Die Gräfin von Ascot. Edgar Wallace

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Die Gräfin von Ascot - Edgar Wallace

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Schreibtisches auf, nahm einen silbernen Kasten heraus und bot seinem Besucher eine Zigarre an.

      »Danke, nein, ich rauche niemals Zigarren. Aber vielleicht gestatten Sie, daß ich eine meiner eigenen Zigaretten rauche? Danke.«

      Er zog ein Silberetui aus der Tasche, entnahm ihm eine Zigarettenspitze und paßte die Zigarette ein.

      »Und wie kommt es, daß Sie in diese Gegend Londons verschlagen werden? Es ist doch ein großes Rennen heute nachmittag? Ascot steht vor der Tür, und sicher haben Sie ein Dutzend Einladungen erhalten?«

      »Ihre Ironie ist an mir verschwendet«, entgegnete Julian und entfernte etwas Asche von seinem Knie. »Ich bin hergekommen, um geschäftlich mit Ihnen zu sprechen.«

      »Zum Teufel, das ist ja interessant!« John hob erstaunt die Augenbrauen.

      Julian nickte.

      »Ich sage es Ihnen natürlich im Vertrauen, und selbstverständlich zahle ich für Ihre Bemühungen. Ich weiß zwar nicht, welche Preise Sie verlangen –«

      »Ach, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Aber ich möchte Ihnen vor allem erklären, daß ich keine Nachforschungen in Scheidungssachen anstelle und mich auch nicht mit Werkspionage beschäftige.«

      Julian atmete tief ein, blies einen Rauchring nach dem anderen zur Decke und beobachtete, wie sie sich an dem weißen Plafond zerteilten.

      »Ich bin Junggeselle und nehme mich gut in acht; ich finde das Leben auch ohne weiblichen Anhang schon kompliziert genug.«

      Er rauchte eine Zeitlang schweigend.

      »Kennen Sie eigentlich die Gräfin Marie Fioli?« fragte er dann plötzlich.

      John sah ihn überrascht an.

      »Ich habe von ihr gehört; noch vor ein paar Tagen sprach ich über sie. Aber ich habe sie noch nicht persönlich kennengelernt.«

      Julian lächelte.

      »Sie müssen tatsächlich ein Herz von Eis haben. Ich habe Sie doch kurz vor Weihnachten der jungen Dame vorgestellt, und zwar bei Rumpelmeyer.«

      »Ach, dieses junge Mädchen? Aber die ist doch –«

      »Sie ist achtzehn«, erklärte Julian geduldig, »und sie kommt diese Woche aus dem Internat, mitten im Jahr. Außergewöhnlich, aber in vieler Beziehung sehr angenehm. Meine verstorbene Mutter heiratete mit siebzehn, mein seliger Vater war nicht älter als achtzehn. Eheschließungen in jugendlichem Alter sind nichts Außergewöhnliches in unserer Familie.«

      »Da war aber Ihr Vater sehr voreilig, und Sie sind der beste Beweis für meine Behauptung. Soll Marie Fioli mit achtzehn heiraten?«

      Julian machte eine leichte Bewegung mit seiner Zigarette.

      »Ich bin noch nicht definitiv entschlossen; es müssen erst noch einige dunkle Punkte aufgeklärt werden, aber sie ist wirklich ein charmantes Mädchen.«

      »Ich kann mich jetzt auf sie besinnen«, entgegnete Morlay nachdenklich. »Sie ist sehr schön.« Plötzlich sah er auf. »Sie sind doch nicht etwa ihretwegen gekommen?«

      Julian nickte.

      »Ich bin arm, John, das habe ich Ihnen ja bereits gesagt. Ich habe ein Einkommen von dreihundert Pfund im Jahr und verdiene mir noch etwas dazu durch die Artikel, die ich für Zeitschriften schreibe. Ich habe keine Eltern mehr, die eine passende Frau für mich aussuchen und – was noch wichtiger ist – auch die nötigen Nachforschungen über die junge Dame anstellen könnten.«

      John lehnte sich in seinem Sessel zurück und lachte herausfordernd.

