Bildung,Benehmen,Erziehung:Mangelhaft. Hans Peter Jannsen

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Bildung,Benehmen,Erziehung:Mangelhaft - Hans Peter Jannsen

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ein mittleres Chaos in den Erziehungsfragen.

      Schule und Ausbildung werden von einem überwiegendem Teil der Bevölkerung als elementare Grundvoraussetzung und Grundlage für ein finanziell autonomes, gesellschaftlich und wirtschaftlich abgesichertes Leben angesehen und sind die Grundlage zum Erwerb und zur Sicherung und Förderung sozial integrierten, in einem Grundkonsens anerkannten Lebens, auch wenn alternative Formen an Bedeutung gewinnen.

      Voraussetzung für schulische Bildung ist die häusliche Erziehung; Sozialisation, Integration und Vermittlung allgemein gültiger Werte ist das, was von häuslicher Erziehung erwartet wird und für ein gelungenes gesamtgesellschaftliches Leben Bedingung ist.

      Große Umwälzungen haben in den letzten Jahrzehnten genau in diesen Bereichen jedoch für erhebliche Veränderungen im Sozialverhalten besonders junger Menschen geführt und führen z. T. zu erheblichen Veränderungen im Zusammenleben in der Gesellschaft. Die klassische familiale Erziehung erlebt seit Jahrzehnten Auflösungstendenzen und verschiebt zunehmend die Erziehung und Betreuung in externe Bereiche; großenteils wird die gebotene Verantwortung für die nächste Generation von den Verantwortlichen nicht oder nur ungenügend wahrgenommen. Individualerziehung wird teilweise nur noch rudimentär ausgeprägt vollzogen – mit dementsprechenden Auswirkungen. Mühsam zu erwähnen, dass die sogenannte 68er-Bewegung mit ihrer normenauflösenden und normenverändernden Anti- bzw. anti-autoritären Erziehung zu einem Großteil zu dieser Entwicklung beigetragen hat. So sehr berechtigt auch manches Aufbrechen von verkrusteten Strukturen gewesen sein mag, eine alternative Nicht-Erziehung ins pädagogische Niemandsland auf gut Glück hat natürlich keine positiven Auswirkungen auf Erziehungs- und Bildungsstandards haben können, auch wenn es bis zum Erbrechen propagiert wurde.

      Der Vorläufer einer Berufsausbildung, eines Studiums oder einer beruflichen Weiterbildung und Teil unseres Gesellschaftssystems ist nach wie vor die Schulausbildung mit der ihr zugrunde liegenden Schulpflicht. Damit verbunden sind ein erfolgreicher Abschluss und die dazu erforderlichen Lern- und Leistungsanstrengungen, der permanente Schulbesuch, Erledigung der aufgegebenen Arbeiten, Einhaltung vorgegebener Regeln, die Erfüllung allgemeiner Anforderungen, die positive soziale Interaktion mit Mitschülern und Lehrern, eine gewisse Disziplin, eine gewisses Maß an zwischenmenschlichen Standards und nicht zuletzt ein Mindestmaß an Formen sozialer Interaktion, Anteilnahme und gegenseitiger Akzeptanz, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Verantwortungsübernahme sind im Beruf nach wie vor absolut unerlässlich. Wie auch sollte ein Zusammenleben in Schule und Gesellschaft ohne positive menschliche Interaktion wie gegenseitige Rücksichtnahme und Höflichkeit und ohne die erforderlichen, verbindlichen, oftmals unausgesprochenen Regeln funktionieren?

      Der Schule vorgeschaltet ist in der Regel eine Phase frühkindlicher Betreuung, die in ihrer Varietät inzwischen ein großes Spektrum vom althergebrachten Kindergarten bis zu allen möglichen Formen individueller oder gemeinschaftlicher Betreuung reicht, oft schon in frühestem Kindesalter, die lange gepflegte enge (auch körperliche)Bindung zur Mutter ersetzend.

      Das Aufgeben der naturgegebenen engen körperliche sowie sozial-emotionalen Bindung und Interaktion in den ersten Lebensmonaten und Jahren sowie die Übernahme dieser Funktionen durch Personen oder Institutionen der Fremderziehung, die aufgrund persönlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Gründe immer mehr praktiziert wird, hat nach Forschungen teilweise erhebliche Auswirkungen auf die geistigen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten von Kindern. So ist z. B. die Zunahme von seelischen Erkrankungen (Depressionen bei Kindern und Jugendlichen um das 24-Fache in zehn Jahren) u. U. auch auf die oben genannten Veränderungen zurückzuführen.

