Grossfuss. Edgar Wallace

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Grossfuss - Edgar Wallace

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Staatsanwalt sein; aber wenn er vor den Richtern erscheint, ist er gänzlich unfähig – das kann ich Ihnen versichern.«

      »Sind Sie ein alter Freund von Mr. Cardew?« fragte Elfa, die bemüht war, das Gespräch in liebenswürdigere Bahnen zu lenken.

      Elson strich sich über das nicht allzu gut rasierte Kinn.

      »Er ist doch mein Nachbar – ein vorzüglicher Anwalt, nicht wahr?« Er beobachtete sie unter halbgeschlossenen Augenlidern.

      »Mr. Cardew übt seine Praxis nicht mehr aus«, sagte sie. Er lachte laut.

      »Detektivgeschichten sind doch seine starke Seite?« kicherte er.

      »Ich habe bisher noch nie einen erwachsenen Mann gesehen, der sich mit solchen Dingen abgibt.«

      Seine bewundernden Blicke wichen nicht von ihrem Gesicht.

      In ihrer unangenehmen Lage schaute sie zu Jim hinüber, der ihren Kummer längst erkannt hatte. Er faßte ihren Blick als einen Hilferuf auf und ging quer durch den Saal, um sie aus Elsons Gesellschaft zu befreien.

      Miss Leigh und Ferraby fiel es auf, daß Mr. Cardew in schlechter Stimmung war. Er schien ganz zu vergessen, weshalb er Jim eingeladen hatte, denn er hatte Hanna noch nicht ein einziges Mal erwähnt. Von Zeit zu Zeit sah er auf seine Uhr und schaute ängstlich, fast furchtsam nach der Tür, und als schließlich die Hausdame steifer, düsterer und unzugänglicher als je erschien und unvermittelt sagte, daß das Essen aufgetragen sei, nahm der Anwalt seine Brille ab und sprach mit fast bittender Stimme:

      »Wollen Sie, bitte, mit dem Essen noch ein paar Minuten warten. Ich habe noch einen guten Bekannten eingeladen, Hanna den Oberinspektor.«

      Sie hielt an sich und sagte nichts.

      »Ich traf ihn heute, und er war sehr nett«, beeilte sich Mr. Cardew entschuldigend hinzuzufügen. »Und ich sehe nicht ein, warum wir schlechte Freunde sein sollten. Ich weiß auch gar nicht, warum ich Ihnen dies sage ...«

      Dann murmelte er noch allerhand Unverständliches. Es war ein komischer Anblick, wie der Hausherr von Barley Stack unter dem Pantoffel seiner Haushälterin stand. Jim war das nichts Neues, denn er hatte schon bei seinen früheren Besuchen diese Erfahrung gemacht. Aber Elfa konnte nur verwundert staunen, als die Frau den Raum mit steifen Schritten verließ und ihre schlechte Laune in jeder Weise zum Ausdruck brachte.

      Cardew war es sehr peinlich.

      »Ich fürchte, Hanna schätzt unseren Freund nicht; das ist mir sehr unangenehm.«

      Er schaute auf Ferraby, als ob der ihn unterstützen sollte.

      »Es gibt nur wenige Hausdamen, die es gerne sehen, wenn man ihre Pläne durchkreuzt«, sagte Jim vermittelnd.

      Nach fünf weiteren ungemütlichen Minuten erschien Hanna wieder in der Tür.

      »Wie lange sollen wir noch warten, Mr. Cardew?« fragte sie unwirsch.

      »Wir gehen jetzt zu Tisch, Hanna«, sagte Cardew, nachdem er schnell auf seine Uhr gesehen hatte. »Ich nehme nicht an, daß unser Freund noch kommt.«

      Elfa saß neben Ferraby an dem runden Tisch. An ihrer anderen Seite stand der leere Stuhl, der für Oberinspektor Minter bestimmt war.

      »Der arme Mr. Cardew«, sagte sie leise.

      Jim grinste, aber ein Blick auf das Gesicht Hanna Shaws, die ihm direkt gegenübersaß, ließ sein Lächeln verschwinden. Sie schaute das Mädchen mit einem so bösen Blick an, daß ihm der Atem stockte. Als die Suppenteller abgetragen wurden, kam der verspätete Gast.

