der verstellte Ursprung. L. Theodor Donat

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der verstellte Ursprung - L. Theodor Donat

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man die Kandidaten möglichst vor der Reifeprüfung ins Noviziat schickte, war darauf zurückzuführen, dass man sie möglichst früh an die Ordensgemeinschaft binden wollte. Mein ältester Bruder hatte mit 18 (!) Jahren die ersten Gelübde abgelegt und somit eine Entscheidung für sein Leben getroffen, ohne vorher davon etwas gesehen zu haben. Anders als ich hatten meine Mitnovizen einige Jahre in einem Postulat verbracht. Ich hatte also länger „in der Freiheit“ oder „in der Welt“ gelebt.

      Die Spaziergänge in den Wintermonaten fand ich stupid. Sie fanden immer nach dem Mittagessen statt, manchmal sogar mit vorgeschriebener Route. Dabei hätte ich so gerne Tischtennis spielen gelernt. Den Tisch gab es, aber die Möglichkeit zu spielen nicht. Einige Wochen nach meiner Ankunft reduzierte sich die Anzahl der Novizen auf vier, einen Landsmann des Novizenmeisters und uns drei aus der Heimat: ein Klaviergenie, den mir weniger Sympathischen und mich. So kam es, dass in der sehr kargen Freizeit, über die wir selbst verfügen konnten, der eine Klavier spielte und sein Gesicht verzog, wenn seine weissen, gepflegten Hände über die Tasten glitten. Der mir weniger sympathische Mitnovize verkroch sich mit einem Buch; die Abwesenheit von Sympathie war übrigens gegenseitig. Ich hatte niemanden, um Pingpong zu spielen, denn der vierte Mann besuchte Bekannte in der Nachbarschaft.

      — Überfordert

      Natürlich wurden wir, wie es der Brauch so wollte, bis zum Gehtnichtmehr auch körperlich überfordert. Zum Beispiel wurden wir im Januar 1963 zum Dreschen abkommandiert. Die Aussentemperatur war unter minus zehn Grad. Oder vielleicht waren es unter zwanzig Grad, ich weiss es nicht mehr. Es war ein Winter, in dem grosse Seen gefroren. Beim Dreschen hatte ich die Aufgabe, die Spreu in der Nachbarschaft des sie ausspeienden Rohres durch ständiges Marschieren festzutreten. Deine Freunde können sich den Staub kaum vorstellen. Positiv war, dass wir in einem vom Novizenmeister vorgeheizten Raum Zwischenmahlzeiten einnehmen konnten, negativ, dass wir während der Arbeit noch Gebete verrichten sollten und jeden Abend mit Fieber in die Betten fielen. Dass meine Kameraden elegantere Aufgaben hatten, bemerkte ich, aber ich empfand keinen Neid. Unser Selbstbewusstsein wurde ja nicht unbedingt gefördert.

      Während der etwa vier Wintermonate war es an den Novizen, die Kapelle am Morgen vor den morgendlichen „Übungen“ vorzuheizen. Dazu mussten wir um halb vier Uhr morgens aufstehen – die eifrigsten standen um drei Uhr auf –, um mit Holzrinden die Fehlkonstruktion eines Ofens zu befeuern. Denn nach zwei Stunden unangenehmer Beschäftigung waren die Minus-Temperaturen lediglich auf fünf, sechs Grad angestiegen. Unangenehm war die Arbeit, weil es vorne heiss und hinten kalt war, viel Zeit zum Umdrehen hatten wir nicht, da ständig Rinden nachgefüllt werden mussten. Der Novizenmeister erwartete von uns – und ich tat es selbstverständlich – dass wir während dieser Zeit noch unsere Ordensregel auswendig lernten.

      Die Novizen mussten im Winter den Ofen im Speisesaal heizen. Das für mich antike Modell funktionierte mit Sägemehl. Zuerst musste man eine Art Fass mit einem runden Loch im Boden mit dem Sägemehl füllen. Dazu benutzte man einen runden Holzbalken in der Mitte, der verhinderte, dass das Brennmittel auslief, mit einem andern Holz stopfte man es ganz fest. Dann zog man den runden Holzbalken vorsichtig heraus, schloss das Fass mit einem Deckel und zündete das Sägemehl mit Zeitungen vom unteren Loch her an. Der Ofen verursachte eine grosse Hitze, allerdings brannte er ziemlich rasch aus. Die Beschäftigung damit bescherte mir den ganzen Winter hindurch offene Hände.

      Die Ausbildung, die wir im Noviziat erhielten, war recht bescheiden; wir verbrachten mehr Zeit mit körperlichen Arbeiten auf dem dazu gehörenden Bauernhof. Die Erklärung unserer Ordensregel ist mir in Erinnerung geblieben sowie der „Weg zur Vollkommenheit“, nach den Schriften unseres Ordensgründers. Dabei war mir überhaupt nicht klar, welchen Einfluss die Geschichte auf die Entwicklung der Sprache hat. Ich nahm jedenfalls alles zu wörtlich und eigentlich wurden wir so trainiert. Die Zirkulare des „Guten Vaters“ faszinierten mich, waren sie doch ein geschickter Mix aus Psychologie, Zeitfragen und Spiritualität.

