Sternengeflüster. Mara Janisch
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Mara Janisch
Sternengeflüster
Roman
- epubli -
Impressum
2014 Mara Janisch
Alle Rechte vorbehalten
Druck und Verlag:
epubli GmbH Berlin www.epubli.de
Abdruck Brief von Goethe an Lavater aus:
Rüdiger Safranski:
Goethe Kunstwerk des Lebens.
Carl Hanser Verlag, München 2013.
ISBN: 978-3-8442-8647-2
Covergestaltung: Mara Janisch
Diese Begierde, die Pyramide meines Daseins, deren Basis mir angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Luft zu spitzen, überwiegt alles andere und lässt kaum augenblickliches Vergessen zu. Ich darf mich nicht säumen, ich bin schon weit in Jahren vor, und vielleicht bricht mich das Schicksal in der Mitte und der babylonische Turm bleibt stumpf unvollendet. Wenigstens soll man sagen es war kühn entworfen.
Goethe an Lavater
Etwa 20. September 1780
Kapitelübersicht
Helftorgasse
Jetzt sind sie gleich weg!
Die Schlüssel von der Wohnung in der Helftorgasse.
Nein, ich bin nicht unterstandslos!
Ich bin nur etwas los – die Wohnung in der Helftorgasse.
Helftorgasse! Ein seltsamer Name.
Ja, das Wohnen hier war eine große Hilfe, wenngleich es nicht danach ausgeschaut hat.
Ich wohne jetzt nicht mehr in der Helftorgasse, weil mir größere Hilfe zuteil geworden ist. Von wem, ja von wem?
Jetzt wohne ich im Grünen, weg vom Straßenlärm, im Vogelgezwitscher.
Ist das wichtig? Ja, es ist wichtig.
„Manchmal gibt es Abkürzungen“, höre ich jemanden sprechen. In diesem Moment biegt ein Mann um die Ecke des Stiegenhauses, er dreht sich um und spricht weiter zu einem jüngeren Mann, der ihm die Stiegen herauf folgt.
„Ja manchmal gibt es diese Abkürzungen, mit dem Lift brauche ich immer dreimal so lang in den dritten Stock.“
Und schon sind sie hinter der nächsten Ecke verschwunden.
„Manchmal gibt es Abkürzungen“, wiederhole ich gedankenverloren.
Ja, wie richtig! Nur gehen muss man sie selbst! ergänze ich.
Das Wohnen in der Helftorgasse – ein Abkürzer? Was wäre denn der längere Weg gewesen? Ein gelebtes Leben mehr – sinniere ich. Na ja, wer glaubt schon an mehrere Leben!
„Ich, ich“, sage ich zu mir selbst!
„Oh entschuldigen Sie, jetzt bin ich in das Nasse hinein gestiegen, Sie waschen gerade das Stiegenhaus auf“, sage ich zur Hausmeisterin.
„Das macht nichts, es ist ja kein Fettnäpfchen“, antwortet sie und wir lachen beide.
Ich sperre die Wohnungstüre auf und stehe in einer leeren Wohnung. Jetzt ist nichts mehr von mir hier, oder doch? Was bleibt ist die Leere, oder?
Großzügige Zimmer, lichtdurchflutete Parkettböden. Wie seltsam, leere Räume, meine Stimme hallt wider „Was hast du hier zurückgelassen?“
„Hier habe ich...“ - plötzlich läutet es an der Türe.
Umberto steht draußen.
„Ich habe Licht gesehen und wollte mich auch noch von der Wohnung verabschieden“, sagt er.
„Komm herein.“
„Ich würde so gerne noch einmal gemeinsam ein Lied in dieser Wohnung singen.“
Ich lache - dann sage ich „das ist eine sehr hübsche Idee, und was willst du singen?“
„Ist es schwer, das zu erraten?“
„Nein, ich kann es mir schon vorstellen.“
„Gewonnen.“
„Schon wieder dieser alte Schinken? Na gut.“
Ich stimme an und Umberto improvisiert gleich die zweite Stimme dazu.