Sternengeflüster. Mara Janisch
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„Ich will meinen eigenen Rhythmus in der Arbeit leben.“
„Gerne arbeite ich, aber ohne Dauerstress.“
„Du musst, sonst hast du eben keine Arbeit.“
Der Zeitgeist will alles schnell; das Ticken der Zeit gilt auf der ganzen Welt, also füge dich ein, auch wenn du davon krank wirst. Diene dem Geist des Jahrhunderts. Wen interessiert schon dein Wesen, deine Individualität. Das Zeitliche arbeite heraus, trage es, gestalte es, nicht das Ewige. Den Zeitgeist gibt es immer nur ein Mal, das Ewige ist immer hier.
Reize dich mit dem Computer, reize dich mit dem Handy, reize dich bis zum Umfallen, reize dich zu dem, was du nicht bist: Ein Sklave der Zeit.
Aber das Sklaventum stirbt nie aus.
„Ich will ein Mensch sein, der die Spuren des Zeitlichen an sich trägt, dankbar die Anregungen des Zeitgeistes aufnimmt und damit an sich selbst arbeitet, gehüllt in das Wesen des Ewigen, meiner Individualität. Nur Spuren des Zeitgeistes bitte. Ich weiß mich zu wehren gegen die Aufdringlichkeit des Zeitlichen. Ich lasse mich nicht verschlingen.“
Geist der Zeit, warum bist du so fordernd?
„Das bin ich nicht. Ich werde von den Menschen ausgesaugt. Sie wollen immer mehr von mir. Ich kann nicht mehr. Sie bringen mich um.
5 ½ Milliarden Handys auf dem Erdball habe ich nicht gewollt. Den gläsernen Menschen durch den Computer – ich habe es nicht gewollt. Die Gier nach immer mehr Profit und Geld – ich habe es nicht gewollt. Mensch lass nach. Lass los! Lass locker, sonst bringst du dich und mich noch um.“
Die Leere
Es ist Nacht. Ich möchte noch einmal in die Wohnung in der Helftorgasse gehen. Wozu? Die Schlüssel habe ich doch schon zurückgegeben! Es zieht mich einfach in diese Wohnung zurück, obwohl ich froh bin, dass ich nicht mehr dort wohne. Duplikate von den Schlüsseln habe ich ja genug!
Natürlich mache ich jetzt etwas Verbotenes. Ich tue es trotzdem. Was ist, wenn dir der Nachbar entgegenkommt? Du hast dich doch von allen verabschiedet. Es wäre eine komische Situation. Du hättest dir wenigstens eine Perücke und eine Sonnenbrille aufsetzen können.
„Aber es ist 2 Uhr 20 am Morgen, normalerweise schlafen Menschen um diese Zeit, und Nachmieter sind noch keine hier, weil die Wohnung erst renoviert wird“, beruhige ich mich. Ich stehe ja schon vor der Wohnungstüre und bin niemand begegnet. Ich sperre auf – langsam und leise, plötzlich schaltet sich das Ganglicht ein. Naja, ich bin ja schon in der Wohnung. Glück gehabt. Ich spähe durch das kleine Guckloch hinaus und ich sehe: Es kommen doch tatsächlich der Nachbar und seine Frau nachhause. Da muss ich aufpassen und sehr leise sein. Wie dunkel es ohne Licht in der Wohnung ist. Üblicherweise gibt die Straßenbeleuchtung ein wenig Licht. Ah, nach dem Gewitter – sie ist ausgefallen. Warum tue ich mir das eigentlich an und komme in der Nacht hierher?
„Du bist doch froh, dass du diesen Ort verlassen konntest“, sage ich zu mir selbst. „Warum zieht es dich hierher?“ „Ich möchte die Dunkelheit befragen, ihr lauschen, was sie mir erzählt über meinen siebenjährigen Aufenthalt hier. Im Dunkeln müssen die Augen schweigen, sie können nicht ständig plappern und ihre Urteile von sich geben. Die Ohren – sie lauschen, sie empfangen, sie haben weniger Vorurteile, von ihnen erwarte ich einen neuen Gesichtspunkt, weil ich auf der Suche nach einer neuen Art der Wahrnehmung meiner Erlebnisse bin.“
So taste ich mich mit meinen Fußsohlen über den Holzboden. Welch neue Wahrnehmung, die Fußsohlen so genau zu spüren, den Bodenkontakt zu fühlen.
