Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt

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Kalter Krieg im Spiegel - Peter Schmidt

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harmloser Fall (nicht einmal ein Gewaltverbrechen) zum Selbstmord führen konnten. Pysik war Assistenzarzt in einem Westberliner Krankenhaus gewesen – und er hatte mir Valessa ausgespannt.

      Zu jener Zeit trieb in den Bezirken Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof ein Scheckbetrüger sein Unwesen. Er arbeitete mit verschiedenen Euro-Scheck-Karten und nachgedruckten Scheck-Formularen. Die Summe, um die er kleinere Geschäftsinhaber und Unternehmen geprellt hatte, ging in die halbe Million.

      Es existierten gute Beschreibungen, aber der Täter sah – wie Pysik – von der Statur und vom Gesicht her unauffällig aus, er war eine Dutzenderscheinung. Außerdem wechselte er ständig Perücken, Brillen und Bärte. Eines Tages erhielt ich einen anonymen Anruf.

      Die Stimme – eine Frauenstimme (womöglich eine eifersüchtige Freundin) sagte:

      »In Doktor Pysiks Wohnung finden Sie Hinweise auf den Scheckbetrüger von Kreuzberg, Scheckkarten und dergleichen.«

      Ich ließ Pysik zunächst beschatten, um ihn auf frischer Tat zu ertappen. Doch er musste den Braten gerochen haben: vom selben Tage an hörten die Scheckbetrügereien auf.

      Pysik hatte sich zu der Zeit krank gemeldet, er verließ das Haus nur noch, um Valessa zu treffen. Ich muss gestehen, dass der Verdacht mir nicht ungelegen kam. Wen lässt es schon gleichgültig, wenn ein Rivale plötzlich tatverdächtig ist?

      Doch nicht im Traum hätte ich daran gedacht, daraus Profit zu schlagen!

      Er hatte Valessa teure Geschenke gemacht. Er fuhr ein weißes Mercedes-Kabriolett. Wir hatten festgestellt, dass ein weißer Mercedes auffallend oft am Tatort beobachtet worden war, nicht vor der Geschäftstür, aber in Seitenstraßen und auf Parkplätzen. Daraufhin ließ ich Pysiks Wohnung durchsuchen.

      Es war ein voller Erfolg. Wir fanden Scheckkarten, Blankoschecks und eine Nummern-Druckmaschine, jedoch weder Geld noch Waren. Pysik musste sich ein Lager und ein Geheimkonto eingerichtet haben.

      Er gab es auch vor Gericht nicht preis, sondern leugnete seine Schuld bis zuletzt. Eine Gegenüberstellung ergab wegen der Verkleidungen des Täters keine eindeutige Gewissheit. Mir genügten die übrigen Indizien zur Anklageerhebung. In der kurzen Zeitspanne zwischen der Urteilsverkündung und dem Haftantritt beging Pysik Selbstmord. Als Arzt war er ruiniert, als Mensch offenbar tief verstört.

      Und dann brach plötzlich ein Presserummel über mich herein, der seinesgleichen suchte: Der Scheckbetrüger hatte seine Arbeit fortgesetzt! Reporter gingen den Einzelheiten der Beweisaufnahme nach.

      Sie entdeckten, dass ich es – zugegeben: im Eifer des Gefechts und in einer gewissen Voreingenommenheit gegen Pysik – versäumt hatte, Schichtpläne des Assistenzarztes mit weit zurückliegenden Auftritten des Scheckbetrügers zu vergleichen. Die Zeiten stimmten nicht überein. Selbst die Verteidigung hatte das übersehen.

      Zu allem Überfluss fand man heraus, dass die Nummern der Schecks nicht mit Pysiks Nummern-Druckmaschine hergestellt worden waren. Sie besaß zwar die gleiche Schrifttype, aber eine Vergrößerung der Druckbilder ergab Unterschiede. Wegen des Verdachtes der Voreingenommenheit aus persönlichen Motiven und schweren Versäumnissen enthob man mich meines Amtes.

      Der Verdacht – wenn auch unausgesprochen – ich hätte das Belastungsmaterial aus Eifersucht selbst in Pysiks Wohnung geschmuggelt, stand wie ein Monolith zwischen mir und meiner Zukunft.

