Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch. C.-A. Rebaf

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Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch - C.-A. Rebaf

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verschlossene Türen wie heute gab es damals nicht. Abends fehlten dann ein Kopfkissen, ein Federbett und die alten Bezüge dazu. Eva war erbost und verlangte von Wilhelm, die Affäre aufzuklären und die Diebesbeute dann zurückzubringen. Es geschah dann auch so. Anna war fortan als Diebin gebrandmarkt.

      Kurz darauf ereilte die Familie den nächsten Schicksalsschlag: Wilhelm wurde im Zuge der Wirtschaftswirren der zwanziger Jahre arbeitslos. So viel er sich bemühte, er konnte keine Anstellung mehr in seinem Beruf finden. Neue Häuser wurden keine mehr gebaut. Die Familie beschloss darauf, die Feierabendlandwirtschaft auszuweiten und hauptberuflich zu betreiben. Genügend landwirtschaftliche Fläche war vorhanden: Bergwiesen und Felder in der Rheinebene. Kuh und Ziegen wurden angeschafft, Eva ging auf den Wochenmarkt und betrieb moderne Direktvermarktung. Wilhelm besuchte am Sonntag nach dem Kirchgang den Stammtisch im 'Goldenen Hirsch'. Das konnte er sich leisten, Eva erlaubte es ihm. Aber 'unter der Woche' war dann das Wirtshaus für ihn tabu! Das ging dann erstaunlich gut und friedlich, bis neue Wolken mit brauner Farbe den Himmel betrübten. Wilhelm, aus dem traditionellen Arbeiterstamm kommend, lehnte die neue Bewegung rundweg ab. Hatte er doch große Probleme, die ständigen verdeckten Denunziationen seines Stiefsohns Paul beim Ortsgruppenleiter wieder zu rechtfertigen und gerade zu biegen. Ausgerechnet er, dessen rhetorisches Geschick doch nur daraus bestand zu schweigen und Gedanken zu denken. Aber er hat es doch immer wieder geschafft.

      Zum Ausdruck seines Protestes gegen die Nazis, stellte er zusammen mit seinem Nachbarn immer einen großen Tannenbaum in die schmale Einfahrt zum Bennweg von der damaligen Adolf-Hitler-Straße aus, wenn wieder eine Beflaggung für einen Umzug anstand. Im Bennweg hing keine einzige Hakenkreuz-Fahne, aber durch den Baum fiel das nicht auf.

      In das Haus zog durch den Paul nicht nur ideologisch der Fortschritt der Zeit ein: Die Elektrizität hatte es ihm angetan und er war der erste im ganzen Viertel, der mit einem Dioden-Empfänger, einer Drahtantenne und einem Kopfhörer in die Welt des Radios horchte. Er genoss die Bewunderung derer, denen er das Knacken und Rauschen vorführte.

      Sein kleiner Stiefbruder Reinhard liebäugelte mit einer anderen Technologie und wurde von der HJ1 mit dem Traum zum Fliegen verführt. Der Vater, Wilhelm, trat zum ersten Male massiv gegen ihn auf und verbat ihm jeglichen Kontakt mit seinen politischen Gegnern. Wie gerne wäre der Sohn mit in die Zeltlager auf die Wasserkuppe gefahren und in einem Gleiter geflogen. Statt dessen begnügte er sich mit dem kleinen Uhu, den er zu Hause auf dem Dachboden sorgfältig nach einem gekauften Bauplan erschuf und auf den 'Nächstenbacher Hochalmen', der ersten Erhebung aus der Rheinebene dem Odenwald zu, in den blauen Herbsthimmel mit einem aus alten Einmachgummis zusammengeknoteten Seil aufsteigen ließ.

      Das Flugmodell drehte seine Runden und sah das übliche Bild in der Nordstadt: Die auf den Namen 'Adolf-Hitler' umbenannte Steinstraße bereitete sich gerade wieder auf einen neuerlichen Aufmarsch der braunen Bataillone vor. Überall hingen Girlanden und rote Hakenkreuzfahnen. Nur eine enge ansteigende Gasse, die wie eine Hofeinfahrt zwischen zwei Anwesen von der Straße abzweigte, nahm sich aus. An der Einmündung stand eine große Tanne zum Ausdruck des passiven Widerstands einiger Aufrechten!

      So wundert es nicht, dass wir den Namen des Widerständlers und den seiner inzwischen sehr frommen Frau Eva auf der Transportliste ins KZ finden, die im Rathaus sehr viel später nach der braunen Götterdämmerung gefunden wurde. Gott sei Dank war die Liste lange, Gott sei Dank liegt die Kurpfalz weit im Westen und Gott sei Dank kamen die Amerikaner aus dieser Himmelsrichtung dorthin schneller, als die Nazis diese Liste abarbeiten konnten. Dieser Listenplatz machte das Weiterleben dann sehr einfach für Eva und Wilhelm, als ein Neuanfang gestartet wurde.

      Wer konnte ahnen, dass Wilhelm alsbald als einer der beiden Großväter in Geschichten von Kirschbäumen und komplexen Boden-Besitzverhältnissen stadtnaher Grundstücke eingehen sollte?

