Till Eulenspiegel. Hermann Bote
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kürzlich ausbaden mußte!« Und er lief von dem Seil, und ließ die Jungen und Alten sich um
die Schuhe zanken.
Danach durfte er sich vier Wochen lang vor den Jungen oder Alten nicht sehen lassen. Er saß
deshalb im Hause bei seiner Mutter und flickte Helmstedter Schuhe. Da freute sich seine
Mutter sehr und meinte, es würde mit ihm noch alles gut werden. Aber sie kannte nicht die
Geschichte mit den Schuhen und wußte nicht, daß er wegen dieses Streichs nicht wagte, vors
Haus zu gehen.
Die 5. Historie sagt, wie Till Eulenspiegels Mutter ihn ermahnte, ein Handwerk zu lernen,
wobei sie ihm helfen wollte.
Eulenspiegels Mutter war froh, daß ihr Sohn so friedlich war, schalt ihn jedoch, daß er kein
Handwerk lernen wollte. Er schwieg dazu, aber die Mutter ließ nicht nach, ihn. zu schelten.
Schließlich sagte Eulenspiegel: »Liebe Mutter, womit sich einer abgibt, davon wird ihm sein
Lebtag genug.« Da sagte die Mutter: »Wenn ich über dein Wort nachdenke: seit vier Wochen
habe ich kein Brot in meinem Haus gehabt.« Doch Eulenspiegel sprach: »Das paßt nicht als
Antwort auf meine Worte. Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, der fastet am Sankt-
Nikolaus-Tag, und wenn er etwas hat, so ißt er mit Sankt Martin zu Abend. Also essen wir
auch.«
Die 6. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Stadt Staßfurt einen Brotbäcker um einen Sack
voll Brot betrog und es seiner Mutter heimbrachte.
Lieber Gott, hilf«, dachte Eulenspiegel, »wie soll ich die Mutter beruhigen? Wo soll ich Brot
herbekommen für ihr Haus?« Und er ging aus dem Flecken, in dem seine Mutter wohnte, in
die Stadt Staßfurt. Dort fand er eines reichen Brotbäckers Laden, ging hinein und fragte, ob
der Bäcker seinem Herrn für zehn Schillinge Roggen- und Weißbrot schicken wolle. Er nannte
den Namen eines Herren aus der Gegend und sagte, sein Herr sei hier zu Staßfurt, und
benannte auch die Herberge, in der er sei. Der Bäcker solle einen Knaben mit in die Herberge
zu seinem Herren schicken, dort wolle er ihm das Geld geben. Der Bäcker sagte: »ja.« Nun
hatte Eulenspiegel einen Sack mit einem verborgenen Loch. In diesen Sack ließ er sich das
Brot zählen. Und der Bäcker sandte einen Jungen mit Eulenspiegel, um das Geld zu
empfangen. Als Eulenspiegel einen Armbrustschuß weit von des Brotbäckers Haus war, ließ
er ein Weißbrot aus dem Loch in den Dreck der Straße fallen. Da setzte Eulenspiegel den Sack
nieder und sprach zu dem Jungen: »Ach, das besudelte Brot darf ich nicht vor meinen Herrn
bringen. Lauf rasch damit wieder nach Haus und bring mir ein anderes Brot dafür! Ich will
hier auf dich warten.« Der Junge lief hin und holte ein anderes Brot. Inzwischen ging
Eulenspiegel weiter in ein Haus in der Vorstadt. Dort stand ein Pferdekarren aus seinem
Flecken. Darauf legte er seinen Sack und ging neben dem Kärrner her. So kam er heim ans
Haus seiner Mutter.
Als der Bäckerjunge mit dem Brot wiederkam, war Eulenspiegel mit den Broten
verschwunden. Da rannte der Junge zurück und sagte das dem Bäcker. Der Brotbäcker lief
sogleich zu der Herberge, die ihm Eulenspiegel genannt hatte. Doch dort fand er niemanden,
sondern sah, daß er betrogen war.
Eulenspiegel brachte seiner Mutter das Brot nach Hause und sagte: »Schau her und iß, dieweil
du etwas hast, und faste mit Sankt Nikolaus, wenn du nichts hast.«
Die 7. Historie sagt, wie Eulenspiegel das Weck- oder Semmelbrot mit anderen Jungen im
Übermaß essen mußte und noch dazu geschlagen wurde.
In dem Flecken, worin Eulenspiegel mit seiner Mutter wohnte, herrschte eine Sitte: wenn ein
Hauswirt ein Schwein geschlachtet hatte, gingen die Nachbarskinder in das Haus und aßen
dort eine Suppe oder einen Brei. Das nannte man das Weckbrot.
Nun wohnte in demselben Flecken ein Gutspächter, der war geizig mit dem Essen und durfte
doch den Kindern das Weckbrot nicht versagen. Da erdachte er eine List, mit der er ihnen das
Weckbrot verleiden wollte. Er schnitt in eine große Milchschüssel harte Brotrinden. Als die
Kinder kamen, Knaben und Mädchen – darunter auch Eulenspiegel -, ließ er sie ein, schloß die
Tür zu und begoß das Brot mit Suppe. Der Brotbrocken waren aber viel mehr, als die Kinder
essen konnten. Wenn nun eins satt war und davongehen wollte, kam der Hauswirt und schlug
es mit einer Rute um die Lenden, so daß ein jedes im Übermaß essen mußte. Und der
Hauswirt wußte wohl von Eulenspiegels Streichen, so daß er auf ihn besonders achtgab. Wenn
er einen anderen um die Lenden hieb, so traf er Eulenspiegel noch besser. Das trieb er so
lange, bis die Kinder alle Brocken des Weckbrotes aufgegessen hatten. Das bekam ihnen
ebenso gut wie dem Hund das Gras.
Danach wollte kein Kind mehr in des geizigen Mannes Haus gehen, um Weckbrot oder
Metzelsuppe zu essen.
Die 8. Historie sagt, wie Eulenspiegel es machte, daß sich die Hühner des geizigen Bauern um
die Lockspeise zerrten.
Als der Hauswirt am nächsten Tage ausging, begegnete er Eulenspiegel und fragte: »Lieber
Eulenspiegel, wann willst du wieder zum Weckbrot zu mir kommen?« Eulenspiegel sagte:
»Wenn sich deine Hühner um den Köder reißen, je vier um einen Bissen Brot.« Da sprach der
Mann: »Dann willst du also lange nicht zu meinem Weckbrot kommen?«