Sternengeflüster. Mara Janisch

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Sternengeflüster - Mara Janisch

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und dann schlüpfen wir durch dieses Tor des Zweifelns in ihn hinein. So einfach ist das. Wenn wir einmal hier sind, dann haben wir schon gewonnen, so schnell seid ihr uns dann nicht mehr los“, triumphieren sie.

      „Ja, das habe ich bemerkt, ihr seid noch immer hier.“

      „Wir sind leider weniger geworden, aber es reicht noch immer um Menschen zu überzeugen, dass Fehler machen eine Schande ist“, fügen sie selbstbewusst hinzu.

      „Danke, für heute reicht es mir.“

      Wie durch Zufall ertaste ich meine Tasche und steuere den Ausgang an. Außerdem ist es höchste Zeit zu gehen, es beginnt zu dämmern. Fehler machen ist eine Schande? stößt es mir auf, in welchem Jahrhundert lebe ich denn eigentlich?

      Umberto und Orpheus

      Fehler machen ist eine Schande?

      „Keine Fehler machen ist eine Schande!“, werde ich den Kräften in der Helftorgasse entgegenschleudern. Warum finden sich so viele Menschen damit ab, dass Fehler machen angeblich eine Schande sein soll?

      Ein wunderbarer Juni-Tag erwartet mich, die Luft ist erfrischend, inspirierend, ein leichtes Lüftchen weht. Die Sonne blitzt am Himmel, eine Sonne, die noch nicht belastet, noch nicht ihre glühende Hitze schickt. Ich steige gerade aus dem Taxi aus. Das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich mir schon lange abgewöhnt, weil niemanden ein Meer der Freude beim Betreten der U-Bahn erwartet. Wer taucht noch in den See der Blicke, in das Wogen von Sympathie und Antipathie beim U-Bahnfahren ein? Jeder kommuniziert mit sich und mit seinem Handy oder er glotzt wie hypnotisiert auf seinen I-Pod und der gefrorene Blick fixiert sich unbarmherzig auf den handtellergroßen Bildschirm.

      Beim Meidlinger Tor am Schönbrunner Schlosspark steige ich aus und ich spaziere diesmal durch eine Kastanienallee zur Meierei. Ein rundes, einfaches Gebäude sehe ich von weitem, rundherum sind Tische und Sessel bereitgestellt, die Sonnenschirme locken schon. Mit einem Wort ein kleines Paradies inmitten der Stadt erwartet mich: lieblich, von den Errungenschaften der Technik noch nicht zu sehr entstellt. Die Atmosphäre ist leicht und luftig.

      Es ist kurz vor 16 Uhr und einige Menschen sehe ich hier sitzen, noch stehen genug Plätze zur Auswahl. Umgeben von kunstgerecht geschnittenen Hecken, von Sträuchern und Bäumen, Bosquetten genannt, mit einem wohltuenden Ausblick auf die „Meidlinger Vertiefung“, die wie ein großes wasserleeres, seichtes Schwimmbecken aussieht, das mit Rasenflächen ausgekleidet ist. Mein Auge kann im Grünen schweifen, einen großen, weiten Raum kann es abtasten.

      In einer halben Stunde kommt Umberto, ich freue mich auf ihn! Wie selten ist es geworden, dass das Auge mitten in der Stadt so viel Raum vorfindet und den weit ausgespannten Himmel sehen kann mit den phantasievollen Wolkengebilden, in denen ich als Kind immer Gesichter gesucht habe. Bei der Gelegenheit frage ich mich, wem die Stadt eigentlich gehört? Den Menschen?

      Nein, sie stören eher das Gewoge der Autos und Straßenbahnen, Architekturscheußlichkeiten, der Kräne, Müllcontainer und der fieberhaft betriebenen Wohnbausanierungen.

      „Ich bin dafür, die Stadt zur menschenfreien Zone zu erklären“, sage ich mir. Wieder schaue ich zum Himmel. Das Kommen und Gehen der Wolken zaubert neue Gebilde hervor. Kein Stillstand ist zu sehen, nur eine unentwegte Bewegung am Himmel.

      „Ja, bitte einen Capuccino mit Schlag“, antworte ich der Kellnerin.

      Zwanzig Minuten nach 16 Uhr ist es. Umberto wird gleich kommen. Er ist jung und schön mit großen wachen Augen. Ende Mai hat er seinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Umberto, oder auch Orpheus, wie ich ihn nenne, hat kein Handy, aber dafür eine wunderschöne Singstimme.

