Globale Körper. Taiya Mikisch

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Globale Körper - Taiya Mikisch

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auf eine postkoloniale Haltung konsequent kritisch reflektiert. Hierzu zähle ich beispielsweise AutorInnen wie die amerikanische Tanzhistorikerin Janet O’Shea oder die in Deutschland und Großbritannien arbeitende Tanzwissenschaftlerin Sabine Sörgel. O’Shea untersucht in ihrer Monographie At home in the world: bharata natyam on the global stage Bharata Natyam auf seine globale Verortung hin und verfährt mit den theoretischen Kategorien des Transnationalismus und Lokalität.{27} Sörgel stellt in ihrer Studie Dancing Postcolonialism Fragen nach Identität und Hybridität in Bezug auf die National Dance Theatre Compagnie aus Jamaica.{28}

      Vielmehr orientiere ich mich in dieser Arbeit an Positionen, die eine reflexive und wissenschaftskritische Stoßrichtung haben. Hardt betont in ihrem Artikel Staging the Ethnographic, wie Zeitgenössische „westliche“ Tanzpraxis nur selten mit postkolonial motivierten Fragen operiert.{29} Anhand von Stücken von Jérôme Bel und Eszter Salomon untersucht sie das jeweils spezifisch Ethnographische der Stücke und stellt Fragen danach, welche Implikationen deren Repräsentationsmodus hat. Dieser Artikel ist ein Beispiel für die Auseinandersetzung mit der Inszenierung von Fremdheit im Zuge europäischer Zeitgenössischer Tanzproduktion und dient der vorliegenden Studie bezüglich der postkolonialen Verortung europäischer ChoreographInnen als Vorlage, gerade in Hinblick auf meinen Anspruch, keine Dichotomien zwischen „traditionell“ und „zeitgenössisch“, oder „fremd“ und „westlich“ zu postulieren und fortzuschreiben. Auch die Anthropologin Marta Savigliano beschäftigt sich reflexiv und wissenschaftskritisch anhand von Tango Argentino mit postkolonialen Fragestellungen.{30} Die amerikanische Tanzwissenschaftlerin und Choreographin Susan Foster hat außerdem den Sammelband Worlding Dance herausgegeben und darin Beiträge versammelt, die sich ethnographisch mit Tanz beschäftigen und dieses Vorgehen auf koloniale Prinzipien hin theoretisch befragen.{31} Diesen Studien schließe ich mich insofern an, als ich eine postkolonial-kritische und selbstreflexive Haltung meiner eigenen Arbeit gegenüber einnehme sowie einen postkolonial-diskurskritischen Blick auf Zuordnungen und Festlegungen vollziehe, die in meinen Beispielen eine Rolle spielten.

      Auf der anderen Seite setzt sich die deutschsprachige und europaweite Ethnologie kaum mit dem Forschungsgegenstand Tanz auseinander. Einige wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit Tanz bezüglich seiner rituellen, kontextuellen oder institutionellen Dimension, klassischerweise in von den ForscherInnen geographisch entfernten Regionen, bei Migrationsgemeinschaften oder in sogenannten „Volkstanz“-Kulturen im Residenzland der Ethnographin / des Ethnographen.{32} Dieser thematische Fokus befragt dabei selten koloniale Repräsentationsmechanismen von Fremdheit im Rahmen der Tanz- und der Wissenschaftspraxis. Vielmehr laufen solche Studien oftmals Gefahr, diese Mechanismen weiter zu konsolidieren.{33} Die Vorliegende Studie entzieht sich bewusst dieser Thematik und nimmt stattdessen das Konzept der Fremdheit selbst in den Blick, um es auf seine politischen Implikationen hin zu untersuchen.

      Eine Verschränkung von ethnographischen und tanzwissenschaftlichen Methoden und Perspektiven (ähnlich wie die bereits erwähnte deutschsprachige Studie von Pirkko Husemann) lässt sich vereinzelt in der anglophonen Tanzwissenschaft finden. Exemplarisch für eine solche Verbindung ist die Studie Sharing the dance der amerikanischen Kulturanthropologin Cynthia Novack, die soziale Konstellationen in der Szene der Kontaktimprovisation in den USA untersucht.{34} Die schwedische Sozialanthropologin Helena Wulff beschäftigt sich in ihrem Buch Ballet across borders mit Biographien professioneller BalletttänzerInnen in ihrem kulturellen, transnationalen Umfeld.{35} Allerdings steht auch im Feld englischsprachiger Publikationen eine ethnographische Untersuchung aktueller Tanzstücke, die sich mit Globalisierung und der Inszenierung von Fremdheit beschäftigen, noch aus.