Aua, was war das jetzt? Es fühlt sich weich an. Ich bücke mich und hebe es auf, ein Stück Taschentuch, nein! Ich taste das weiche Stück ab: Zwei kleine Knöpfe – etwas Spitzes, ein Schwänzchen. Ach so, es kann nur eine Stoffmaus von meiner Katze sein! Ich nehme sie an mich. Mittlerweile bin ich im Musikzimmer angelangt, wo ein schwarzer Flügel in der Mitte stand und viele Menschen hier ein- und ausgegangen sind. Sie sind um das Klavier im Kreis gestanden und haben gesungen. Ein großer Zweifel hat sie hierher geführt. Sie wollten es zu Recht nicht glauben, dass sie kein einfaches Lied nachsingen können.
„Ich treffe den Ton nicht, ich kann den Ton nicht richtig nachsingen, ich schäme mich dafür, dass ich falsch singe. Meine Eltern haben immer gesagt, sei still und singe nicht mit, du störst mit deinem falschen Singen“, war zu hören.
Es ist dunkel hier. Am Boden setze ich mich nieder und ich lausche in die Finsternis: Sind die Ängste der Menschen noch hier?
Ich sitze am Boden und lausche dem Unsichtbaren und Unhörbaren. Ich sitze gerne in der Dunkelheit. Weit entfernt höre ich Bässe einer Stereoanlage und Autogeräusche von der Straße. Dann wieder Stille! Ich mache es mir bequem und lehne mich an die Wand, hoffentlich schlafe ich nicht ein.
„Gibt es nicht sinnvollere Dinge, als Menschen unbedingt singen beizubringen?“, höre ich eine Stimme sagen. Habe ich das jetzt geträumt, bin ich eingeschlafen? Stille!
„Gibt es nicht sinnvollere Dinge, als Menschen unbedingt Singen beizubringen?“, tönt es jetzt noch einmal eindeutig aus der Stille wie mit tiefen Stimmen gesprochen.
Ich denke kurz nach und dann muss ich über diese dumme Frage laut lachen. Da fällt mir ein, dass ich darüber nicht lachen brauche, zumal ich dieses Argument von vielen Menschen hier immer wieder gehört habe, dass Singen etwas völlig „Nutzloses“ ist, das sie sich aber jetzt einmal gönnen möchten.
Zu meinen unsichtbaren Gesprächspartnern spreche ich laut:
„Oh ja, es ist etwas höchst Sinnvolles, wenn ein Mensch entdeckt, dass er singen kann. Singen gibt Mut, dass jeder Mensch ein Recht auf seinen eigenen Klang hat. Aus einem Lied von zwei verschiedenen Menschen gesungen, werden plötzlich zwei verschiedene Lieder. Es gibt kein stärkeres Bekenntnis zur eigenen Individualität, zum eigenen Wesen, als die Erfahrung der eigenen Stimme.“
„Wir brauchen keine Individuen, wir brauchen Menschen, die sich in das Gute wie in das Schlechte der Gesellschaft einfügen und eine Leistung für die Gemeinschaft erbringen“, raunen mir chorische Stimmen entgegen.
„Ihr seid also noch hier, ihr Gedanken der Täuschung. Ihr leitet die Sinnsuche der Menschen in die Irre. Ihr leugnet vor allem das individuelle Wesen der Menschen“, entgegne ich.
„Das wollen alle, etwas Besonderes sein. Zeigt eure Besonderheit in der Leistung“, tönt es zurück.
„Wir sind etwas Besonderes, jeder von uns. Das müssen wir nicht durch eine besondere Leistung beweisen“, erwidere ich bestimmt. Ich warte. Nichts ist zu hören.
Vom langen Sitzen ein wenig steif geworden gehe ich erregt herum. „Leise“, fällt mir ein! Dann taste ich mich wieder zum Musikzimmer, um meine Tasche zu holen. Wo ist sie denn? Mit dem Fuß suche ich den Boden ab. Sie war doch eben noch hier, sie muss ja hier sein!
„Hoffentlich mache ich keinen Fehler“, höre ich unvermittelt. „Hoffentlich singe ich nicht falsch, ich habe Angst etwas falsch zu machen“, höre ich weiter.
„Ja, jetzt zeigt ihr euch“, denke ich mir, „früher habt ihr euch versteckt! Ihr Kräfte der Angst.“
„Und wie schafft ihr es in den Menschen hineinzukriechen?“, frage ich.
„Das