Professors Zwillinge in Italien. Else Ury

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Professors Zwillinge in Italien - Else Ury

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nicht schlafen kann«, beschwerte sich Suse.

      »Sie rufen die Zeitungen aus. Hört ihr › Mattina‹, das heißt Morgen und › Giorno‹, das heißt Tag. Es sind die gelesensten Zeitungen hier in Neapel«, erklärte der Vater.

      »Und was heißt › Limone‹?«

      »Limone ist eine Zitrone. Kleine Zitronenverkäufer bieten ihre Ware an.«

      »Ulkig«, meinte Herbert. »Ich möchte auch mal so schreien.«

      »Du schreist schon laut genug«, lachte es aus einem Bett. Die Mutter, die eigentlich gern noch ein wenig nach der anstrengenden Reise geschlafen hätte, war von der Unterhaltung aufgewacht. »Kinder, ihr werdet euch da draußen im Nachthemd einen Schnupfen holen«, warnte sie besorgt.

      »Hier in Italien, wo es selbst im Winter warm ist?« ereiferte sich der Herr Sohn. »Auf italienisch gibt's überhaupt gar keinen Schnupfen.«

      »Du mußt's ja wissen«, lachte der Vater. »Gerade hier am Meer, wo abends manchmal starke Abkühlungen nach glühend heißen Tagen vorkommen, kann man sich leicht erkälten. Aber nun marsch, wascht euch und zieht euch an, daß wir zusammen frühstücken können. Ich habe mich heute in der Sternwarte, Observatorium sagt man hier, beurlaubt, um euch erst mit der fremden Umgebung vertraut zu machen.«

      »Famos!« rief Herbert. Während Suse sich ein wenig zaghaft erkundigte: »Müssen wir denn nicht in die Schule, Vatichen?«

      »Erst müßt ihr Italienisch, die Landessprache, erlernen. Ihr bekommt Privatunterricht. Ich möchte, daß ihr hier später das Gymnasium weiterbesucht.«

      »Natürlich, wir sind doch schon in der Waldschule in die Quinta versetzt worden«, pflichtete Herbert dem Vater bei.

      »Da käme eine internationale Schule in Betracht oder eine italienische«, überlegte der Vater, zur Mutter gewandt, weiter.

      »Ich gehe in eine italienische Schule,« Herbert war bereits vor den Eltern mit seinem Entschluss fertig – »du auch, Suse?«

      »Ich gehe dahin, wo du hingehst.« Von klein auf war das schon so. Suse war der getreue Schatten des Zwillingsbruders, der sich stets als ihr Beschützer fühlte.

      Während sich die Kinder wuschen und anzogen, hatte Pietro draußen auf der Terrasse einen großen roten Schirm gegen die Sonne aufgestellt. Wie eine rote Riesenblume stand er in der blauen Luft. Teresina deckte darunter den Frühstückstisch. Als die Kinder ausgeschlafen und frisch am Kaffeetisch erschienen, lag auf jedem Platz eine herrliche Rose zum Empfang. Pietro hatte sie der Mutter und ihnen zum Willkommen verehrt. Teresina aber hatte frischen Maiskuchen für die »Engelchen« gebacken.

      Herbert biß sogleich erwartungsvoll hinein und – spuckte den Bissen, obgleich das gar nicht anständig war, sogleich wieder aus.

      »Pfui Deibel!« rief er in seiner derben Jungensprache. »Pfui, das schmeckt ja abscheulich! Kein bißchen süß. Koste mal, Suse.«

      Suse hatte eigentlich wenig Lust dazu, aber was Herbert getan hatte, mußte sie doch auch tun. Sie kostete und – spuckte ebenfalls. Denn sie war ja sein Zwilling.

      »Aber Kinder, wie unmanierlich!« tadelte die Mutter.

      »Was soll denn unser Vater davon denken. Der glaubt doch sicher, ihr seid in seiner Abwesenheit von Berlin ganz verwildert.«

      »Na, wenn das Zeug so eklig nach Rizinusöl schmeckt«, entschuldigte sich Herbert.

      »Nach Rizinusöl?« fragte der Vater belustigt. »Junge, hier wird alles mit bestem Olivenöl gekocht und gebraten. Ihr seid doch hier im Lande des Öls. Dort drüben die grauen Bäume, das sind Olivenbäume, aus deren kleinen schwärzlichen Früchten das Öl gewonnen wird. Ihr müßt euch Pfirsichgelee auf den Polentakuchen streichen. So, Suschen, jetzt probiere mal.« Der Vater strich dem Töchterchen einen Maiskuchen mit Fruchtgelee.