      Reinhards Kriegstagebuch Teil 1

       Vom Hof hinter Reinhards neuem Haus sieht man durch das Grün der Gärten die alte Scheune herüber scheinen. Sie gehört zum Anwesen seiner Eltern. Inzwischen ist ihr Giebel krumm, sie kommt jetzt in die Jahre. Er hat die Scheune so wie sie jetzt da steht, von August 1947 bis Frühjahr 1948 erweitert. Im Sommer vor mehr als 50 Jahren kam er zurück vom Ural aus russischer Gefangenschaft. Wie viele seiner Leidensgenossen hatte er sich mit Makhorka, dem schlechten russischen Tabak, dystroph gemacht und seine Malaria, die er von einer Mücke aus dem rumänischen Donaudelta über-tragen bekam, tat auch einiges zu seiner frühzeitigen Entlassung schon nach drei Jahren. War er doch erst 25 Jahre in der Blüte seines Lebens.

       Er wollte sich sogleich nützlich machen daheim und er beschloss deshalb mit seinem Vater die alte kleine Scheune zu erweitern. Es war ein konkretes Nahziel, denn seine weiteren Lebenspläne waren durch die Kriegswirren zunächst unklar. Er musste sich doch erst einmal darüber bewusst werden, dass er es überhaupt überlebt hatte, wenn ihm auch die schönsten sieben Jahre seines Lebens geraubt wurden. Außerdem war das Leben 1947 im Sommer auch verändert im Vergleich zu 1940, als er in den Krieg ziehen musste. Er brauchte Zeit, sich zu Recht zu finden. Ein Fünfundzwanzigjähriger mit der Lebenserfahrung eines Fünfzig-jährigen. Das hatte er in allen den Wirren eingesogen wie ein Schwamm: Lebenserfahrung, Überlebensstrategien, Lebensweisheit, viel mehr als vergleichbare junge Menschen in friedlichen Zeiten. Er, Reinhard der Kriegstourist, im Krieg römisch zwei, wie Erwin1 sich ausdrückte. Von Mainz über Prag und zu den südrussischen Weiten. Dann Stalingrad und - nach einer Verwundung - rechtzeitig heraus, vor dem Untergang dort. Nach seiner Genesung als 'Stalingrad-Kämpfer' Aufstieg zum Unteroffizier und ab an das Schwarze Meer: Von Constanza bis Sewastopol und Charkow. Dann geschahen wilde Geschichten bis er in die russische Gefangenschaft 1944 kam.

       Zuhause überlebten seine Eltern mit seinem Halbbruder, einer der drei Sorten Kinder und dessen Frau auf einem kleinen Bauernhof. Das Heu und das Stroh für die Kuh und die Ziegen des Kleinbauernhofes lagerten in der alten kleinen Scheune. Die Lagerkapazität reichte allerdings nicht aus und aus diesem Platzmangel heraus wurde ein zweites Hauptlager im Anwesen der Großmutter in der Bischofsgasse, etwa 500 m entfernt genutzt. Reinhard war es Leid immer mit dem Kuhfuhrwerk den Wochenvorrat aus dem großmütterlichen Großlager zu holen. Die Großmutter bestand in ihrem hohen Alter auch immer darauf, dass er den Hof säuberlich von den Halmen befreite, die natürlich immer aus dem Strohballen auf die Erde fielen. Das war ihm in seinen jungen Jahren lästig. Er, der er sieben Jahre Krieg und Gefangenschaft überlebt hatte, musste sich dem lächerlichen Willen der Großmutter beugen. Sein Vater und er beschlossen deshalb, sich vom 'Schütz', dem Waldhüter, einige Tannen auf dem Hirschkopf anweisen zulassen, die sowieso wegen Borkenkäferbefall hätten gefällt werden müssen. Aus den Stämmen schlug Reinhard mit dem Stiefelbeil Balken, die ein Sägewerk nicht besser hätten schneiden können. Die Giebelmauern der Scheune wurden vom ‚Vadder‘, dem gelernten Maurer, hoch gemauert und verlängert. Im März 1948 war die erweiterte Scheune fertig und das großmütterliche Großlager wurde geschlossen. Er brauchte diese Beschäftigung, da er immer ein fleißiger Mensch war, der nur durch Arbeit zu sich selbst fand.

       So wie damals in Nishnij Tagil in einem Gefangenenlager, wo er seit Sommer 1944 mit seinen 22 Jahren noch sehr jung, interniert war. Er arbeitete in einer Panzerfabrik. T34-Panzer – also 34 Tonner - wurden dort produziert. 36 Stück jeden Tag. Die gesamte Produktion war auf diese magische Zahl, der „Norm“, abgestimmt. Neben diesem leichten Panzer gab es noch den T54, der wurde woanders gebaut und wog folglich 54 Tonnen.

       Reinhard hatte keinen vollständigen Überblick über den gesamten Produktionsablauf - auch nicht nach drei Jahren. Die Russen wollten auch keine Informationen an den Gegner liefern. Er arbeitete als gelernter Dreher an einer Drehbank und stellte Panzerräder aus den stahl gegossenen Rohlingen her. Innen musste das Kugellager für die Achse heraus gearbeitet werden. Außen die Laufauflagen geglättet werden, damit die Antriebsketten reibungslos über die Räder glitten. Später war er im Werkzeugbau, das war ein Aufstieg, nicht mehr die stupide Arbeit mit den Tausenden von Rädern drehen Tag

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