      Einige Positionen innerhalb des Kanons Postkolonialer Theorien beschäftigen sich mit Fragen nach Fremdheit, Globalisierung und Kultur.{36} Dabei ist hier selten ein körpertheoretischer Ansatzpunkt zu finden. Indem bestimmte Themenstellungen und Methoden gewählt werden, verbleibt der Körper hier weiter außerhalb der Theorie.{37} Die vorliegende Studie greift dieses Desiderat auf und setzt den Körper als zentrale theoretisch-methodologische Analysekategorie. Auch Bewegung als Analysekategorie spielt im Rahmen Postkolonialer Theorien nur bezüglich migrationsthematischer Zusammenhänge eine Rolle, nicht aber in Hinblick auf die Strukturiertheit von Bewegung selbst und ihre performativen Implikationen, wie ich sie hier nutze.

      Ich verwende in dieser Arbeit eine körper- und bewegungszentrierte Perspektive als methodologischen Ausgangspunkt bei der Frage nach Globalität und Tanz und verfahre körperorientiert und praxeologisch, um die Herstellung von Globalität über Praktiken zu untersuchen.

      Dabei findet ein Zusammendenken von Bewegung als ästhetische wie auch als soziale Kategorie statt. Diese Koppelung hat auch die Soziologin und Tanzwissenschaftlerin Gabriele Klein an mehreren Stellen angebracht, beispielsweise in ihrer Untersuchung von weltweiten Wanderbewegungen von Tango Argentino in Tango in Translation oder im Sammelband Bewegung: Sozial- und kulturwissenschaftliche Konzepte. Dieses Zusammendenken von Bewegung als sozialer und ästhetischer Kategorie soll hier weitergedacht und auf Globalisierungsprozesse angewandt werden.{38}

      Ich führe im Verlauf dieser Arbeit diverse theoretische Konzepte ein, die ich dann an den jeweiligen Stellen ausführlich bespreche und in ihrem wissenschaftlichen Kontext verorte.

      1.2 Institutionelle Rahmungen

      Ich möchte in dieser Arbeit die Verortung der Projekte in institutionellen Bezügen hervorheben, ist es doch gerade in Hinblick auf eine postkoloniale Analyse zentral, die Projekte politisch zu denken und mich nicht Vorstellungen „reiner Kunst“ anzuschließen, die die Bedingungen der Kunstproduktion außen vorlässt. Ich beziehe mich auf den Institutionsbegriff von Hardt und Stern in „Choreographie und Institution“, die Institution als Suchbegriff bestimmen, „um Strukturen und Regelsysteme

...
Rahmungsstrategien und Produktionsweisen von Kunst sowie deren Vermarktung in den Blickpunkt zu rücken.“{39} Die Situiertheit der untersuchten Projekte in solchen Strukturen und Regelsystemen fließt in die Forschung und Analyse mit ein.

      Insofern lese ich die Praktiken in den Stücken, in der Initiation der Projekte und in der Rezeption nicht als Abbilder institutioneller Rahmungen, sondern als von ihnen durchsetzte und nicht trennbare Größen. Heuristisch verweise ich hier darauf, dass Rahmungen in meiner Analyse eine Rolle spielen, in den Fallbeispielen fließen Rahmungen in die Analyse mit ein. Foster beschreibt in Reading Dancing die Funktion von Rahmungen bei der Analyse von Tanz. Sie untersucht beispielsweise Ankündigungstexte, Spielorte, Programmhefte oder die Platzierung von Stücken in bestimmten thematisch gebündelten Veranstaltungsreihen oder Festivals. Sie arbeitet heraus, dass diese Rahmungen verwoben sind mit der Wahrnehmung des Stückes und damit, wie ein Stück eingeordnet wird.{40}

      Einige institutionelle Rahmungsmomente spielen für meine Forschung eine zentrale Rolle, weil sie die Projekte ganz fundamental formen, einbetten oder erst entstehen lassen:

      Förderinstitutionen

      Tanz in Deutschland wird maßgeblich von Förderinstitutionen finanziert. Hier gibt es bestimmte Kriterien und Förderschwerpunkte.

      Alle untersuchten Projekte basieren auf der Förderung durch Institutionen aus der deutschen Förderlandschaft.{41} In Deutschland besteht ein großes Interesse an sogenannten interkulturellen Kooperationen und Projekten. So wird beispielsweise beim Jahresbericht des Hauptstadtkulturfonds 2010 explizit darauf verwiesen, dass ein Anteil der Gelder an Stücke mit sogenannter Migrationsthematik vergeben wurden: „Der Trend mit Anträgen zu Migrationsthemen und von Künstlern mit Migrationshintergrund setzt sich fort.“{42} Die Bundeskulturstiftung verweist auf die Förderung von „Programme

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