Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch. C.-A. Rebaf

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Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch - C.-A. Rebaf

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Reichswehr ein und Fritz Regiment zog von Rastatt nach Westen gen Frankreich. Schon nach den ersten Gefechten dort und lange vor Verdun und den anderen großen mörderischen Schlachten, erwischte es Fritz bei einem Angriff auf dem ersten Vormarsch und sein Bein wurde von einer Granate abgerissen. Wollte er als Gardeoffizier seiner Vorreiterrolle gar zu gerecht werden und mutige Heldenstückchen nicht nur verbal sondern auch real beweisen?

      Halb verblutet wurde er von den Sanitätern aufgegriffen, um dann, noch war der Krieg erst wenige Wochen alt und die Versorgungslogistik in Takt, in ein Lazarett in das nahe Saarbrücken eingeliefert zu werden. Sobald Eva die Nachricht seiner Verwundung erhielt, fuhr sie ihn besuchen, schon erahnend, dass ihr junges Glück durch diesen Schicksalsschlag gefährdet war. Sie fand ihn auch, neben vielen anderen verwundeten Kameraden in einem sauberen und hygienischen Krankenhaus in der Stadt ganz im Westen des Reiches an der Saar, die jetzt durch das Kriegsgeschehen stärker in den Vordergrund kam, soweit weg von Berlin, der Schaltzentrale. Sie fand den stolzen Fritz gedemütigt und im Todeskampf, kaum fähig seine junge Frau zu erkennen. Als er sie dann sah, schienen seine Lebensgeister noch einmal auf zu flammen und Eva fuhr nach einigen Tagen in der Hoffnung zurück, dass er es - wenn auch als Kriegskrüppel - überleben würde. Wie konnte sie wissen, dass das Schicksal immer in Etappen und immer unerbittlicher zuschlägt? Dann kam wenige Tage nach ihrem Besuch die finale Meldung über seinen Tod zusammen mit seinem Nachlass. Darunter war eine Postkarte, die er an sie gerichtet hatte. Nach dem er die Adresse und die Anschrift in seiner deutlichen und aufrechten Schrift mit einem Kopierstift geschrieben hatte und nach der Anrede 'Meine geliebte Eva…' fortfahren wollte, ihr seinen aktuellen Zustand mitzuteilen, verließen ihn die Kräfte. Die Buchstaben kippten um und seine Hand brachte nur noch eine gewellte Linie auf den Karton, die dann in dem Maße in eine Gerade ausliefen, wie sein Leben aus ihm wich. Er verblutete in dem Moment des Schreibens dieser Postkarte an seine geliebte schwangere Frau.

      Eva bewahrte diese Postkarte, diesen letzten Beweis seiner Liebe zu ihr, als das Wichtigste in ihrem Leben auf und zeigte sie ihrem Enkel fünfzig Jahre später. Dieser war damals gerade fünf Jahre alt. Er nahm ihr Vermächtnis in sein ungetrübtes kindliches Herz auf und bewahrte es bis lange nach ihrem Tode. Hatte sie ihn damit überfordert? Oder gar missbraucht? War er der einzige, der ihr noch zuhörte, zuhören musste?

      Immer wenn der Enkel heute die modernen Monitore mit den Herzschlägen der Schwerverletzten sieht, die auf Intensivstationen liegen, sieht er die Postkarte vor sich. Beim Ableben verlaufen sich die Monitorlinien genau wie auf der damaligen Postkarte im Nichts.

      Aber das Andenken an Fritz sollte lange erhalten bleiben. Während viel später im neuen Jahrtausend die Gräber aller seiner Großeltern, auch das von Everl, verschwunden waren, weil der Platz auf dem Friedhof zu gering war, blieb doch das Soldatengrab von Fritz über ein Jahrhundert bestehen. Sein Halbenkel musste zwar bei seinem letzten Besuch den Efeu etwas auf die Seite schieben, aber da stand sein Name in roter Schrift auf grauem Granit. Seine Überreste waren zusammen mit einem gefallenen Bruder in einem kleinen Soldatengrab beerdigt.

      Außerdem war sein Name auch in der Liste der gefallenen Soldaten, die auf den gelben Porphyr-Platten des pompösen Nazi-Krieger-Denkmals in zentraler Lage der Innenstadt zu finden. Wie schön fand der Halbenkel doch den Anblick in den siebziger Jahren des letzten Jahrtausends, als eine junge Anhängerin der damaligen Flower-Power-Friedensbewegung die Trommel des marschierenden Soldaten der Steinfiguren in der Pause des nahegelegenen Gymnasiums als Liegestuhl für ihr morgendliches Sonnenbad nutzte. Ein junges Mädchen in bunten kurzen Sommerkleidern mit regenbogenfarbigen Bändern in den Haaren: Ein Brückenschlag über die Generationen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können!

      Doch zurück zum Everl. Das Leben ging weiter. Wie gut, dass Eva in ihrer Familie einen festen Halt spürte, denn bald darauf wurde das Kind des gefallenen Gardeoffiziers geboren und Paul getauft. Paul, der von Geburt die Stelle seines Vaters übernehmen musste, und deshalb nie eine Gelegenheit hatte, er selbst zu sein. Wundert es dann, dass in Anbetracht der bekannten weltumspannenden Veränderungen in der Folge des Krieges römisch eins, der erwachsene Paul die SS als ein neuzeitliches Äquivalent für das großherzogliche Garderegiment seines Vaters erachtete und Mitglied wurde? Aber wir greifen der Zeit voraus und müssen zunächst einen anderen familiären Wurzelast freilegen und verfolgen, bis wir wieder auf Eva treffen.