      Angesichts einer desolaten Situation vieler Erziehender ist guter Rat teuer. Kann es überhaupt einen sogenannten „Erziehungsratgeber“ geben? Tritt das Phänomen nur bei sogenannten „bildungsfernen Schichten“ auf oder betrifft es mittlerweile weite Teile der Gesamtgesellschaft? Was sollte ein Buch zur Optimierung von Erziehungsverhalten beinhalten? Hochwissenschaftliche neue Erkenntnisse zu zeitgemäßen Erziehungstheorien? Schnelle, griffige Ratschläge für erziehungsresistente Kinder? Hinweise auf neue Medikamente oder Behandlungswege? Was würde all das nützen, wenn man sich nicht an eine Ursachenbehandlung begibt, die viel tiefer zu suchen ist, nämlich in einer weitgehendend veränderten Haltung in Bezug auf Erziehung, Familie und Werte in der Gesellschaft allgemein.

      Wollen wir einfach akzeptieren, dass die z.B. mit ADS und ADHS beschriebenen Formen von Verhaltensauffälligkeiten zukünftig mehr oder weniger standardmäßig als Massenphänomen hingenommen werden und zum Teil einfach als Begründung für das Einstellen erzieherischen Handelns ge- bzw. missbraucht werden, wenngleich auch selbstverständlich in manchen Fällen diese Diagnosen zutreffend sind?

      Wir haben es in der konkreten Arbeit zu oft erlebt, dass bei (häufig sehr schnell) gestellter ADS-/ADHS-Diagnose der Einsatz von Medikamenten als vermeintliches Allheilmittel allzu schnell und bis zum Exzess betrieben wurde und der lapidare Satz „Mein Kind hat ADS“ in Verbindung dazu wie eine Art Freibrief für zukünftige Erziehungsarbeit gewertet wurde, da allemal in der heutigen Zeit große Unsicherheit und Ratlosigkeit bezüglich richtigen Erziehungs- und Sozialverhaltens besteht.

      Zunächst muss man jedoch feststellen, dass es keine allgemeinen und generationenübergreifenden Erziehungsstandards gibt und vielzitierte „Zeiterscheinungen“ sowie eine im weitesten Sinne individualisierte und hedonistisch geprägte Erziehung ihre Auswirkungen zeigen.

      Erziehung beruht auf der funktionalen oder intentionalen Übertragung der eigenen Denk- und Lebensweisen sowie auf einer gewissen intuitiven und situativen Handlungsweise, definiert sich an Zeit- und Entwicklungskoordinaten immer wieder individuell und neu und ist in höchstem Maße in der Symbiose zwischen Erziehendem und zu Erziehenden verwoben.

      Wie kann man dort eine wirkliche wirksame Beratung und Hilfe bei Problemen in allgemeiner Weise geben? Dies ist äußerst schwierig, von daher kann dieses Buch auch nur eine allgemeine Streuwirkung erzielen, wobei Hilfe in Einzelfällen auch möglich und wünschenswert ist, diese jedoch, zumindest bei komplexeren Fällen, immer einer persönlichen Beratung bzw. Hilfestellung bedarf.

      Wer heute an Schulen, Kindergärten, Heimen, Beratungseinrichtungen, Kitas und vielen anderen Orten der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, erlebt teil- und zeitweise Unglaubliches. In unübersehbare Erscheinung treten an diesen Orten immer mehr Kinder und Gruppen, die den Grundkonsens eines durchschnittlich angemessenen Verhaltenskodex nicht mehr beherrschen oder auch nie gekannt haben und stattdessen in vielseitigen Formen auffälliges und z. T. abnormes Verhalten an den Tag legen.

      Absolut harmlos beginnend mit fehlenden Gruß- und Höflichkeitsritualen, sich steigernd über fehlerbehaftetes Verhalten in Gruppen, Klassen, Schulen, gegen Lehrer, Erzieher sich weiter steigernd auf ein unerträgliches Maß an Fehlverhalten, Beleidigungen, Störungen, Mobbing, jegliche Sinnhaftigkeit vermissendes Verhalten, sexueller Anzüglich- und Freizügigkeiten, sprachlicher Abstürze und Peinlichkeiten, die jeder Beschreibung spotten und nur begrenzt zeitlich erträglich sind. Regalfüllende Beispiele könnten hier niedergeschrieben werden.

      Die „Qualität“ dieser Verhaltensweisen hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Titulierungen wie „f ***dich , du Schlampe“ oder „halt die Fresse, du Wi*****“ müssen sich Lehrer und Erzieher/ Erzieherinnen heute oft schon standardmäßig gefallen lassen, und das nicht nur in großstädtischen Problembezirken.

      Heute haben wir es mit einer Generation von Kindern und Jugendlichen zu tun, die die Autorität des Gegenüber teilweise oder gänzlich bei gleichzeitigem unangemessenem eigenem Verhalten und fehlender Reife in Frage stellt und damit sich selbst – spätestens beim Einstieg in den Beruf – ins Abseits stellt und oft lange Wege braucht, einigermaßen adäquat auf die Beine zu kommen. Man könnte das Phänomen auch soziale Degeneration nennen.

      Wer wollte ernsthaft Erziehung in den

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