Die Sozialdemokratie. Karl Glanz
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Dass die SPÖ im Herbst 2017 nicht mehr verloren hat und auf rund 27 Prozent kam, liegt an den Stimmen, die sie hauptsächlich von den Grünen "geerbt" hat, das sind gebildete, städtische Wähler. Im Oktober 2017 verlor die SPÖ zwar Platz eins an die ÖVP, konnte ihren Stimmenanteil jedoch halten; ja, mit 26,9 Prozent baute sie die 26,8 Prozent von der Nationalratswahl 2013 genau genommen sogar leicht aus.
Zugelegt hat die SPÖ von 2013 auf 2017 in Städten über 100.000 Einwohnern (2013 auf 2017: von 29,3 auf 32,9 Prozent); unter Selbstständigen (!) von rund fünf Prozent auf 14 Prozent und bei Akademikern von neun auf satte 31 Prozent. Mit einem Wort: Die SPÖ ist derzeit eine Partei von und für Pensionisten (die größte Wählergruppe) und urbane, liberale Gebildete. Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist geradezu die Verkörperung dieser letzten Gruppe: Akademikerin, Ärztin im öffentlichen Dienst, Erfahrung im Ausland. Die Arbeiter sind, wie gesagt, bei der FPÖ (oder als Nichtwähler) im Frustwinkel. Eine ganze Reihe jüngerer Arbeiter hat vermutlich noch nie SPÖ gewählt. Let's face it: Ein großer Teil der Arbeiter ist rechts. In der Arbeiterklasse sind autoritäre Typen, Fremdenfeinde und Skeptiker gegenüber emanzipierten Frauen stark vertreten. Und es gibt nicht mehr so viele Arbeiter: neun Prozent. Viele dürfen gar nicht wählen, weil sie ausländische Staatsbürger sind.
Soll oder kann die SPÖ daher auf die Arbeiter vergessen? Sie der FPÖ endgültig überlassen? Niemand in der SPÖ wird das laut mit Ja beantworten. Wissenschaftler wie der Salzburger Reinhard Heinisch empfehlen jedoch klar eine Entscheidung für einen sozialliberalen Kurs. Der Doskozil-Kurs (Schwenk nach rechts) sei sinnlos: Eine dritte rechte, ausländerfeindliche Partei zusätzlich zu FPÖ und Türkis werde nicht gebraucht.
Heinisch meint, damit könne die SPÖ auf 30 Prozent kommen. Das ist aber noch weit entfernt von früheren Werten (letzter Höchstwert unter Vranitzky 1995 mit 38,1 Prozent). Überdies ist es eine Selbstbeschränkung, die a) Parteigranden wie Michael Ludwig nicht mitmachen wollen und die b) wahrscheinlich auch nicht richtig ist. Derzeit hat zwar die SPÖ beim Thema Migration keine überzeugende Politik. Aber das heißt nicht, dass man nicht intensivst eine suchen sollte, die der Mischung aus Bösartigkeit und Pseudolösungen, die Türkis-Blau derzeit betreibt, etwas entgegensetzt.
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Fühlen sich die Arbeiter wirklich wohl mit einer FPÖ, die immer mehr in den Rechtsextremismus abrutscht (Kickl leugnet, dass Neonazis vom Verbotsgesetz betroffen sind) und die von einem elitären Klüngel, den Burschenschaften, beherrscht wird? Sagt ihnen überhaupt jemand, dass das so ist? Vielleicht sollte man einmal einfach damit anfangen.
