zerbrochenen Windschutzscheibe fuhr die breite Chaussee entlang.
»Großer Gott!« sagte Michael Dorn und starrte hinter ihr her.
3
Der düstere Eingang der Strafanstalt von Telsbury wird gnädig von einer Gruppe dunkler Fichten verborgen. Die roten Wände haben mit der Zeit ihre grelle Farbe verloren, und wenn nicht der hohe Turm in der Mitte emporragte, würde ein Wanderer daran vorübergehen, ohne das Gebäude zu bemerken.
Lois hatte das Gefängnis schon zweimal besucht, um Aufträge ihres Chefs dort zu erledigen. Einer seiner Klienten hatte eine Frau wegen Betrugs angezeigt. Sie war zu fünf Jahren verurteilt worden. Es war nun notwendig, ihre Unterschrift unter gewisse Dokumente zu erhalten, um die Aktien, die betrügerischerweise verschoben worden waren, ihrem rechtmäßigen Eigentümer wieder zustellen zu können.
Sie ließ ihren Wagen an der Seite des hohen Straßentors halten, stieg aus und klingelte. Gleich darauf wurde ein Gitter von einem Fenster zurückgeschoben, und die wachsamen Augen des Pförtners richteten sich auf sie. Obwohl er sie wiedererkannte, mußte sie ihm doch erst ihren Passierschein zeigen. Dann schloß er auf und führte sie in einen mit Steinfliesen gepflasterten Raum. Die Einrichtung war sehr einfach, sie bestand nur aus einem Pult mit einem Schreibsessel, einem einfachen Tisch und zwei Stühlen.
Der Wärter las den Passierschein noch einmal durch und drückte dann auf eine Klingel. Er, die beiden Leute, die ihn ablösten, und der Direktor der Anstalt waren die einzigen Männer, die in diese Mauern kamen. Sein Tätigkeitsfeld beschränkte sich auf