      Ob es hier einen Zusammenhang gibt, frage ich mich? So einfach wird es doch nicht sein?

      Oh ja, ein Fünkchen Wahrheit ist darin verborgen. Der Umgang mit dem Ohr und der Gebrauch der Stimme beim handynieren ist doch ein sehr fragwürdiger geworden. Den Stimmklang am Handy mit dem des Festnetzes zu vergleichen ist eine höchst interessante Beobachtung, weil die technischen Gegebenheiten am Handy den Stimmklang auf eine Art und Weise verschärfen, dass das Gesetz „Wie man in den Wald hineinruft, so hallt es heraus“ beängstigende Formen für die Kommunikation annimmt. Das Ohr wird unangenehm mit Miss-Klängen bedrängt. Es gibt Menschen, und zu denen gehöre ich auch, die kein Handy verwenden, weil sich das Ohr unwohl bei dieser Klangqualität fühlt. Es wäre bei der Vielfalt der technischen Möglichkeiten ein Leichtes die Klangqualität anzuheben und erträglich zu machen. Aber die Ohren wurden durch die Zumutung des „Fernsehklanges“ bereits so korrumpiert, dass der Schritt zur Ohrenbeleidigung durch die Ausblendung bestimmter Frequenzen durch das Handy nur ein kleiner war. Und so befindet sich das Ohr in einer Situation, dass es dem Hören nicht mehr gewachsen ist. Eine beängstigende Tatsache, dass der Verlust des „Wohlklanges“ so weite Kreise zieht, dass die Stimme sich nicht mehr an einer gewissen Hörqualität heranbilden kann. Die Stimme kann nur das wiedergeben, was das Ohr hört. Wenn das Ohr stirbt, stirbt die Stimme!

      Aber Umberto ist ein hörender junger Mensch, der die Wertschätzung für das Ohr nicht verloren hat. Im Gegenteil, er pflegt sie bewusst, weil er ein Sänger werden möchte, und er verweigert sich konsequent dem missklangschulenden Handyton. Jetzt sehe ich ihn von weitem mit elastisch federnden Schritten kommen. Sein offenes, dunkelbraunes, lockiges, schulterlanges Haar glänzt in der Sonne. Seine Biographie könnte von einem Kitschfilm abgeschrieben sein. Sein Vater ist Venezianer – ein Instrumentenbauer, und Umberto wird in Venedig als Sohn einer Wienerin geboren – und darf sich einer musischen Bildung hingeben.

      „Hallo Bella!“, tönt seine weiche Stimme mir entgegen.

      „Hallo Umberto, wir haben uns einen schönen Tag ausgesucht“, sage ich und wir umarmen uns herzlich.

      „Lydia wollte unbedingt mitkommen, jedoch ich habe sie überzeugen können, dass sie auf dich nicht eifersüchtig sein muss.“

      Ich lache.

      „Auf deine Gesangslehrerin muss sie wirklich nicht eifersüchtig sein, eher auf deine große Liebe zum Gesang. Sie kann dich ja das nächste Mal von der Gesangsstunde abholen, dann können wir einander kennenlernen“, füge ich hinzu.

      „Ja, das ist eine gute Idee“, stimmt er zu.

      Schon steht die Serviererin vor uns und er bestellt einen Capuccino und einen Apfelstrudel mit Schlagobers.

      „Heute schlägst du wieder zu“, scherze ich.

      „Ja, ja, du weißt ich brauche Kraft zum Singen“, sagt er und seine vollen kräftigen Lippen geben seine regelmäßigen und wohlgeformten Zähne frei.

      Umberto scheint die schöne Umgebung heute gar nicht zu beachten. Hat er etwas auf dem Herzen?

      „Wie geht es dir, Umberto?“, frage ich.

      „Weißt du, ich habe wieder versucht, in keine Mechanik beim Üben zu verfallen. Die Scalen verleiten dazu sehr, aber plötzlich war eine bedeutsame Frage auf meinen Lippen. Die Frage, was bedeutet es überhaupt zu singen. Es interessiert mich im Moment weniger, was es bedeutet ein Sänger zu sein, nein, was heißt überhaupt singen? Ein Mensch, der das Bedürfnis hat zu singen, was heißt das?“. Umbertos Augen werden ganz groß und fragend.

      „Ich habe mich beobachtet, wenn ich ein Lied singe. Will ich gefallen? Nein, ein Gefühl in mir sucht den Ausdruck im Klang. Das Gefühl, das ich in mir verspüre, ist so beglückend oder so traurig, dass

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