      Super kleidete sich niemals elegant. Jim hatte den Eindruck, daß ihm die schlechtsitzenden Anzüge von einem längst verstorbenen Verwandten vererbt oder daß sie möglicherweise von einem Kellner erworben waren, der sie im Restaurant nicht mehr tragen konnte.

      »Es tut mir sehr leid, meine Damen und Herren«, entschuldigte er sich und sah sich in der Gesellschaft um. »Ich esse sonst niemals auswärts, und gerade, als ich mich zu Bett legen wollte, erinnerte ich mich an Ihre liebenswürdige Einladung. Guten Abend, Miss Shaw!«

      Hanna hob langsam ihren Blick und sah ihn voll an.

      »Guten Abend, Oberinspektor!« sagte sie eisig.

      »Wir haben schönes Wetter; so warm war es noch nie in dieser Jahreszeit. Ich könnte mich wenigstens nicht darauf besinnen.«

      Elfa sah den gestrengen Super zum erstenmal und fühlte unwillkürlich eine Zuneigung zu diesem alten Mann in seinem abgetragenen Frack. Sein Hemd war altmodisch, und zwei Rostflecke auf dem Einsatz machten es unansehnlich. Die Krawatte hatte sich verschoben. Aber seine Haltung war die eines Aristokraten.

      »Er ist prachtvoll ... Ist das der Oberinspektor?« fragte sie, als Supers Aufmerksamkeit durch ein Gespräch mit seinem Gastgeber abgelenkt wurde.

      »Ja, er ist der König aller Detektive in Europa. Hören Sie mal zu, jetzt hat er Cardew wieder zum besten.«

      »Ich gehe höchst selten unter Menschen«, bemerkte Super. »Mir scheint, daß ich zu wenig gesellschaftlich veranlagt bin, als daß man mich einlädt. Ich kann nicht ein Messer vom anderen unterscheiden, und meistens nehme ich das falsche Bierglas. Das ist es ja gerade, wo es bei uns Polizeibeamten fehlt – keine Manieren. Ich sagte noch heute nachmittag zu meinem Sergeanten: ›Wir haben nicht genügend vornehme Amateure bei uns – was wir brauchen, sind Leute, die einen Frack tragen können, ohne daß es aussieht, als ob sie auf einen Maskenball gingen.‹«

      Mr. Cardew schaute argwöhnisch auf seinen Gast.

      »Die Polizei hat ihre festumschriebenen Aufgaben«, sagte er etwas steif. »Der einzige Punkt, in dem wir nicht übereinstimmen, mein lieber Oberinspektor, ist, daß gewisse Fälle feinere Untersuchungsformen oder mehr Verstand und eine weitgehendere Anwendung der Psychologie erfordern.«

      »Das ist sicherlich nötig«, sagte Elson, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, lehnte sich vor und nickte stark mit dem Kopf. »Das ist es, was den Leuten fehlt ...« Plötzlich hielt er inne, denn er hatte einen Blick von Hanna aufgefangen, und Jim Ferraby, der es beobachtete, sah, wie sie ihn warnte.

      »Psychologie ist sicher sehr wertvoll«, stimmte Super bei. »Das ist ja gerade das, was wir brauchen. Jeder junge Beamte müßte darin unterrichtet werden. Nächst Anthropologie ist Psychologie das Wichtigste. Aber ich muß sagen, daß auch gute Beobachtungsgabe nicht zu verachten ist. Ich bin etwas kurzsichtig beim Lesen, aber ich kann eine Million Meilen weit sehen. Lassen Sie die Jalousien nie herunterziehen, Mr. Cardew?«

      Die großen Bogenfenster des Speisesaals waren unten nur mit durchsichtigen Gardinen bedeckt. Die große Rasenfläche draußen lag im Dämmerlicht, und die Ahornbäume am Ende des Gartens zeichneten sich in schwarzen Umrissen von dem tiefblauen Himmel ab. Die Rhododendronsträucher erschienen wie dunkle Flecken.

      »Nein«, sagte Cardew erstaunt. »Warum sollte ich sie auch schließen – wir werden nicht beobachtet –, die Landstraße liegt etwa einen halben Kilometer entfernt.«

      »Ich wundere mich nur«, entschuldigte sich Super. »Ich verstehe nicht viel von vornehmen Villen. Ich lebe in einem kleinen Häuschen und ziehe immer die Jalousien herunter, wenn ich esse. Das macht meine Mahlzeiten gemütlich. Wie viele Gärtner mögen Sie wohl hier haben?«

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