      Ja, jetzt schmeckte es! Auch Herbert ließ sich dazu herbei, Teresinas Backkunst Ehre anzutun. Aber das Brötchen und das Hörnchen mundete ihm doch noch besser.

      War das ein wundervolles Gefühl, wieder gemeinsam mit dem Vater nach so langer Zeit am Tisch zu sitzen – herrlich duftende Blüten zu seinen Füßen – weiterhin das blaue unendliche Meer und – – – »auf dem Vesuv liegt wieder eine Wolke«, sagte Herbert, in die Ferne starrend.

      »Das ist Rauch, der aus dem Innern kommt«, erklärte der Vater.

      Der Bissen blieb Suse vor Schreck in der Kehle stecken. Sie hatte heute über all dem Neuen noch gar nicht an den gefährlichen Vesuv gedacht.

      Irgendwo auf der Straße blaffte ein Hund.

      »Bubi, mein armer Bubi – ich habe mich ja noch gar nicht um ihn gekümmert.« Jetzt blieb dem andern Zwilling beinahe vor Schreck der Happen in der Kehle stecken, als er plötzlich an seinen vierfüßigen Freund dachte. Pietro hatte ihm gestern Abend ein Lager unten im Souterrain zurechtgemacht.

      »Und meine Schwarzwald-Lotti habe ich auch noch nicht gewaschen. Die ist noch ganz schwarz von der Reise.«

      »Dann sieht sie eben wie eine Italienerin aus«, meinte der Bruder gleichmütig und machte Miene, sein Frühstück im Stich zu lassen, um nach dem ausgesetzten Bubi zu sehen.

      »Hiergeblieben!« rief der Vater. »Erst wird fertig gefrühstückt. Pietro hat sicherlich schon für den Hund gesorgt.«

      »Aber der arme Bubi kann sich doch gar nicht mit ihm verständigen, er versteht doch kein Italienisch.« Mit dem letzten Bissen schoß Herbert wie ein Pfeil davon, hinunter in das Kellergeschoss. Suse natürlich hinterdrein.

      Bautz – da lag der Junge. Er hatte nicht acht gehabt, daß er glatte Marmortreppen statt der gewohnten Holztreppen hinunterjagte. Plautz – da lag auch die Suse als getreuer Zwilling. Beide rieben sie sich das schmerzende Knie, sahen sich kläglich an und – lachten sodann. Denn geteilter Schmerz ist halber Schmerz.

      Bubi gebürdete sich rein närrisch vor Freude, als er seinen kleinen Herrn wiedersah. Er mußte sich doch wohl so allein im fremden Lande recht vereinsamt gefühlt haben. Den Pietro, der ihn mit allerlei Kosenamen lockte, knurrte er feindselig an, denn er verstand ja noch kein Italienisch. Aber gegen Teresina, die ihm ein Näpfchen Milch hingesetzt hatte, hegte er schon freundlichere Gefühle. Die Sprache, die durch den Magen ging, verstand er.

      »Cane – piccolo cane«, sagte Pietro, lachend seine weißen Zähne zeigend. Hund – kleines Hündchen, bedeutete es. Die Kinder blickten ebenso verständnislos wie der Hund.

      »Cane«, sagte Pietro noch einmal, auf das Hündchen weisend.

      »Nee, Bubi heißt er«, verbesserte Herbert in der Annähme, es handle sich um den Namen seines vierfüßigen Freundes. Jetzt war es an Pietro, ein verständnisloses Gesicht zu machen.

      »Bubi – Bubi heißt er«, schrie der zweibeinige Bubi jetzt aus Leibeskräften dem Italiener in die Ohren. Dabei betrachtete et mit ungeheurem Interesse Pietros Goldohrringe.

      Suse hatte inzwischen Teresina einen Besuch abgestattet. Die Hausmeistersleute hatten Stube und Küche im Kellergeschoss inne. Sehr ordentlich sah es darin nicht aus. Soviel sah selbst die zehnjährige Suse. Auch roch es abscheulich nach Zwiebeln und Knoblauch. In den Betten sielte sich eine ganze Katzenfamilie herum – sieben junge Kätzchen mit der Mutterkatze.

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