      Wilhelm war ein kleiner Junge in einer ärmlichen Arbeiterfamilie. Sein Vater war aus der Kurpfalz entflohen und ließ seine Mutter mit den Kindern zurück. Des Öfteren im Familienstammbaum gibt es Lücken bei dieser Familie, weil die Reiselust oder die Sehnsucht nach der großen weiten Welt sie gepackt hatte, die doch so ruhig wirkenden Mitglieder der ursprünglich aus Battenberg stammenden Familie. War nicht hier schon die Auswirkung eines 'Zigeuner-Gens' zu erkennen, das in dieser Familie sich von Generation zu Generation weitervererbte? Das legendäre Zigeuner-Gen, das wir bei späteren Familienmitgliedern wiederfinden werden, vor allem bei mir.

      Das Fragezeichen zeigt, wie wenige Informationen überlebt haben. War es Wilhelm nicht wichtig seinem Enkel etwas von sich und seinen Vorfahren zu hinterlassen, oder war sein Leben zu unspektakulär? Oder war es das Abgeschnitten-Sein von den Vorfahren, seine Entwurzelung, nachdem doch der Vater so einfach aus seinem Leben verschwand, ohne Würdigung, ohne Hinterlassenschaft und ohne Grab?

      Wilhelm wuchs heran und nach der Schule lernte er das Maurerhandwerk. Er war emsig und fleißig. Das Bauen der Häuser war damals ohne die Kräne, Betonmaschinen, Bagger und Raupen der heutigen Zeit noch echte Handarbeit. Da musste man als Kind schon zäh und ausdauernd sein, um die Maurerlehre zu überstehen. Die Gesellen und vor allem der Polier, der Chef am Bau, achteten streng darauf, dass der Mörtel aus Sand und Zement gut durchmischt wurde. Dieser wurde nach den Regeln des Bauhandwerks so gemacht: Mit einer Schippe wurde ein kleiner Hügel Sand auf einer freien Fläche spitz aufgetürmt, wobei die Anzahl der Schaufeln Sand für das richtige Mischungsverhältnis sorgfältig gezählt werden mussten. Anschließend wurde über den spitzen Sandhaufen die benötigte Anzahl Zement aus den braunen Papiertüten entnommen und darüber gestreut wie Puderzucker. Für die homogene Verteilung des Zements wurde jetzt noch ohne Wasser der Sandhaufen mindestens dreimal 'umgeschippt', d.h. jeweils ein neuer Sandhaufen aus dem alten daneben angelegt. Allmählich änderte das Gelb des Rheinsandes sich durch die Zementdurchmischung in ein Grau. Danach wurde Wasser mit einer Gießkanne zugegeben und spätestens jetzt mussten zwei Lehrjungen zusammen-arbeiten. Der eine schaufelte zum x-ten Male einen neuen Haufen aus dem alten und der andere goss behutsam Wasser darüber. Das Gemisch wurde immer schwerer jetzt und das Schaufeln immer mühsamer. Aber es musste noch ein-, zweimal erfolgen, bis das Homogenisieren von Wasser, Sand und Zement als Mörtel oder Beton bezeichnet werden konnte. Je nach dem wofür er benötigt wurde, durfte er nur erdfeucht oder flüssig sein.

      Die Lehrjungen buckelten dann mit einer Tragekiepe das schwere Material in Eimern über das Baugerüst zu den Gesellen, die schon ungeduldig darauf warteten, wenn der Mörtel ihnen ausgegangen war. Kaum war der eine versorgt, rief der andere nach Ziegelsteinen, die auf die gleiche Weise mit der Kiepe geschleppt werden mussten.

      Ganze Stadtviertel mit Arbeiter-Reihenhäuser wurden in der kleinen Stadt im nördlichsten Zipfel der Kurpfalz so errichtet. Eines davon erhielt dann den bezeichnenden Name 'Die Kolonie'. Die boomende Industrie benötigte Arbeitskräfte, Gerbereien vor allem gab es am Standort, die sehr erfolgreich betrieben wurden. Diese zogen auch andere Gewerbe als Zulieferer nach: Sondermaschinenbau, Metallverarbeitung, Gießereien, Drehereien, bis hin zur Brauerei, denn auch für das leibliche Wohl der Arbeiter musste gesorgt werden. Diese wohnten mit ihren Familien in der Kolonie nur ein Steinwurf von der Firma und der Brauerei entfernt. Transport war damals teuer und deshalb musste alles auf engstem Raum erfolgen. Bis zum großen Brauereisterben nach Weltkrieg römisch zwo wurde dort gebraut Es gab damals natürlich auch einen Biergarten, also alles was zu einer Brauerei dazugehört, wie in der Hauptstadt Berlin am Prenzlauer Berg zum Beispiel, nur im Kleinen.

      Die Pferdefuhrwerke starben aus und mit ihnen die Brauereien. Plötzlich konnte das Bier mit einem motor-betriebenen Lastkraftwagen auch

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