Das Gesicht im Dunkel. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Das Gesicht im Dunkel - Edgar Wallace страница 4
Audrey stand bereits auf der schmutzigen Landstraße, als Dick auf sie zueilte. Auf seinem hübschen Gesicht lag ein reumütiger Ausdruck.
»Es tut mir furchtbar leid! Sie sind doch nicht verletzt?«
Er schätzte sie auf siebzehn Jahre, obwohl sie schon neunzehn zählte. Sie trug billige Konfektionskleidung, war aber sehr schön. Dick fürchtete sich fast davor, ihre Stimme zu hören, denn vermutlich wurden seine Illusionen über dieses schöne Mädchen dann zerstört.
»Nein, ich bin nur etwas erschrocken. Aber nun werde ich meinen Zug nicht mehr erreichen.« Bekümmert schaute sie auf das abgefahrene Rad.
Mit Entzücken hatte er ihrer klaren, reinen Stimme gelauscht. Er hatte sich nicht getäuscht – diese Bettelprinzessin war wirklich eine Dame!
»Sie wollen zum Bahnhof von Barnham?« fragte er eifrig. »Ich komme durch den Ort – und ich muß dem armen Kutscher doch auch Hilfe schicken.«
»Warum passen Sie nicht auf?« schimpfte der Mann wütend. »Haben Sie vielleicht die Landstraße gepachtet?«
Dick knöpfte seinen Mantel auf und nahm eine Visitenkarte und eine Banknote aus seiner Brieftasche.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte er und reichte ihm beides. »Ich schicke Ihnen sofort Leute aus Barnham.« Er wandte sich wieder an Audrey. »Wollen Sie sich mir anvertrauen?«
Lächelnd stieg sie ein. Der Kutscher reichte den Koffer in den Wagen, und Dick nahm seinen Platz am Steuer ein.
»Darf ich Sie nicht ganz nach London bringen?« fragte er, als sich das Auto in Bewegung setzte.
»Danke, ich möchte lieber mit der Bahn fahren. Es ist möglich, daß mich meine Schwester abholt.«
»Sie wohnen hier in der Gegend?«
»Ich hatte eine Geflügelfarm in Fontwell. Aber von Hühnern kann man nicht leben, und ich habe das alte Haus verkauft – oder vielmehr, es hat sich alles in Hypotheken aufgelöst.«
»Wie schön, daß Sie dann eine Schwester haben, die Sie erwartet«, erwiderte er in fast väterlichem Ton, denn sie erschien ihm so jung und schutzbedürftig.
In Barnham stieg er mit ihr aus, brachte ihren kleinen Koffer auf den Bahnsteig und bestand darauf, die Ankunft des Zuges abzuwarten.
»Ihre Schwester wohnt natürlich in London?«
»Ja, in der Curzon Street.«
»Ist sie – ich meine – ist sie dort angestellt?«
»O nein. Sie ist verheiratet. Mrs. Martin Elton.«
Er sah sie bestürzt an. Aber in diesem Augenblick lief der Zug ein, und Dick eilte zu dem Zeitungsstand, um noch ein paar Magazine für sie zu kaufen.
»Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. –? Ich heiße Audrey Bedford.«
»Ich werde es nicht vergessen!« rief er ihr nach, als sich der Zug schon in Bewegung setzte.
Nachdenklich kehrte er zu seinem Wagen zurück. Mrs. Elton war ihre Schwester, die berüchtigte Verbrecherin, die er seit langem zu fassen suchte!
4
Lacy Marshalt hatte einst als Senator dem Gesetzgebenden Rat von Südafrika angehört und führte seitdem zur größten Belustigung seines Kammerdieners Tonger den Titel Honourable, »der Ehrenwerte«.
An einem trüben Morgen stand er am Fenster und starrte verdrießlich in den Regen hinaus, als Tonger die Post hereinbrachte. Er griff nach einem blauen Umschlag, riß ihn auf und las:
»Alles in Ordnung. Es geht zu Ende mit ihm.«
»Schick ihm zwanzig Pfund!« sagte er und warf Tonger den Brief zu.
»Ob der wirklich aus Matjesfontein kommt?« meinte der Diener nachdenklich, nachdem er die Mitteilung auch gelesen hatte.
»Hast du den Poststempel nicht gesehen?«
»Hm, ja! Hören Sie mal, Lacy, wer ist eigentlich der Kerl, der nebenan wohnt? Malpas heißt er. Gestern sprach ich mit einem Polizisten, und der sagte, der Kerl müßte nicht richtig im Kopf sein. Wohnt ganz allein und macht alle Hausarbeit selbst. Wer kann das nur sein?«
»Du scheinst ja schon alles zu wissen – was fragst du mich noch?«
»Wenn er es nun wäre?«
»Mach, daß du hinauskommst, du Esel!« fuhr ihn Marshalt an.
»Der Privatdetektiv, den Sie bestellt haben, wartet draußen«, erwiderte Tonger gleichgültig.
Lacy stieß einen Fluch aus.
»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Jeden Tag wirst du dümmer. Laß das blöde Grinsen und bring den Mann herein!«
Der schäbig aussehende Detektiv, der hereintrat, überreichte Lacy ein Photo.
»Ich habe sie gefunden und rasch diese Aufnahme von ihr gemacht. Das ist sie – sie heißt Audrey Bedford. Ihre Mutter ist tot – seit fünf Jahren. Aber auch von der habe ich ein Bild – auf einer Gruppenaufnahme.« Er wickelte ein größeres Blatt aus, das ihm Lacy schnell aus der Hand nahm.
»Mein Gott! Ja, gleich als ich das Mädchen sah, hatte ich ein Gefühl –«
»Sie kennen sie also, Mr. Marshalt?«
»Nein! Was treibt sie? Lebt sie allein?«
»Ja, bis jetzt. Aber vor kurzem hat sie ihr Haus verkaufen müssen. Sie soll mittellos sein und ist gestern nach London abgereist.«
»Bildhübsch, nicht wahr?«
»Ja, ungewöhnlich schön. Leider hatte ich das Pech, daß Captain Shannon im Gasthof von Fontwell abstieg, um einen Reifen auszuwechseln.«
»Wer ist Shannon?«
»Ein hohes Tier von Scotland Yard. Aber was ich in Fontwell vorhatte, hab ich ihm nicht verraten. Er hat mich aber fürchterlich ausgeschimpft, weil ich mich für einen Kriminalbeamten ausgegeben hatte.«
Lacy schien kaum zuzuhören.
»Verschaffen Sie mir vor allem Miß Bedfords Adresse, und versuchen Sie, mit ihr bekannt zu werden. Geben Sie sich für einen Geschäftsmann aus – borgen Sie ihr Geld – aber hüten Sie sich, sie ängstlich zu machen!« Er nahm ein paar Banknoten aus seiner Brieftasche und drückte sie dem Mann in die ausgestreckte Hand. »Bringen Sie das Mädel einmal zum Abendessen her«, fügte er leise hinzu.
Der Detektiv machte große Augen und schüttelte den Kopf.
»So was liegt mir nicht«, murmelte er.
»Ich