      Damals begann ich zu trinken. Ich trieb mich auf den Großmärkten herum und ernährte mich von Abfällen, als ich meine Wohnung nicht mehr bezahlen konnte. Ich landete in der Gosse. Es war eine schreckliche Zeit (doch ich habe dort einige der bemerkenswertesten Menschen kennengelernt). Valessa verließ mich endgültig wegen dieses Türken: sie war von meiner Schuld überzeugt …

      Ich wählte F.s Nummer. Sie lief über den Zwischenanschluss in einer Rechtsanwaltspraxis. Er hob sofort ab.

      »Es ist etwas Merkwürdiges passiert«, sagte ich. »Ein Stromausfall gestern Abend an der Grenze. Als das Licht wieder da war, fuhr ein grüner Kastenwagen ab – könnte ein Messwagen gewesen sein.«

      »Wir überprüfen das bereits«, sagte er. »Keine Sorge. Wie steht‘s mit Kofler? Er ist schuldig, oder?«

      »Ich denke schon.«

      »Ja oder nein?«

      »Lassen Sie mir noch etwas Zeit. Es spricht vieles dafür. Momentan bin ich nicht gut zurecht. Wenn ich an der verdammten Pension vorüberkomme …«

      »Befallen Sie Zweifel. Gebranntes Kind scheut das Feuer«, lachte er und verschluckte sich leicht (vermutlich an den Gummibärchen, die er ständig vertilgte). »Gehen Sie durch eine Nebenstraße. Nehmen Sie eine andere Telefonzelle. Sie sind doch kein Psychopath, der magisch vom Ort seines letzten Verbrechens angezogen wird«, dröhnte seine Stimme durch die Leitung.

      Ich war wütend und wollte den Hörer in die Gabel knallen.

      Er schien meine Gedanken zu erraten. »Legen Sie nicht auf«, sagte er. »Das eben war geschmacklos von mir. Tut mir leid. Buchen Sie‘s unter Verluste …

      Also: Ich gebe Ihnen eine Woche, in aller Ruhe, um jeden Zweifel auszuräumen. Er ist schuldig, und Sie bestätigen es durch eine lückenlose Beweiskette. Sie sind kein Henker, Sie fällen auch kein Todesurteil.

      Alles, was Sie tun, ist, ein paar verborgene Zusammenhänge zu rekonstruieren. Sie haben einen Fehler gemacht und sind empfindlich geworden, sensibel. Ich kann das verstehen. Im Grunde ist es mir recht. Wir sind nicht auf Unschuldige aus.«

      Er hatte eine seelsorgerische Ader, die mir manchmal auf die Nerven ging.

      »Spannen Sie einen Tag aus«, fuhr er fort, »und gehen Sie nicht wieder über den Legiendamm. Pysik ist tot. Es stand ihm frei, seine Lösung zu wählen. Wir haben sogar die verdammte moralische Pflicht, sie ihm zuzugestehen, das ist meine unmaßgebliche Meinung.

      Wenn er nicht frei war, wenn Sie und ich und all die anderen nur Marionetten an den Fäden des großen alten Puppenspielers da oben sind, dann ist es ohnehin müßig, sich weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich besorge Ihnen ein Mädchen. Sie treffen es morgen Abend in – schreiben Sie mit …?«

      »Ja, zum Teufel …«

      »Krampnitzer Weg, Ecke Grimmelshausen. Es liegt unten in Kladow. Im Eckhaus ist eine Gaststätte.«

      »Warum so weit aus dem Zentrum?«, fragte ich.

      »Weil sie dort wohnt. Erwarten Sie etwa, dass sie zu Ihnen heraufkommt?«

      »Nein, ich …«

      »Pünktlich um sieben. Sie wird an einem Fenstertisch links vom Eingang sitzen. Ein Dummerchen, aber hübsch. Fällt auf unter den Kladowern«, lachte er. »Spazieren Sie mit ihr über die Pfaueninsel, wenn Ihnen nicht besseres einfällt. Das Wetter ist ja noch danach. Ach, übrigens, ich habe Ihre Bezüge erhöhen lassen. Machen Sie ihr ein hübsches Abschiedsgeschenk. Aber nicht so, dass sie sich wie eine Nutte vorkommt. Etwas Taktgefühl, wenn ich bitten darf. Und berichten Sie mir gelegentlich, wie es war. – Sonst noch was?«

      Ich verschwieg, dass ich sein Notizbuch gefunden hatte.

      »Sind Sie noch dran?«, polterte er mit lauter Stimme. Ich entfernte den Hörer ein Stück von meinem Ohr.

      »Ja,

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