      „Guter Vater“ war die Anrede unsern Generalobern dazumal. Das ist natürlich so schrecklich wie „Heiliger Vater“, doch das habe ich damals nicht realisiert.

      Wir lernten die Geschichte unseres Ordens und das Leben des Gründers kennen. Jeden Tag mussten wir, in einem besonderen Heft, einen Bericht über die Betrachtung schreiben.

      In dem Bericht mussten wir über die Gedanken Rechenschaft ablegen, die wir nebst den Zerstreuungen bei unserer persönlichen Betrachtung hatten. Diese Hefte wurden vom Novizenmeister im Laufe des Tages mit rotem Stift schriftlich kommentiert. Eine Hausaufgabe über das persönliche Gebet!

      Die wöchentliche Beichte am Dienstag- oder Mittwochmorgen war ein Horror für mich. Wenn ich das Tuckern des Kleinstwagen hörte, aus dem der schwergewichtige und gutmütige Beichtvater steigen sollte, krampfte sich mein Magen zusammen. Ich habe schon erwähnt, dass ich Skrupulant war. Wieder war meine grösste Sorge, bei der Beichte nichts „Wichtiges“ zu vergessen. Meine grösste Sünde war meiner Meinung nach die „Unmässigkeit“ bei unseren bescheidenen Bauernmahlzeiten. Dazu war ich sehr mager, wie Du auf einem Foto gesehen hast. Auf ein Bekenntnis im Sinne Jesu machte uns niemand aufmerksam. Wir blieben strikt bei den Beichtspiegeln der Rkk.

      Natürlich wurden uns alle Briefe, die wir erhielten, geöffnet übergeben. Von den täglichen Informationen wurden wir weitmöglichst abgeschottet. Die Tageszeitungen lasen wir – in A6-Stücke geschnitten – einige Wochen später auf der Toilette. Mit einigem Glück konnten wir sogar die Fortsetzung eines Artikels finden. So hatten wir sehr bruchstückhafte Informationen. Schlimm war, dass ich in diesem Jahr auf die Berge und auf das Klettern verzichten musste, aber durch die einzuübende Opfertmentalität überstand ich selbst das.

      — Das 2. Vatikanum

      Dank des Fernsehers eines dem Novizenmeister bekannten Pfarrers erlebten wir die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils „live“. Seine Dokumente werden mich in der Folge begeistern, aber ich erlebte später das Schliessen des Fensters, das Johannes XXIII hatte öffnen wollen.

      Als er über seine Gedanken sprach, ein Konzil einzuberufen und über dessen Ziel befragt wurde, soll Johannes XXIII als Antwort ein Fenster geöffnet haben.

      Anfangs September 1963 legten meine drei Mitnovizen ihre Ersten Gelübde ab. Ich musste allein weitermachen. Mein Noviziat sollte ja, auf den Tag genau, 365 Tage dauern. Ich war übrigens der letzte Novize unseres Novizenmeisters, er wurde durch einen fröhlicheren Priester ersetzt.

      Der Novizenmeister war sicher sehr integer, aber man sah ihm die Mühe an, als Asket ein schwieriges Leben zu führen. Als er an Weihnachten in Zorn geriet, sprach er vom Feiertagsteufel. Während der Zeit als einziger Novize hatte ich mehr oder weniger alle Arbeiten der Novizen allein zu verrichten.

      An Allerheiligen 1963 legte ich meine Ersten Gelübde ab. Positiv war, dass meine Eltern und meine Schwester anreisten, mit denen ich dann einen Abstecher in die Hauptstadt des betreffenden Landes machen durfte. Negativ war, dass mir ein Mitglied der Generalleitung bei der liturgischen Feier die Ordensregel übergab mit der Widmung: „Halte diese Regel, denn sie ist Dein Leben!“ Dass nur Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben sein kann, war höchstwahrscheinlich implizit. Es wurde zwar von der Nachfolge Christi gesprochen, aber wir hatten schon damit begonnen, das Evangelium, von dem wir viel zu wenig hörten, durch Regeln und Reglemente zu ersetzen. Wir begannen von Perfektion zu reden anstelle von Freundschaft. Du wirst lächeln: Ich als Idealist und Perfektionist in dieser Umgebung, das konnte heiter werden! Es versteht sich von selbst, dass wir jeden Mädchenkontakt vermieden, denn, so sagte uns der Novizenmeisters, sie seien im Dienste des Teufels, um uns von unserer Berufung abzubringen.

      Das Noviziatsjahr, das letzte vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, hinterliess in mir einen sehr zwiespältigen Eindruck. Einerseits gab es die Bemerkung eines recht weisen

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