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Weil in der Gemeinde Hainfeld (heute eine Stadt) im Bezirk Lilienfeld einerseits ein kräftiger Arbeiter-Gewerbeverein bestand, der den Parteitag hier haben wollte, und andererseits hier nicht wie in Wien und den Umlandbezirken Ausnahmezustand galt, war man auf diesen Ort gekommen. Man traf sich am 30. Dezember, einem Sonntag, am Abend und ging geeinigt am Dienstag, dem 1. Jänner, kurz nach Mittag auseinander. Als Viktor Adler die SDAP gründen wollte, wäre ihm das von langer Hand geplante Ansinnen beinahe an einer profanen Notwendigkeit gescheitert, nämlich: an einem ordentlichen Veranstaltungslokal. Die Dinge waren nicht ganz einfach. In Wien und den angrenzenden Bezirken galt Versammlungsverbot. Der Bezirkshauptmann in Lilienfeld stand der Arbeiterbewegung grundsätzlich wohlwollend gegenüberstand, so entschieden Adler und die Seinen, dass man Österreichs Sozialdemokraten in Hainfeld, genauer gesagt: im Wirtshaus "Zum Goldenen Löwen“, versammeln solle. Der Wirt wollte das so gar nicht. Der Wirt fürchtete schwere Repressalien, auch den Zorn des Bürgermeisters. Und so bedurfte es der Überredungskünste des Armenarztes und Journalisten Adler, den Wirt vom Gegenteil zu überzeugen. Von 30. Dezember 1888 bis 1. Jänner berieten 80 Delegierte und 25 Gäste aus 13 Kronländern in Hainfeld, um die Grundsätze einer, ihrer Arbeiterpartei zu fixieren. Als die Sozialistische Partei gegründet wurde, im Jahr 1888, war ein schwieriges Jahr vorbeigegangen. 1848 war nur 40 Jahre vorbei, die Revolution von damals war noch recht lebendig. Eine Reihe von Revolutionen fand im österreichischen Reich von März 1848 bis November 1849 statt. Die Revolution von 1848 war eine politische Bewegung, die ab Februar/März 1848 große Teile Europas erfasste und 1849 ausklang. Politische Ziele waren unter anderem gewählte Volksvertretungen und verantwortliche Ministerien anstelle monarchisch-absolutistischer Regierungen, die Beseitigung feudaler Strukturen und die Garantie der Pressefreiheit. Ein Großteil der revolutionären Aktivitäten hatte einen nationalistischen Charakter: Das aus Wien regierte Reich umfasste ethnische Deutsche, Ungarn, Slowenen, Polen, Tschechen, Slowaken, Ruthenen ( Ukrainer), Rumänen, Kroaten, Venezianer (Italiener) und Serben; Alle von ihnen versuchten im Verlauf der Revolution entweder Autonomie, Unabhängigkeit oder sogar Hegemonie über andere Nationalitäten zu erreichen. Das nationalistische Bild wurde durch die gleichzeitigen Ereignisse in den deutschen Staaten, die sich in Richtung einer größeren deutschen nationalen Einheit bewegten, weiter verkompliziert.
Zwischen Furcht und Hoffnung spielt sich das menschliche Leben ab. Hoffnung und Furcht beherrschen auch das Leben der Völker und geben der großen wie der kleinen Politik die täglichen Impulse. Eitle Hoffnungen und törichte Furcht aber sind denen beschieden, die in den Niederungen der Gesellschaft des freien Ausblicks entbehren, die im engen Kreise der Gedanken die Ereignisse nur so weit beurteilen, als eben jene Kreise berührt oder gestört erscheinen. Dem ernsten Manne, welcher von der Höhe seiner Stellung oder seiner Einsicht dem Welttreiben zusieht, erscheinen die Irrtümer lächerlich, welche durch eitle Hoffnung, durch törichte Furcht erzeugt werden, und doch will heute jeder Tag seine Stimmung, seine Meinung bilden, und nicht jeder Tag bringt ein bestimmendes Ereignis. Konflikte zwischen Schuldnern und Gläubigern in der landwirtschaftlichen Produktion, sowie über Landnutzungsrechte in Teilen Ungarns, führten zu Konflikten, die gelegentlich zu Gewalt führten. Der Konflikt um die organisierte Religion war in Europa vor 1848 allgegenwärtig. Die Spannungen kamen sowohl innerhalb des Katholizismus als auch zwischen Angehörigen verschiedener Konfessionen zum Vorschein. Soziale Ziele waren die Beseitigung feudaler Strukturen (Untertänigkeit, Grundherrschaft), die rechtliche Gleichstellung aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger (unter anderem volle Emanzipation der Jüdinnen und Juden, die sich eifrig an der revolutionären Agitation beteiligten) sowie die Besserstellung (und das politische Mitspracherecht) für die Massen der Fabrikarbeiter (Kommunistisches Manifest von Karl Marx in London am 29. Februar 1848). Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedes mal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen. Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten (1872). In Frankreich war die Revolution (23./24. Februar 1848) erfolgreich (Umwandlung des Königtums in eine Republik); in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bunds (Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und so weiter) wurden zunächst zwar durchwegs die meisten politischen und sozialen Ziele erreicht, doch führte die zunehmende Radikalität zu militärischen Gegenmaßnahmen der Regierungen, welche die Revolution letztlich zum Scheitern brachte (einige Errungenschaften blieben allerdings bestehen); in Ungarn und Lombardo-Venetien warf Österreich die Revolution mit Waffengewalt völlig nieder (Radetzky) und setzte Militärregierungen ein. Zu den bemerkenswerten liberalen Clubs der damaligen Zeit