      »Nach und nach begreife ich, was Sie von mir wollen. Ich soll also an Stelle Ihrer Eltern herausbringen, ob das Vermögen der jungen Dame so groß ist, daß es sich lohnt, ihr einen Antrag zu machen?«

      Zu seinem größten Erstaunen schüttelte Julian Lester den Kopf.

      »Auf die Höhe ihres Vermögens kommt es durchaus nicht an. Ich bin ganz sicher, daß sie wohlhabend ist, ich habe allen Grund, das anzunehmen. Selbst nach all den Abzügen bleibt genug übrig, daß eine junge Dame ihres Standes glänzend davon leben kann.«

      »Nicht zu vergessen den jungen Mann, der sie heiratet«, erwiderte John sarkastisch. »Erklären Sie mir aber bitte, was Sie damit sagen wollen, daß ›genug übrigbleibt‹. Ist sie bestohlen worden?«

      Julian erhob sich, ging zum Fenster und sah düster auf den Hanover Square hinunter.

      »Ich weiß es nicht. Es ist alles so seltsam. Die alte Frau hat ihr einen kleinen Landsitz bei Ascot gekauft, der ungefähr fünftausend Pfund kostet. Natürlich habe ich die Kaufurkunde nicht gesehen und weiß daher auch nicht, ob das Grundstück auf den Namen von Marie oder auf den Namen der alten Frau eingetragen wurde.«

      »Von welcher alten Frau sprechen Sie denn?«

      Julian kehrte zu seinem Stuhl neben dem Schreibtisch zurück, drückte sorgfältig die Zigarette aus und legte die Zigarettenspitze wieder in das Etui, bevor er antwortete.

      »Haben Sie eigentlich schon einmal etwas von einer Mrs. Carawood gehört?« Als John den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »Das kann man auch nicht verlangen. Sie ist die Inhaberin eines Damenmodengeschäfts, das heißt, sie hat im ganzen vielleicht ein Dutzend Filialen in London.«

      John nickte. Er besann sich jetzt auf die Firma.

      »Vor neunzehn Jahren war Mrs. Carawood Kindermädchen bei der Gräfin Fioli, einer Witwe, die ein Haus und ein Grundstück in Bournemouth besaß. Die Fiolis sind eine altitalienische Familie. Die Gräfin starb. Ich habe zwar nachgeforscht, konnte aber nicht feststellen, ob sie ein Testament hinterlassen hat. Ich habe nur so viel herausbringen können, daß Mrs. Carawood eine ziemlich reiche Frau wurde, nachdem man ihr die Erziehung des Kindes anvertraute. Vier Jahre später eröffnete sie ihr erstes Geschäft, und in kurzen Abständen folgten mehrere andere. Sie hat jetzt eine ganze Reihe von Läden in London, die alle ziemlich gut gehen und zusammen eine große Einnahmequelle bilden.«

      »Und was hat das mit dem Kind zu tun?«

      »Ich muß zugeben«, erwiderte Julian zögernd, »daß sie sehr viel für Marie getan hat. Sie schickte sie auf eine gute Vorbereitungsschule und später in eins der besten Internate Englands. Mit rührender Sorgfalt hat sie sich um das junge Mädchen gekümmert. Aber die Sache scheint doch einen Haken zu haben. Offenbar hat sie das Geld, das die Erbschaft meines armen, kleinen Mädchens ausmacht –«

      »Offenbar?« unterbrach ihn John. »Es gibt viele Leute, die mit einem kleinen Vermögen angefangen haben und erfolgreiche Geschäftsleute geworden sind. Vor allem möchte ich eines klar wissen: Ist sie mit Ihnen verlobt? Ich meine die junge Gräfin Fioli, über die Sie soviel erzählt haben.«

      Julian zögerte.

      »Nein, das gerade nicht.«

      »Warum soll denn Mrs. Carawood ihr Geld nicht auf ehrliche Weise verdient haben? Das tun doch viele Leute.«

      »Von einer solchen Frau kann ich es kaum glauben«, erwiderte Julian entschieden. »Sie ist völlig ungebildet, kann gerade lesen und schreiben. Sie werden mich am besten verstehen,

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